Antiterror-Gesetze: Auch Ärzte dürfen abgehört werden
Laut 2007 in Kraft getretener Neuregelungen für die Telefonüberwachung dürfen auch Ärzte abgehört werden. Ein Arzt hatte dagegen geklagt. Das Bundesverfassungsgericht wies jedoch diese und andere Beschwerden von Bürger ab und stellte sich auf die Seite der Strafverfolger. Für den Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar: „Wir fordern die Politik auf, den Lauschangriff auf uns Ärzte zu stoppen."
Neue Regelungen sind verfassungsgemäß
Am Mittwoch wurde ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht, in dem Beschwerden über die Neuregelungen der Telefonüberwachung abgewiesen wurden. Die Karlsruher Richter entschieden, dass für Ärzte ein geringerer Überwachungsschutz im Vergleich zu beispielsweise Rechtsanwälten zu billigen sei.
Ärzteverbandschef Montgomery sieht den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hingegen kritisch. Verschwiegenheitspflicht, Zeugnisverweigerungsrechte und Abhörverbote seien unabdingbaren Bedingungen des Arztberufs. Der Patientenschutz müsse gewahrt bleiben.
Ende 2007 wurden 19 Straftatbestände, die eine Telefonüberwachung rechtfertigen, aus der Regelung entfernt und 30 neue hinzugefügt. Zu den neu hinzugefügten Straftaten gehören unter anderem Erwerb, Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie. Außerdem wurden der Schutz des privaten Kernbereichs sowie die Benachrichtigung von Betroffenen gesetzlich geregelt.
Das Bundesverfassungsgericht begründet seinen Entschluss damit, dass nur besonders schwerwiegende Tatbestände in den Strafdatenkatalog aufgenommen wurden. Die Privatsphäre bleibe nach Ansicht der Richter ausreichend geschützt. Abgesehen davon würden sehr private Gespräche, die mit Pfarrern, Strafverteidigern, Abgeordneten und nahen Angehörigen geführt werden, nicht überwacht.
Für Journalisten, Sozialpädagogen, Psychologen und Ärzte gilt dies nicht. Gerichte können im Einzelfall entscheiden, ob eine Überwachung erforderlich ist und die Informationen verwertet werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte, dass Medienfreiheit keinen grundsätzlichen Vorrang vor Strafverfolgung haben könne.
Gespräche mit Ärzten sind privat, dürfen aber im Einzelfall abgehört werden
Gespräche zwischen Arzt und Patient sind privat und unterliegen einem besonderen Schutz. Jedoch berühren sich laut den Karlsruher Richtern nicht zwangsläufig den innersten Kernbereich der Privatsphäre. Sehr private Gespräche bzw. Gesprächsabschnitte dürfen ohnehin nicht verwertet oder müssen sogar gelöscht werden.
Strafverfolgung sei für den Rechtsstaat und seine Bürger unerlässlich. Nach Meinung der Richter ist es wichtig, dass Gespräche nicht im Vorhinein schon von der Überwachung ausgeschlossen werden, weil möglicherweise private Details besprochen werden könnten. Eine wirksame Strafverfolgung wäre dann auch bei besonders schwerwiegenden Straftaten nicht mehr möglich.
Bundesärztekammer protestiert gegen ergangenes Urteil
Der Präsident der Bundesärztekammer kritisiert: „Für uns ist nicht nachvollziehbar, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichtes dem Vertrauensschutz bei Strafanwälten mehr Bedeutung beimessen, als der Integrität des Patienten-Arzt-Verhältnisses. Mit Befremden haben wir deshalb zur Kenntnis genommen, dass Ärzte höchstrichterlich zu Berufsgeheimnisträgern zweiter Klasse degradiert werden.“ Montgomery sieht das wichtige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet und warnt: „ Ärzte und ihre Patienten laufen nach dem Beschluss weiterhin Gefahr, Ziel staatlicher Lauschangriffe zu werden.“ (ag)
Bild: Sven L. / pixelio.de
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