Gefährliche Narkose: Todesfälle nach Anästhesie leicht gestiegen
02.08.2011
Während die Zahl der Todesfälle nach einer Narkose bis Ende des 20. Jahrhunderts immer weiter zurückging, zeigen neueste Erhebungen einen leichten Wiederanstieg der Sterberaten nach einer Anästhesie.
Noch in den 1940er Jahren starben rund 640 von einer Million Anästhesiepatienten jährlich in Folge der Narkose. Durch höhere Sicherheitsstandards und eine bessere Ausbildung ging die Sterberate bis zum Ende der 80er-Jahre jedoch auf lediglich vier von einer Millionen Patienten zurück. Nun hat das „Deutschen Ärzteblatt“ allerdings eine Untersuchung veröffentlicht, derzufolge in den letzten Jahren ein Wiederanstieg der weltweiten Sterberate nach einer Narkose von vier auf sieben von einer Million Anästhesiepatienten zu verzeichnen war.
Vermehrt Todesfälle im Folgejahr der Narkose
Neben dem Wiederanstieg der Sterberate unmittelbar nach einer Anästhesie sei außerdem die Zahl der Todesfälle ein Jahr nach einer Operation unter Vollnarkose erschreckend hoch, berichtet das „Deutsche Ärzteblatt“. Demzufolge stirbt rund jeder zwanzigste Patient in dem Folgejahr nach der Anästhesie. Bei Patienten im Alter über 65 Jahre überlebt sogar jeder Zehnte das Folgejahr nicht. Als Begründung nennen die Experten den wachsenden Anteil der älteren Patienten, die mit vielfältigen Vorerkrankungen operiert werden müssen. Für die ohnehin geschwächten Personen stelle die Narkose mitunter ein erhebliches gesundheitliches Risiko dar. Eine operationsbedingte Narkose könne zum Beispiel bei 80-jährigen Patienten, die möglicherweise schon einen Herzinfarkt hinter sich haben oder unter Blutdruckbeschwerden leiden, zu einem ernsthaftes Problem werden. Denn „Narkose und Operation bedeuten Stress für den Körper“, betonte Studienautor André Gottschalk im „Deutschen Ärzteblatt“. Zwar sei es weiterhin eine Rarität, „dass ein Patient während einer OP stirbt, aber bei Patienten mit schweren Vorerkrankungen kann der posttraumatische Stress nach einer ausgedehnten OP unter Umständen zum Tod führen“, erläuterte Gottschalk.
Starker Abfall des Blutdrucks während der Narkose
Die möglichen Probleme im Rahmen der Anästhesie sind vielfältig und stark abhängig von der grundsätzlichen gesundheitlichen Verfassung der Patienten, berichten die Experten. Generell umfasst die moderne Anästhesie heute mehrere, chronologisch nacheinander eingeleitete Schritte. Vereinfacht dargestellt, erhalten die Patienten vorab ein starkes Schmerzmittel, anschließend ein hochwirksames Schlafmittel wie beispielsweise Propofol, dass die Betroffenen in einen tranceähnlichen Zustand versetzt und zuletzt einen Wirkstoff, der die Bewegungsfähigkeit des Patienten ausschaltet, indem die Übertragung der Signale aus dem Gehirn an die Bewegungsmuskeln unterbrochen wird. Dabei sind zum Einleiten der Narkose meist relativ hohe Dosierungen erforderlich, wodurch der Blutdruck der Patienten oftmals stark abfällt. Allerdings reagiere an dieser Stelle jeder Körper unterschiedlich und nicht immer wie erwartet, berichtet der Studienautor André Gottschalk. So sei zum Beispiel „bei übergewichtigen Patienten die korrekte Dosierung der Narkosemittel manchmal schwer abzuschätzen, weil das Fettgewebe keine Narkosemedikamente braucht, erläuterte Gottschalk. Hierdurch könne jedoch eine Überdosierung verursacht werden, die ihrerseits einen starken Abfall des Blutdrucks mit sich bringen kann, betonte der Studienautor.
Risiken der Narkose nicht unterschätzen
Auch wenn in der modernen Anästhesie seit ihrer Einführung im 19. Jahrhundert massive Fortschritte erzielt werden konnten, sollten Ärzte und Patienten sich der Risiken stets bewusst sein und diese keinesfalls unterschätzen, warnen die Experten. Denn der Wiederanstieg der Sterberate und die Anzahl der Todesfälle im Folgejahr nach einer Narkose, zeichnen ein besorgniserregendes Bild. Allerdings ist das fein justierte System der modernen Anästhesie aus der Schulmedizin heute nicht mehr wegzudenken, denn viele Eingriffe wären „einfach nicht möglich“, wenn die Patienten nicht vom Schmerz befreit werden, erläuterte Michael Sander, stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie der Charité gegenüber „Welt Online“. So wurden besonders schmerzhafte Eingriffe bereits in der Antike bei den Ägyptern, Griechen und Römern unter Betäubung der Patienten vollzogen, wobei zum Beispiel Mohn, Bilsenkraut oder Alkohol als Schmerz-beziehungsweise Narkosemittel eingesetzt wurden. (fp)
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