Studie: Hunderttausende unnötige Klinikbehandlungen
12.07.2014
Obwohl die Einwohnerzahl in Deutschland in den vergangenen Jahren fast konstant blieb, ist die Zahl der Behandlungen in Klinken deutlich gestiegen. Der Anstieg sei aber nicht mit einer älter werdenden Bevölkerung zu erklären. Gutachter schlagen nun Maßnahmen zur Verbesserung vor.
Behandlungen trotz konstanter Einwohnerzahl gestiegen
Die Zahl der Behandlungen in Klinken ist trotz der nahezu konstanten Einwohnerzahl in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Wie es in einer Studie von Experten aus Berlin und Hamburg heißt, sei dieser Zuwachs nicht allein mit einer älter werdenden Bevölkerung zu erklären. Demnach stieg "die Zahl der vollstationär behandelten Krankenhauspatienten von 2007 bis 2012 um 8,4 Prozent auf 18,6 Millionen Fälle, was einem jährlichen Zuwachs um bis zu 314.000 Fälle entsprach". Vor allem planbare Eingriffe hätten zugenommen. Besonders große Zuwächse gab es unter anderem bei "Eingriffen an der Wirbelsäule und Herzklappen-Operationen". Vor allem an Werktagen tagsüber nahm die Zahl der Behandlungen zu.
Debatten über möglicherweise unnötige Behandlungen
Ziel des Gutachtens, das vom Gesetzgeber initiiert wurde, war es, die Gründe für den starken Mengenanstieg bei den Krankenhausleistungen zu klären. Politik, Ärzteschaft, Krankenhäuser und Kassen hatten sich in der Vergangenheit heftige Debatten über möglicherweise unnötige Behandlungen geliefert. Allerdings könne auch der vorliegende Bericht nicht eindeutig klären, ob die vermehrten Eingriffe wirklich nötig sind oder ob die Kliniken sie vor allem aus finanziellen Gründen vornehmen. Die Bewertungen fielen sehr unterschiedlich aus.
Unterschiedliche Bewertungen der Ergebnisse
So bewerteten der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die Studienergebnisse völlig unterschiedlich. Aus Sicht der Kassen würden Patienten oft auch aus Umsatzgründen operiert. „Die Krankenhäuser machen das, was sich lohnt“, meint der Klinikexperte des Kassenverbands, Wulf-Dietrich Leber, laut einer dpa-Meldung. Zwar gebe die Studie keine Auskunft darüber, ob auch Gesunde operiert würden, doch zum Teil sei der Anstieg damit zu erklären, „dass einige mit Operationen Geld verdienen.“ Die Klinikträger hingegen sehen die Hauptursache in der steigenden Krankheitslast der Menschen. Wie der DKG-Präsident Alfred Dänzer sagte, hätten Behauptungen, die Krankenhäuser würden aus ökonomischen Gründen medizinisch nicht notwendige Leistungen erbringen, keine Grundlage. Es liege in der Natur der Sache, dass neue und bessere Behandlungsmethoden bei Krebs zu Fallzahlsteigerungen führten.
Maßnahmen zur Verbesserung
Die Experten von der Universität Hamburg und der Technischen Universität Berlin schlagen in ihrem Gutachten Maßnahmen zur Verbesserung vor. So fordern sie als Konsequenz unter anderem eine verbindliche ärztliche Zweitmeinung für bestimmte Diagnosen, eine Neuausrichtung der Krankenhausplanung und eine stärkere Kopplung der Vergütung an die Versorgungsqualität. Zudem solle die Politik keine Mengenanreize setzen. Zu den Politikern, die sich zum Thema äußerten, gehört der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte er: „Über die Möglichkeit zur Zweitmeinung und gezielten Preisabschlägen sollten wir dann gegensteuern.“
Weniger Geld für Kliniken mit zweifelhaften Ergebnissen
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach meinte gegenüber der „Welt“, dass die Zweitmeinung von den Kassen gezahlt werden solle. Es könnten Kosten gespart werden, wenn überflüssige Operationen vermieden werden. Laut Spahn und Lauterbach werde zudem erwogen, Kliniken mit zweifelhaften Ergebnissen bei bestimmten Operationen weniger Geld zu geben und Zuschläge für Kliniken bei Grundversorgung zu zahlen, sodass der Druck sinkt, durch zusätzliche OPs Geld zu verdienen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bekräftigte hingegen ihre Ansicht, dass oft unnötig operiert werde und forderte mehr Begleitung und Linderung statt Operationen bei älteren und sterbenden Patienten. Deutschland ist international nach Österreich mit an der Spitze bei den Behandlungen pro Einwohner in der OECD. In den Niederlanden habe es zwar einen stärkeren Anstieg gegeben, aber auf niedrigerem Niveau. Vom Bundesgesundheitsministerium wurde auf eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern verwiesen, die derzeit eine Klinikreform aushandelt. (ad)
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