Klinikskandal: Arzt zu vier Jahren Haft verurteilt
28.03.2011
Heute ist das Urteil in einem der umfassendsten Klinikskandale Deutschlands gefallen. Der Chefarzt des St. Antonius-Krankenhauses in Wegberg wurde zu vier Jahren Haftstrafe verurteilt. Dem Arzt wurde vorgeworfen, Zitronensaft für die Desinfektion von Wunden genutzt sowie überflüssige und unnötige Operationen durchgeführt zu haben.
Nachdem der Chefarzt der Klinik in Wegberg, Arnold P., vor dem Landgericht Mönchengladbach bereits Anfang März mehrere Körperverletzungen mit Todesfolge sowie eine Reihe weiterer Körperverletzungen und Behandlungsfehler eingestanden hatte, folgte heute der abschließende Urteilsspruch in dem Verfahren. Das Gericht hatte sich im Gegenzug für ein Geständnis dazu bereit erklärt die Haftstrafe des Mediziners auf maximal vier Jahre zu begrenzen. Als Besitzer und Chefarzt des St. Antonius-Krankenhauses hatte Arnold P. laut Anklage seine Machtposition für die Gewinnmaximierung zu Lasten der Patienten missbraucht. In seinem Schlusswort sprach der Beschuldigte jedoch lediglich von persönlicher Überlastung als Ursache für die erschreckenden Vorkommnisse.
Arzt begeht mehrfach Körperverletzung mit Todesfolge
Zu Beginn des Prozesses hatte die Staatsanwaltschaft dem Chefarzt der Wegberger Klinik sieben Todesfälle und über 60 Fälle von Körperverletzung als Folge falscher Behandlungen vorgeworfen. Dabei habe der 54-jährige Arzt sowohl durch unsachgemäße Behandlungen als auch durch unnötige Operationen das Leben der Patienten aufs Spiel gesetzt. Verurteilt wurde Arnold P. heute wegen zweifacher Körperverletzung mit Todesfolge, zwei fahrlässigen Tötungen und 21 Fällen von Körperverletzung zu vier Jahren Haftstrafe. Darüber hinaus muss der Verurteilte 30.000 Euro an die Hinterbliebenen der verstorbenen Patienten zahlen. Ohne ein Geständnis hätte sich der bisher eineinhalb Jahre dauernde Prozess vermutlich noch erheblich länger hingezogen, so dass sich die Parteien auf ein deutliches Entgegenkommen beim Strafmaß im Gegenzug für ein Geständnis geeinigt hatten. Dies legte Arnold P. Anfang März ab, doch Gewinnstreben als Ursache seines Fehlverhaltens wollte der ehemalige Chefarzt der Wegberger Klinik offenbar nicht eingestehen. „Ich habe mich übernommen", erklärte der 54-jährige Angeklagte auch heute in seinem Schlusswort. Arnold P. war gleichzeitig Besitzer, Chefarzt, ärztlicher Direktor und Operateur des St. Antonius-Krankenhauses.
Profitinteressen als Ursache des ärztlichen Fehlverhaltens?
Doch insbesondere bei den unnötigen Operation und dem mutwilligen Verzicht auf die Hinzuziehung von Experten sowie der Desinfektion mit Zitronensaft vermutet die Staatsanwaltschaft bis heute eher ein ausgeprägtes Profitinteresse hinter dem Fehlverhalten des Mediziners anstatt einer Überlastung. Schon in der ursprünglichen Anklageschrift hieß es, Chefarzt Arnold P. habe rein aus Gründen der Profitmaximierung überflüssige Darmoperationen durchgeführt und bei Patienten unnötig Gallenblase, Blinddarm, Nieren oder Brustfell entfernt. Die Beweisführung gestaltete sich im Rahmen des Verfahrens jedoch äußerst schwierig, so dass auch die Staatsanwaltschaft sich im Gegenzug für ein Geständnis zu einer Reduzierung des Strafmaßes auf maximal vier Jahre bereit erklärt hatte. Außerdem darf der Mediziner, dessen Approbation bereits 2008 nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe in dem St. Antonius-Krankenhaus zurückgezogen wurde, vier Jahre lang wegen der von ihm verschuldeten „Kette von gravierenden Fehlern“ nicht als Mediziner tätig sein. Für die betroffenen Nebenkläger ist dies jedoch kaum hinnehmbar. Sie forderten als wesentliche Konsequenz des Klinikskandals, dass der Arzt nie wieder Patienten behandeln soll.
Machtposition als Klinik-Besitzer, Chefarzt und ärztlicher Direktor missbraucht
Im Januar 2006 hatte Arnold P. das St. Antonius-Krankenhaus von der Kommune Wegberg für einen symbolischen Preis gekauft und vor der Insolvenz bewahrt. Nachdem dann die ersten Vorwürfe im Jahr 2007 bekannt wurden, hatte die Grüne Landtagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen Dr. Ruth Seidl festgestellt, dass die ungewöhnliche Machtfülle des Klinikleiters als Besitzer, Chefarzt und ärztlicher Direktor einen solchen Skandal überhaupt erst ermöglicht habe. Die Staatsanwaltschaft erklärte in ihrer Anklageschrift, dass Arnold P. nach der Übernahme der Klinik sämtliche Abteilungen „einem strengen Wirtschaftlichkeitspostulat unterworfen“ und aus Kostengründen in zahlreichen Fällen angeordnet habe, statt der teuren sterilen Lösungen frischgepressten Zitronensaft zur Wunddesinfektion zu verwenden. Auch seien teure Behandlungen mit Antibiotika, Heparin oder Blutkonserven nur äußerst sparsam eingesetzt worden. Zudem habe der Chefarzt mindestens eine Patientenverfügung ignoriert und zahlreiche unnötige Operationen durchgeführt.
Arzt bestreitet Gewinnstreben als Motiv
Die Verteidigung besteht indes darauf, dass für ein „angebliches Spardiktat“ Piers in der Wegberger Klinik „keine Belege“ vorliegen und der Angeklagte betonte nochmals, dass Profitstreben nicht sein Motiv gewesen sei. Arnold P. verwies darauf, dass er durch die Übernahme der Klinik in „unglücklicher Personalunion (…) sachlich und zeitlich“ überfordert gewesen sei. Sein Mandat sei „kein Krimineller“und habe lediglich sein „durch und durch positives ärztliches Ideal umsetzen“ wollen, erklärte der Verteidiger. Angesichts der eingestandenen Anklagepunkte eine für Prozessbeobachter etwas befremdliche Einschätzung des Verhaltens von Arnold P. Denn der ehemalige Chefarzt hatte in seinem Geständnis nicht nur die Versorgung von Wunden mit Zitronensaft bestätigt, sondern auch fehlerhafte und unnötige Operationen, die ohne Einwilligung der Patienten durchgeführt wurden. Außerdem erscheint der Staatsanwaltschaft bis heute fragwürdig, wieso ein ohnehin überlasteter Mediziner auf die Hinzuziehung von Spezialisten verzichtet und stattdessen selber die Behandlung vornimmt, obwohl zum Beispiel im Bereich der Mikrochirurgie nicht einmal die benötigten Instrumente zur Verfügung standen. (fp)
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