Sämtliche gesetzliche Krankenkassen verzichten 2012 auf Zusatzbeitrag
22.12.2012
Das System der Zusatzbeiträge bei den gesetzlichen Krankenversicherungen scheint am Ende. Die unerwartet hohen Überschüsse des Gesundheitsfonds in diesem und die voraussichtlichen Mehreinnahmen im kommenden Jahr haben alle Krankenkassen, die bisher einen Zusatzbeitrag erhoben, dazu veranlasst diesen zurückzunehmen.
Ab dem Frühjahr 2012 werden sämtliche Krankenkassen keinen Zusatzbeitrag mehr erheben. Denn die Überschüsse aus dem Jahr 2011 setzen sich voraussichtlich auch im kommenden Jahr fort. Insgesamt hat sich die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenkassen weit positiver entwickelt, als von vielen Seiten nach der letzten Gesundheitsreform erwartet. Krankenkassen, die frühzeitig einen Zusatzbeitrag eingeführt hatten, um drohende finanziellen Schwierigkeiten abzuwenden, stehen nun jedoch – trotz der Überschüsse im Gesundheitsfonds – weit schlechter da, als vor der Reform. Denn sie mussten seit Einführung der Zusatzbeiträge einen Mitgliederverlust in Höhe von rund zehn Prozent verkraften.
Keine Zusatzbeiträge mehr ab dem Frühjahr 2012
Als Ursache der erfreulichen finanziellen Entwicklung bei den gesetzlichen Krankenkassen, gelten die noch unter dem Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) im Jahr 2010 beschlossenen Maßnahmen zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen. Zwar wurde die Einführung der Zusatzbeiträge als eine Art Alternative zur Kopfpauschale (welche von der FDP favorisiert wird) im Zuge der Gesundheitsreform im Jahr 2010 beschlossen. Durch die Maßnahmen zur Reduzierung des Finanzdefizits bei den gesetzlichen Krankenversicherungen, haben sich die Zusatzbeiträge nun jedoch erübrigt. Sämtliche Krankenkassen wollen ab dem Frühjahr 2012 keinen Zusatzbeitrag mehr erheben, womit die versteckte Kopfpauschale (Beitrag unabhängig vom Einkommen) vorerst vom Tisch scheint. So hat Rösler das Ziel seiner Partei zwar nicht erreicht, jedoch einen wesentlichen Beitrag zu den jetzigen finanziellen Überschüssen bei den gesetzlichen Krankenkassen geleistet. Um das nach der Gesundheitsreform prophezeite Defizit in Höhe von rund elf Milliarden Euro zu vermeiden, setzte der damalige Gesundheitsminister bei den Pharmaherstellern einen erhöhten Zwangsrabatt auf Arzneimittel durch und erhöhte den Beitragssatz. Auch die Arzt- und Klinikkosten wurden durch die Beschlüsse vor gut einem Jahr begrenzt.
Milliardenüberschuss ermöglicht die Abschaffung der Zusatzbeiträge
Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Beschlüsse und die positive konjunkturelle Entwicklung, konnte nicht nur das drohende Defizit von rund 11 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds abgewendet werden, sondern die Krankassen freuen sich stattdessen im Jahr 2011 über einen finanziellen Puffer von rund 16 Milliarden Euro. Dieser wird voraussichtlich auch im Jahr 2012 kaum geschmälert, da sich selbst bei einer weit schlechteren konjunkturellen Lage die Folgen erst deutlich verzögert auf die Einnahmen des Gesundheitsfonds auswirken würden. Um den Überschuss auch in den kommenden Jahren zu bewahren bedarf es laut Berichten der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) lediglich einer kleineren Gesetzesänderung, die „dem Fonds erlaubt, konjunkturelle Schwankungen auszugleichen.“ Die Planung dieser rechtlichen Anpassung wurde der „SZ“ zufolge hinter vorgehaltener Hand von Koalitionspolitikern bereits bestätigt. So könnten die Zusatzbeiträge nach ihrem relativ kurzen Gastspiel nun dauerhaft ein Ende finden. Zum Ärger der wenigen Krankenkassen, die bereits einen Zusatzbeitrag eingeführt hatten, um ihre finanziellen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Denn ihnen gingen durch die erhobenen Zusatzbeiträge zehntausende Mitglieder verloren, die in Richtung einer Krankenkasse ohne Zusatzbeitrag wechselten.
