Ärzte müssen mit kritischen Patienten in ihren Praxen rechnen
06.07.2013
In deutschen Praxen müssen Ärzte mit kritischeren Patienten rechnen. Sowohl das Internet als auch andere Medienberichte bieten Information zu Symptomen, Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten. Häufig führe das jedoch zur Verunsicherung der Patienten, erläuterte Maren Puttfarcken, Landeschefin der Hamburger Vertretung der Techniker Krankenkasse (TK), gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. So seien die Leitungen der TK-Hotline nach Bekanntwerden der Brustkrebsoperation der US-amerikanischen Schauspielerin Angelina Jolie heiß gelaufen.
Kritische Patienten informieren sich häufig im Internet
Viele Patienten informieren sich vor einem Arztbesuch zunächst im Internet über ihre Beschwerden und mögliche Therapieverfahren. Das zeige, dass die Patienten bei ihrer Behandlung mitreden wollen, berichtete Puttfarcken.
Nachdem im Mai bekannt geworden war, dass sich die Schauspielerin Angelina Jolie aus Angst vor erblich bedingtem Brustkrebs die Brüste amputieren und künstlich wieder aufbauen ließ, habe das auch viele deutsche Frauen verunsichert. Die Telefon-Hotline der TK habe ununterbrochen geklingelt. Insgesamt würden die Patienten Ärzten gegenüber immer kritischer werden. „Das Thema Medizin und Gesundheit spielt in unserer Gesellschaft eine immer größere Rolle", erklärte die Expertin. „Wir wollen, dass die Patienten mündig werden – der Arzt muss da aber auch mitspielen." Dabei spiele die Honorarfrage eine wichtige Rolle, da bisher Gerätemedizin besser bezahlt würde als Gespräche zwischen Arzt und Patient. „Aber der Druck wird größer, die Ansprüche der Patienten steigen." So sei es von Vorteil, wenn Arzt und Patient gemeinsam über eine Therapie beraten würden. Das koste zwar Zeit, „aber es minimiert auch Probleme in der Behandlung“, so Puttfarcken. Ab Herbst 2013 ändern sich die Arztabrechnung. Dann erhalten Ärzte auch für Gespräche mit dem Patienten ein Honorar von der Krankenkasse.
Kritische Patienten wollen in Entscheidungsfindung einbezogen werden
Einer Studie des wissenschaftlichen Instituts der TK zum Arzt-Patienten-Verhältnis aus dem Jahr 2010 zufolge erwarten zwei Drittel der Versicherten, dass ihr Arzt sie in die Entscheidungsfindung miteinbezieht. „Nur sechs Prozent der Befragten haben gesagt, das soll der Arzt allein entscheiden." Puttfarcken wies jedoch darauf hin, dass die Patienten über ausreichend Informationen verfügen müssten, um mitzuentscheiden. „Es kommen immer mehr Informationen auf den Markt, von denen niemand weiß, wie belastbar sie sind – davon fühlen sich viele eher verwirrt als informiert." Internetrecherchen würden häufig dazu führen, dass Patienten mit zahlreichen unterschiedlichen Informationen zum Arzt gingen. „Das führt zu großer Verunsicherung."
Beispielsweise beim Zweitmeinungstelefon habe sich gezeigt, dass ein riesiges Interesse für verlässliche Informationen bestehe. Seit die TK die Hotline 2011 eingerichtet habe, würden etwa 5.000 Anrufe pro Jahr eingehen. Patienten könnten sich dort unter anderem bei einer schweren Erkrankung oder vor einer Operation von einem Facharzt beraten lassen. So hat eine TK- Auswertung der Zweitmeinung von Fachärzten vor Wirbelsäulen-OPs ergeben, dass bei knapp 80 Prozent der 761 Teilnehmer nach Ansicht der Ärzte kein Eingriff notwendig ist.
Unnötige Operationen und Abzocke verunsichern Patienten
Immer häufiger berichten Medien über Abzocke bei zusätzlichen, privat-ärztlichen Leistungen und unnötigen Operationen. Kein Wunder, dass viele Patienten Ärzten mit großer Skepsis begegnen.
Erst im vergangenen Jahr zeigte eine Studie im Auftrag des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), dass viele Operationen nicht aufgrund einer medizinischen Notwendigkeit sondern vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt werden. Demnach hat sich die Zahl der Behandlungen zwischen 2006 und 2010 um 13 Prozent erhöht. Lediglich 40 Prozent davon seien auf durch die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Vor allem teuere orthopädische und kardiologische Eingriffe hätten zugenommen, so der Kassenverband. Dass derartige Meldungen zu Verunsicherungen bei den Patienten führen, ist nachvollziehbar. Bei Zweifeln sollten sich die Patienten eine zweite Meinung einholen, rät der GKV. (ag)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.