Patienten mit Hirntumor sollten möglicherweise keine Organe spenden
31.07.2014
Bisher galt unter Medizinern die Annahme, dass Hirntumore keine oder nur sehr selten Metastasen bilden. Deshalb sprachen sich einige Ärzte sogar dafür aus, Betroffene zur Organspende zuzulassen. Deutsche Forscher wiesen jedoch jüngst in ihrer Studie nach, dass bei Hirntumor-Patienten häufig zirkulierende Krebszellen im Blut nachweisbar sind. Demnach könnten Empfänger von Organen, deren Spender an einem Hirntumor erkrankt war, selbst Krebs entwickeln.
Aggressive Hirntumore haben auch ohne Metastasen eine schlechte Heilungsprognose
„Glioblastoma multiforme ist der häufigste und aggressivste Hirntumor bei Erwachsenen“, schreiben die Forscher um Klaus Pantel vom Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) im Fachmagazin „Science Translational Medicine”. Gliome sind Tumore, die im Zentralen Nervensystem auftreten. Eine Untergruppe bilden die besagten Glioblastome, die als unheilbar mit sehr schlechter Prognose gelten. Nach der Diagnose überleben die Betroffenen durchschnittlich nur etwa zwölf bis 15 Monate. Weltweit sterben jährlich rund 175.000 Menschen an dem aggressiven Hirntumor.
Bisher gingen Mediziner davon aus, dass solche Glioblastome auf das Gehirn beschränkt sind und nicht in andere Organe streuen. Untersuchungen hatten ergeben, dass lediglich bei etwa 0,5 Prozent der Betroffenen Metastasen auftreten. Doch dieses Ergebnis beruhte sehr wahrscheinlich auf der geringen Lebenszeit der Betroffenen. Viele Glioblastom-Patienten werden deshalb auch häufig nicht auf Metastasen untersucht.
Aggressive Hirntumore streuen häufiger als angenommen
„Die Überzeugung, dass die Ausbreitung von Glioblastoma multiforme auf das Gehirn beschränkt ist, wurde von Berichten über extrakranielle Metastasen nach einer Organtransplantation von Spendern mit Glioblastom in Frage gestellt“, berichten die Forscher.Sie wollten deshalb herausfinden, inwieweit die aggressiven Gehirntumore tatsächlich nicht oder nur sehr selten streuen. Deshalb untersuchten sie das Blut von 141 Glioblastom-Patienten auf zirkulierende Krebszellen. Bei 29 von ihnen (21 Prozent) entdeckten sie tatsächlich bösartige Zellen. Über die genetischen Merkmale konnten sie feststellen, dass diese dem Hirntumor entstammen.
Wie die Forscher berichten, konnten sie aber nicht belegen, dass eine Tumoroperation, die in einigen Fällen trotz eher schlechter Prognose durchgeführt wird, das Freiwerden der Zellen begünstigt. Die Untersuchungsergebnisse legten zudem nahe, dass das Auftreten und die Zahl der Krebszellen im Blutkreislauf keine Auswirkungen auf die weitere Überlebensdauer der Patienten zu haben schien. Bei keinem der betroffenen Probanden lösten die Krebszellen im Blut innerhalb der durchschnittlichen 17 Monate Metastasen aus.
Bei Hirntumor mit zirkulierenden Krebszellen im Blut sollte Organspende ausgeschlossen werden
Hinsichtlich einer möglichen Organspende von Glioblastom-Patienten hat das Ergebnis der Studie gravierende Folgen. Denn die Diskussion um die Zulassung der Betroffenen zur Organspende ist noch nicht abgeschlossen. Bisher wurden das Blut solcher potentiellen Spender nicht auf zirkulierende Krebszellen untersucht. Experten schätzen aber bereits seit einiger Zeit, dass bei etwa zehn bis 20 Prozent der Empfänger von Organen von Glioblastom-Patienten Tumore in den Nieren, der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder im Herz auftreten. Den Forschern zufolge liegt dieser Prozentsatz verdächtig nahe an dem Anteil der Hirntumor-Patienten mit im Blut zirkulierenden Tumorzellen.
„Wir zeigten, dass die hämatogene Ausbreitung von Glioblastoma multiforme ein wesentliches Merkmal seiner Biologie ist“, schreiben sie im Fachmagazin.Deshalb solle man Organspender mit Glioblastom künftig auf die zirkulierenden Krebszellen untersuchen. „Es könnte ratsam sein, diese Patienten als Organspender auszuschließen.”
In einem Begleitkommentar zur Studie im selben Fachmagazin fassen Lara Perryman und Janine Erler von der Universität Kopenhagen das Untersuchungsergebnis zusammen: „Die Resultate brechen mit dem Dogma, dass Gliom-Zellen nur im Gehirn überleben können.” Diese Erkenntnis läge den Verdacht nahe, dass sich einiger der Krebszellen in Organen einnisten, wo sie vor einer Transplantation nicht entdeckt und nachgewiesen werden könnten.
Die Studie kommt noch zu einem weiteren Ergebnis: Fortschritte in der Therapie von Glioblastomen, die die Lebenszeit der Betroffenen verlängern, könnten zudem dazu führen, dass sich bei diesen Patienten häufiger Metastasen in der Lunge oder anderen Organen entwickeln.
Bildnachweis: Dieter Schütz / pixelio.de
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