Experten rechnen mit höheren Kosten für Versicherte
27.03.2014
Der am Mittwoch vom schwarz-roten Kabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Finanzierung der Krankenkassen wird von Experten heftig kritisiert. Mittelfristig würden dadurch auf die gesetzlich Krankenversicherten erheblich höhere Lasten zukommen. Arbeitgeber begrüßten, dass ihr Anteil am Beitrag weiter begrenzt bleibt.
Beschäftigte müssen steigende Kosten alleine tragen
Am Mittwoch hat die Bundesregierung grünes Licht für die Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben. Diese sieht vor, dass die Beschäftigten die steigenden Kosten durch den medizinischen Fortschritt und die Alterung der Bevölkerung mit Beitragserhöhungen allein schultern müssen. Der Arbeitgeberanteil hingegen werde festgeschrieben. Dem Gesetzentwurf zufolge soll ab 2015 der von Arbeitnehmern und Arbeitgebern je zur Hälfte getragene Beitragssatz bei 14,6 Prozent liegen. Die Versicherten sollen weitere Kosten über einkommensabhängige Zusatzbeiträge allein tragen,welche die Kassen jeweils selbst festlegen können. Ein Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten, den die Versicherten bislang alleine schultern mussten, soll entfallen.
Viele Kassen werden vermutlich über Grundbetrag hinausgehen
Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung liegt derzeit bei 15,5 Prozent. Da durch den Wegfall des Sonderbeitrags jedoch finanzielle Lücken entstehen könnten, wird nicht ausgeschlossen, dass viele Kassen künftig über den Grundbetrag von 14,6 Prozent hinausgehen werden. Gesundheitsminister Gröhe sowie führende Gesundheitsökonomen gehen derzeit davon aus, dass längst nicht alle Versicherer den bisherigen Umfang von 0,9 Prozentpunkten benötigten. Der Minister teilte mit, dass 20 Millionen Bürger einer Kasse angehörten, die finanziell in der Lage sei, unter diesem Satz zu bleiben. Und andere würden genau auf der heutigen Marke von 15,5 Prozent liegen. Versicherte sollen in dem Fall ein Sonderkündigungsrecht nutzen können.
Keine pauschalen Zusatzbeiträge mehr
Künftig werden finanzschwache Kassen nicht mehr die Möglichkeit haben, pauschale Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern zu kassieren. Die SPD hatte gegen diese Kopfpauschale opponiert, die einem langjährigem Modell der CDU entspricht. Aber auch Gewerkschaften und andere Organisationen wehrten sich gegen die Kopfpauschale, bei der beispielsweise ein Manager denselben Beitrag zu zahlen habe wie eine Putzhilfe. Gröhe meint, dass mit dem neuen Gesetz die gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfest gemacht, sowie ihre finanzielle Grundlage gestärkt werde. Außerdem werde seiner Meinung nach dadurch vermieden, Arbeitsplätze durch steigende Lohnzusatzkosten zu gefährden. Der Wettbewerb zwischen den Kassen werde sich künftig stärker um Effizienz und Qualität drehen als um den Preis.
Gesundheitsökonomen rechnen mit steigenden Sätzen
Die meisten Kassen werden zumindest im ersten Halbjahr 2015 ihren Beitrag senken und somit leicht unter den 0,9 Prozentpunkten bleiben. Davon geht der Münchner Gesundheitsökonom Günter Neubauer aus. Doch bereits in der zweiten Jahreshälfte würden viele den Satz auf über 15,5 Prozent erhöhen. Gegenüber Reuters sagte der Ökonom, dass 2017 der Durchschnitt über 16 Prozent liegen werde. Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem geht davon aus, „dass der Zusatzbeitrag ab 2016 im Schnitt jedes Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen wird.“ Dies könnte von manchen Kassen durch Rücklagen abgefedert werden. „Für 2017 rechne ich mit Zusatzbeiträgen von 1,3 bis 1,5 Prozent“ sagte der Ökonom laut der „Badischen Zeitung“. Das Bundesversicherungsamt gehe sogar von noch höheren Beträgen aus.
Massive Kritik von Oppositionsparteien und Gewerkschaften
An der Reform der Krankenkassenbeiträge mit einkommensabhängigen Zusatzbeiträgen gibt es heftige Kritik. So sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, dass es „unverantwortlich und nachhaltig ungerecht“ sei, die Kostensteigerungen allein bei den Versicherten abzuladen. Auch Vertreter der Sozialverbände äußerten sich ähnlich. Von Seiten der Linken und Grünen kam ebenso Kritik. Wie die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink erklärte, müssten die Versicherten alleine anstehende Beitragserhöhungen stemmen, da in Kürze die Rücklagen des Gesundheitsfonds aufgebracht seien. Und der Linken-Abgeordnete Harald Weinberg warf dem Gesundheitsminister vor, eigentlicher Sinn seiner Reform sei „die Entlastung der Arbeitgeber und die Belastung der Versicherten.“
Lediglich Arbeitgeber sind zufrieden
Auch die Vorstandschefin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Doris Pfeiffer, äußerte sich negativ über die Finanzreform. Gegenüber der „Passauer Neuen Presse“ meinte sie, dass diese zwar kurzfristig allen Versicherten Einsparungen bringe, „da aber die Ausgaben zum Beispiel für Ärzte, Kliniken und Medikamente weiter steigen, werden die Kassen mit dem gekürzten Beitragssatz nicht auskommen können und einen Zusatzbeitrag nehmen müssen.“ Dies werde sich erst im Herbst entscheiden, wenn die Krankenkassen ihre Haushalte für 2015 aufstellen. Lediglich die Arbeitgeber scheinen zufrieden mit der schwarz-roten Reform. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nannte die Festschreibung wichtig, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Er meinte, dies sei auch deshalb notwendig, da die Arbeitskosten durch Sozialbeiträge an anderer Stelle steigen würden. (sb)
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