Gene beeinflussen das Angstempfinden
04.07.2011
Die Anfälligkeit für Angst wird maßgeblich durch ein spezielles Gen bestimmt, berichten Forscher des Universitätsklinikums Münster gegenüber der Nachrichtenagentur „DPA“. Das Team um Prof. Katharina Domschke hat ein Gen entdeckt, welches bei Mäusen maßgeblichen Einfluss auf das Angstempfinden ausübt.
Laut Aussage der Psychiaterin Prof. Katharina Domschke ist das von ihrem Team entdeckte Gen „ausgesprochen spannend, weil es sowohl bei Tieren als auch bei Menschen für Angst eine Rolle zu spielen scheint“. Zwar seien nach aktuellem Forschungsstand insgesamt dreißig bis hundert Gene entscheidend für das Angstempfinden, doch das nun entdeckte Gene scheint dabei einer der bestimmenden Faktoren zu sein, berichten die Forscher des Universitätsklinikums Münster. Das bei den Mäusen nachgewiesenen Gene spiele „für den Neuropeptid-S-Rezeptor eine wesentliche Rolle“ welcher seinerseits maßgeblichen Einfluss auf das Angstempfinden habe, erklärte Prof. Katharina Domschke.
Angst-Gen verantwortlich für Angsterkrankungen und Depressionen?
Die Forscher des Universitätsklinikums Münster haben im Rahmen ihrer Untersuchungen bei Mäusen ein Gen entdeckt, dass maßgeblichen Einfluss auf das individuelle Angstempfinden hat. Das Gen sei für Funktion der Neuropeptid-S-Rezeptoren verantwortlich, welche ihrerseits wesentlichen Einfluss auf die Anfälligkeit für Angst aber auch Depressionen haben, berichten Prof. Katharina Domschke und Kollegen. Die Neuropeptide fungieren als winzige Nerven-Botenstoffe, welche indirekt Einfluss auf das Zusammenspiel von mehreren Nerven-Botenstoffsystemen wie Serotonin und Adrenalin haben, erläuterten die Experten.Werden die entsprechenden Rezeptoren blockiert und dadurch die Neuropeptid-Ausschüttung beeinträchtigt, seien die Tiere deutlich anfälliger für Angstzustände, so die Aussage der Experten. Der Prozess funktioniere jedoch auch in entgegengesetzter Richtung, so dass die Mäuse durch Verabreichung von Neuropeptid S „viel weniger Angst“ hatten, erläuterte Prof. Domschke.
Funktion der Neuropeptid-S-Rezeptoren entscheidend für Angstempfinden
Auf diese Weise steuere das für die Funktion der Neuropeptid-S-Rezeptoren verantwortliche Gen maßgeblich das Angstempfinden, erklärten die Wissenschaftler den Effekt des entdeckten Gens. „Dieses scheint eines der Gene zu sein, die eine wesentliche Rolle spielen“, betonte Prof. Domschke gegenüber der Nachrichtenagentur „DPA“. Auch beim Menschen sei das einer der wesentlichen Einflussfaktoren, welche die Anfälligkeit für Ängste bestimmen, erklärten die Wissenschaftler des Universitätsklinikums Münster. Ein funktionierendes Neuropeptid-S-System sei eine grundlegende Voraussetzung, „um nicht krankhaft Angst zu haben“, erläuterte die Expertin Prof. Domschke. Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse in Zukunft dazu beitragen können, neue Methoden und Medikamente zur Behandlung von Angstzuständen und Depressionen zu entwickeln.
Verbesserung der Diagnose und Behandlung von Angsterkrankungen
Außerdem könnten die genetische Erkenntnisse auch zur Verbesserung der Diagnose beitragen, da durch die Bestimmung der genetischen Faktoren das Risiko von Depressionen und Angstzuständen ohne die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Gehirn der Betroffenen möglich wird. Anhand der im Blut messbaren, zeitlich stabilen genetischen Varianten, die Einfluss auf die Neuropeptid-S-Rezeptoren ausüben, lasse sich das Risiko möglicher krankhafter Ängste relativ unproblematisch bestimmen, erklärte Prof. Domschke. Auf diese Weise bestehe dank der Genetik mittelfristig auch die Möglichkeit, noch spezifischere Medikamente gegen Angstzustände und Depressionen zu entwickeln und deren Wirkung schneller zu überprüfen, erläuterten die Forscher. „Damit ersparen wir dem Patienten viel Leidenszeit“, unterstrich Prof. Katharina Domschke ie Bedeutung der Forschungsergebnisse.
Unterschiede zwischen normaler und krankhafter Angst
Die Wissenschaftler des Universitätsklinikums Münsters erläuterten außerdem, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen der normalen Angst und krankhaften Angstzuständen bestehe. Während normales Angstempfinden durchaus Vorteile mit sich bringe, da Menschen im Notfall mit Kampf oder Flucht reagieren, werden die Angstzustände „pathologisch, wenn die Angst zu lange dauert oder in Situationen auftritt, die eigentlich nicht gefährlich sind“, erläuterte Prof. Domschke. Die pathologischen Angstzustände sind im Alltag eher hinderlich und lösen einen nicht unerheblichen „Leidensdruck“ aus, so die Expertin weiter. Dabei reiche das Spektrum von Phobien bis hin zu Panikattacken und dem Meiden sozialer Kontakte, betonten die Wissenschaftler des Universitätsklinikums Münster.
Risiko von Angsterkrankungen liegt in der Familie
Laut Prof. Domschke ist bereits „seit über 50 Jahren“ bekannt, „dass Ängste in der Familie liegen“. Demnach haben nahe Familienangehörige (Eltern, Geschwister, Kinder) der Patienten mit Angsterkrankungen hierzulande ein drei- bis sechsfach erhöhtes Erkrankungsrisiko im Vergleich zu den durchschnittlichen Erkrankungsraten in der Bevölkerung, so die Psychiaterin des Universitätsklinikums Münster. Neu an den aktuellen Forschungsergebnissen ist nach Aussage der Expertin „dass man genau schauen kann, welche Mutationen bei Angsterkrankten signifikant häufiger vorkommen.“ Die Forscher „haben vier bis fünf Gene identifiziert, die ein Risiko zu vermitteln scheinen“, erklärte Prof. Domschke. In Zukunft könnte diese nicht nur dazu beitragen, die Risikoabschätzung in Bezug auf mögliche krankhafte Angstzustände deutlich zu verbessern, sondern auch die Entwicklung neuer Behandlungsmethode und Medikamente könnte von den aktuellen Studienergebnisse profitieren, so das Fazit der Expertin. (fp)
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