Apotheker und Ärzte haften bei ärztlichen Verschreibungsfehlern
29.08.2013
Auch Apotheker haften bei Verschreibungsfehlern der Ärzte. Einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zufolge sind Apotheker, die in „grob fehlerhafter Weise ein falsches Medikament an einen Patienten“ ausgeben, bei einem möglichen gesundheitlichen Schaden dazu verpflichtet nachzuweisen, „dass der Schaden nicht auf der Fehlmedikation beruht.“ Diese umgekehrt Beweislast gilt bereits seit längerem für grobe Behandlungsfehler der Ärzte.
Beim OLG Köln liegt die Spezialzuständigkeit für Arzthaftungsverfahren und mit dem aktuellen Urteilsspruch haben die Richter über eine der bislang ungeklärten Haftungsfragen entschieden. Zuvor war unklar, ob auch Apotheker haften, wenn sie auf ein vom Arzt fehlerhaft ausgeschriebenes Rezept hin falsche Medikamente aushändigen. Nun stellte das OLG Köln in seinem aktuellen Urteil (Aktenzeichen: 5 U 92/12) klar, dass die Apotheker bei einer solch grob fehlerhaften Medikamentenabgabe ebenfalls in der Beweislast stehen, mögliche gesundheitliche Schäden der Patienten zu widerlegen.
Falsches Medikament verursachte Herzstillstand
In dem Verfahren, das der Grundsatzentscheidung des OLG zu Grunde lag, hatten die Richter über den Fall eines Kindes zu entscheiden, dass im Juni 2006 mit einem Down-Syndrom (freie Trisomie 21) und einem Herzfehler geboren wurde. Der Junge sollte im September 2006 eine Herzoperation und bis dahin eine Behandlung mit einem digitalishaltigen, herzstärkenden Medikament erhalten. „Aufgrund eines Versehens stellte der Arzt das Rezept in einer 8-fach überhöhten Dosierung aus“, berichtet das OLG Köln in einer aktuellen Pressemitteilung zu dem Urteilsspruch. Nachdem der Junge einige Tage lang die überdosierte Arznei eingenommen hatte, erlitt er einen Herzstillstand und musste über 50 Minuten hinweg reanimiert werden. Zudem wurde der Darm des Kindes geschädigt. Die Eltern haben daraufhin sowohl den Arzt als auch den Apotheker auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 200.000 Euro verklagt.
Apotheker hätte Verschreibungsfehler erkennen müssen
Das OLG Köln stellte fest, dass der Junge fünf Jahre nach der Falschbehandlung eine Hirnschädigung in Form eines erheblichen Entwicklungsrückstands aufwies. Im Alter von fünf Jahren sei der Kläger noch nicht in der Lage gewesen, zu sprechen, zu laufen oder selbständig zu essen, so die Mitteilung des Gerichts. Allerdings blieb bislang unklar, „ob der Entwicklungsrückstand auf die Falschmedikation und den Sauerstoffmangel nach dem Herzstillstand oder den angeborenen genetischen Defekt zurückzuführen“ ist, so die Mitteilung des Gerichts. Hier sehen die Richter die Beweislast jedoch nicht bei dem Kläger, sondern vielmehr müssten der Arzt und der Apotheker beweisen, dass der Schaden nicht aufgrund der Überdosierung entstanden sei. Dies ist ihnen nach Auffassung des OLG nicht gelungen. Der Apotheker müsse sich ebenfalls verantworten, da er angesichts des Alters des Patienten die Überdosierung hätte erkennen müssen. Mit seinem Urteilsspruch hat das OLG die vorangegangene Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach bestätigt und lediglich die Höhe des Schmerzensgeldes noch offen gelassen, so die offizielle Mitteilung.
Beweislast bei groben Fehlern der Ärzte und Apotheker umgekehrt
Die Umkehrung der Beweislast galt bislang lediglich für grob fehlerhafte Behandlungen der Ärzte, wurde vom OLG nun jedoch auch auf Apotheker übertragen. Für Ärzte gilt seit langem, dass die Beweislast bei einem einfachen Behandlungsfehler beim Patienten liegt, das heißt dieser belegen muss, dass der Schaden auf eine fehlerhaften Behandlung zurückgeht. „Bei einem groben Behandlungsfehler dagegen wird vermutet, dass der Schaden kausal auf den Fehler zurückgeht“, so die Mitteilung des OLG Köln. Seit Februar dieses Jahres sei dies auch im Patientenrechtegesetz ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 630h Abs. 5 BGB). Diese Grundsätze sind dem aktuellen Urteilsspruch zufolge künftig auch auf die Haftung von Apothekern zu übertragen. In dem aktuellen Fall habe ein grober Fehler des Apothekers vorgelegen, da dieser bei Abgabe eines derart hochgefährlichen Medikamentes in ganz besonderer Weise hätte Sorgfalt walten lassen und den Fehler im Rezept erkennen müssen, so die Einschätzung des Gerichts. „ Die Anwendung der Grundsätze des groben Behandlungsfehlers auf vergleichbar schwerwiegende Fehler von Apothekern sei geboten, weil die Sach- und Interessenlage gleichgelagert“ ist, berichtet das OLG. Bei einer solch fehlerhaften Verabreichung von Medikamenten könne das Zusammenwirken von Arzt, Apotheker und Medikament nicht sinnvoll getrennt werden. Aufgrund der Reichweite der Grundsatzentscheidung hat das OLG Köln Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. (fp)
Bild: Martin Berk / pixelio.de
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