Mitgliederverluste bei den Krankenkassen mit Zusatzbeitrag
Ab dem Frühjahr 2012 verzichten sämtliche gesetzliche Krankenversicherungen auf die Erhebung eines Zusatzbeitrags. Zwar müssen die entsprechenden Beschlüsse der Versicherungen noch vom Bundesversicherungsamt genehmigt werden und es bedarf einer Anpassung der einzelnen Satzungen. Dies sind jedoch lediglich formale Hürden, die ohne größere Schwierigkeiten überwindbar sein sollten, bevor die Krankenversicherungen ihren Mitgliedern die erfreuliche Nachricht übermitteln können. Die rund zehn Krankenkassen, welche aufgrund drohender Defizite in der Vergangenheit bereits Zusatzbeiträge erheben mussten, können sich über die jetzige Entwicklung jedoch nur bedingt freuen. Zwar konnten sie nun einen Wettbewerbsnachteil beheben, der ihnen in Zukunft möglicherweise noch erhebliche Schwierigkeiten bereitet hätte, doch gingen sie bei der Erhebung der Zusatzbeiträge davon aus, dass die Politik weiterhin ihren Kurs beibehalten und die Finanzmittel im Gesundheitsfonds knapp halten würde. Dies hätte zur Folge gehabt, dass immer mehr Krankenkassen auf die Einführung von Zusatzbeiträgen angewiesen gewesen wären. Doch das Gegenteil ist nun der Fall. Tatsächlich haben sich die betroffenen Krankenkassen an dieser Stelle ein wenig verspekuliert. Allerdings blieb ihnen angesichts der finanziellen Schwierigkeiten kaum eine Wahl.
Zusatzbeitrag nach der nächsten Bundestagswahl auf dem Prüfstand
Die Zusatzbeiträge waren seit ihrer Einführung äußerst umstritten und die meisten gesetzlichen Krankassen waren entsprechend zurückhalten bei der Erhebung. Zumal mit den Zusatzbeiträge in der Regel ein erheblicher Mitgliederverlust einherging. So hat beispielsweise die Deutsche Angestellte Krankenkasse seit Einführung des Zusatzbeitrags rund 500.000 Mitglieder verloren. Einige kleinere Krankenkasse waren von den einsetzenden Mitgliederverlusten noch stärker betroffen. Die Zusatzbeiträge waren zum Beispiel einen wesentlicher Grund für die Insolvenz der City BKK im Sommer 2011 und die Schließung der BKK für Heilberufe zum Ende des Jahres. Die jetzige Abschaffung der Zusatzbeiträge bei sämtlichen Krankenkassen dürfte daher auch für ein wenig mehr Ruhe in der Branche sorgen. Voraussichtlich wird auch im Jahr 2013 keine Krankenkasse erneut Zusatzbeiträge erheben, da mit den ebenfalls im Jahr 2013 stattfindenden Bundestagswahlen und einem möglichen Regierungswechsel die Zusatzbeiträge generell in Frage stehen. So hatten sowohl der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach als auch die Generalsekretärin der Sozialdemokraten, Andrea Nahles, bereits erklärt, dass die Zusatzbeiträge bei einer künftigen Regierungsbeteiligung der SPD auf den Prüfstand gestellt werden.
Zusatzbeiträge endgültig vor dem Aus?
Auch wird die derzeitige Bundesregierung ihr bestes tun, um die derzeit besonders gute finanzielle Situation der Krankenkasse bis zum Ende der Wahlperiode zu retten. Denn wäre eine Kasse aufgrund drohender Defizite gezwungen, erneut einen Zusatzbeitrag zu erheben, so würde in jedem Fall die christlich-liberale Koalition hierfür verantwortlich gemacht, was in Wahlkampfzeiten nicht im Sinne von CDU, CSU und FDP sein dürfte. Damit scheint das Aus der Zusatzbeiträge endgültig besiegelt. Die „SZ“ beschreibt als einzige Möglichkeit für erneute Zusatzbeiträge, eine massive Kostensteigerung bei den Ausgaben im Jahr 2012, so „dass die Kassen nicht mehr mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds hinkommen.“ Allerdings verwies das Blatt gleichzeitig darauf, dass der Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine derartige Entwicklung bereits ausgeschlossen hat. (fp)
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Bild: Claudia Hautumm / pixelio.de
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