Die Abschaffung der Zusatzbeiträge ist nur von kurzer Dauer
27.12.2011
Keine gesetzliche Krankenkasse wird ab 2012 einen Zusatzbeitrag von ihren Versicherten verlangen. Mit der guten Finanzlage könnte es naher Zukunft schon bald vorbei sein, wie mehrere Kassenchefs erklärten. Für das darauffolgende Jahr 2013 erwarten sie Mindereinnahmen in Milliardenhöhe. Das Thema Zusatzbeitrag ist demnach noch lange nicht vom Tisch.
Die gute Konjunktur am Arbeitsmarkt und die Beitragserhöhungen im Zuge der Gesundheitsreform haben den gesetzlichen Krankenkassen eine wahren Geldsegen beschert. Während die privaten Krankenversicherung, wie bereits in den Jahren zuvor, hohe Tarifanpassungen von bis zu 60 Prozent unternehmen müssen, schaffen zahlreiche gesetzliche Kassen kurzerhand die Zusatzbeiträge wieder ab. Ab 2012 muss kein Kassenpatient einen Zusatzbeitrag entrichten. Vor zu großem Optimismus warnen allerdings gleich mehrere Vorstandvorsitzende der Krankenkassen. „Der positive Trend wird nicht lang anhalten“, so die einhellige Meinung der Kassenvorsteher.
Neue Zusatzbeiträge ab 2013?
Bereits 2013 wird der Gesundheitsfonds nicht mehr die Kosten der Krankenkassen in vollem Umfang abdecken können, warnte Christoph Straub von der Barmer GEK. Die Barmer GEK ist der Branchenführer der überregionalen Kassen in Deutschland. Ob das Bundesversicherungsamt (BVA) den Plänen der betroffenen Kassen zustimmt, die Zusatzbeiträge wieder abzuschaffen, darüber wollte Straub keine Zukunftsaussicht abgeben. Fest steht: Der Gesundheitsfonds „dürfte 2013 wieder unter Druck geraten“, so Straub in einem Interview mit der dpa.
Währenddessen warnt der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) vor Kostensteigerungen, die weitere Kassenpleiten in Kauf nehmen. Ingo Kailuweit von der KKH-Allianz schließt sich der Prognose an und sieht 2013 ein „kritisches Jahr“. Der Kassenchef geht nicht davon aus, dass die positive Konjunktur weiter anhalten wird. „Die Einnahmen werden 2013 nicht den Finanzbedarf abdecken können“. Das erwirtschaftete Plus im Gesundheitsfonds von über 3,9 Milliarden Euro sei ein „Einmal-Effekt vergangener Gesetze, wie bei dem Arzneimittel-Sparpaket“, erklärte BKK-Chef Heinz Kaltenbach. Der Verbandschef erwartet, dass die Kostenseite bei den Arzneimitteln und Kliniken weiter steigen wird.
Zusatzbeiträge sind gescheitert
Plan der schwarz-gelben Bundesregierung ist, die Zusatzbeiträge als eine „Element des Wettbewerbs und Regulierung“ einzusetzen. Wenn Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht mehr ausreichen, muss die Krankenkasse zum Mittel des zusätzlichen Beitrags greifen. Die Deutsche Angestellten Krankenkasse, die KKH-Allianz sowie viele weitere kleinere Betriebskassen haben unlängst beschlossen, den Zusatzbeitrag ab dem kommenden Jahr zu streichen. Die DAK will nach eigenen Angaben den Zusatzobolus ab dem zweiten Quartal (1.April) aufheben. Weil der Extrabeitrag heftige Mitgliederverluste verursachte und Neuanträge abschreckt, bleibt den betroffenen Kassen keine andere Wahl. Nach der DAK Ankündigung folgten dem Beispiel alle anderen Zusatzbeitragskassen. Die Angst ist groß, das selbe Schicksal wie die geschlossene City-BKK zu erleiden.
Kailuweit geht davon aus, dass die Koalition im Wahljahr lieber zu Steuermitteln greifen werden, um den Finanzreserven im Gesundheitsfonds zu erhöhen, statt erneut Zusatzbeiträge zu provozieren. Trotzdem sind nach Meinung des KKH-Allianz Vorsitzenden das Thema noch lange nicht vom Tisch. Spätestens danach müssen neue Wege und Mittel gefunden werden.
Ähnlich kritisch sieht die Situation auch der Präsident des Bundesversicherungsamts (BVA), Maximilian Gaßner. Die zusätzlichen Beiträgen hätten ihr Ziel verfehlt. Die Zusatzbeiträge haben die zugedachte Funktion als „objektives Preissignal nicht erfüllt“, sagte der BVA-Chef der dpa. „Er gab ein verzerrtes Preissignal“. Kassen, die einen solchen Beitrag einführten, liefen zuhauf die Mitglieder weg. Als die City BKK aufgeben musste, lehnten viele Kassen die Aufnahme der Versicherten ab. Der Zusatzbeitrag wurde zum Skandal.
Mehr Finanzautonomie gefordert
Einig sind sich deshalb auch die Krankenkassen-Chefs in der Ablehnung der Zusatzbeiträge und fordern dessen Abschaffung. Der BKK-Verbandschef Kaltenbach sieht jede Kasse von dem Aufschlag bedroht. Die Aufschlagzahlungen sind ein „Weg in die Sackgasse“. Straub monierte, dass die Vermeidung der Zusatzbeiträge nur ein kurzfristiges Ziel der Kassen ist. Vielmehr sei eine verbesserte Finanzautonomie notwendig. Für 2012 wird jedoch ein stabiles System vorausgesagt. Die Veränderungen am Arbeitsmarkt machen sich erst später bemerkbar. „Auch bei einem größeren Konjunktureinbruch bleibt die finanzielle Lage der Kassen durch den Gesundheitsfonds stabil“. Sinken die Einnahmen, wird der Ausgleich durch den Gesundheitsfonds getragen. In diesem sind genug finanzielle Reserven, wie Gaßner betonte. Der Garantiebeitrag für 2012 liegt bei rund 185,4 Milliarden Euro.
In die Diskussion schaltete sich auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, ein. Der Gewerkschaftschef forderte die Abschaffung der Praxisgebühr. Politiker von Union und FDP hatten „laut überlegt“, die Praxisgebühr auf fünf Euro pro Arztbesuch zu erhöhen. Bisher müssen gesetzlich Versicherte zehn Euro je Arztkontakt bezahlen. Sommer mahnte, dass es auch weitere Weg gibt, das Kassensystem zu entlasten. So schlug er unter anderem eine solidarische Bürgerversicherung vor, die weitere Versichertengruppen mit einbindet. Die häufigen Arztbesuche hatten die Gebühren nicht verhindert. Um „unnötige Arztbesuche“ zu verhindern, sollen die Gebühren weiter angehoben werden. „Versicherte dürfen nicht für Arztkonsultationen bestraft werden“, so Sommer. Die Praxisgebühr entlastet die Krankenkassen jedes Jahr mit rund zwei Milliarden Euro. Zusatzbeiträge werden unabhängig von den regulären Versicherungsbeiträge von den Krankenkassen verlangt. Im Schnitt erhoben die Kassen eine Pauschalgebühr von acht Euro je Versicherten und Monat. (sb)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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