Vom 26. bis 28. Mai trifft sich der Deutsche Zentralverein Homöopathischer Ärzte in Bremen zur 165. Jahrestagung. Die Bremer Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, Eva Quante-Brandt (SPD) übernahm die Schirmherrschaft, was Kritiker als staatlichen Freifahrtsschein für Wunderheiler anprangern.
Ein esoterisches Modell
Der Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) dachte sich die Homöopathie aus. Er hing einer Vorstellung der Medizin im Mittelalter an: Ähnliches müsse mit ähnlichem bekämpft werden. Er suchte also nach Substanzen, die ein ähnliches Symptombild verursachen wie das des Patienten, verdünnte diese dabei aber, im Gegensatz zu Impfungen, in einem Grad, dass die Substanz chemisch eigentlich nicht mehr existierte.
Laut Hahnemann ging es auch nicht um den chemisch-materiellen Stoff, sondern um den “Geist”, die Information. Die würde angeblich durch ständiges Verdünnen und Schütteln immer konzentrierter.
Führende Nazis stellten Hahnemanns Theorie als germanische Medizin der empirischen modernen Medizin entgegen.
Alternativmedizin oder Aberglaube?
Die Naturwissenschaft konnte bislang keine Belege für Hahnemanns Theorie liefern und seine Lehre gehört daher nicht zur evidenzbasierten Medizin und auch nicht zur empirischen Wissenschaft. Die Kritiker setzten sie daher gleich mit kirchlichen Wundern und anderen religiösen Fantasien.
Religiöse Fantasien
Frau Quante-Brandt schrieb selbst, die Wirksamkeit homöopathischer Therapien ließe sich schulmedizinisch nicht nachweisen. Auf der Tagung geht es zum Beispiel darum, dass “das Unbewusste eines Menschen um das passende homöopathische Heilmittel” wisse, um “Feinstofflichkeitsforschung” oder “Quantenvakuum”. Für Kritiker wissenschaftlich klingende Zaubersprüche der Esoterik-Szene. Der dort vortragende Uwe Friedrich behaupte beispielsweise, ein Tumor ließe sich mit Homöopathie heilen.
Petition gegen Schirmherrschaft für Esoterik-Kongress
Edzard Ernst, ein ehemaliger Professor für Alternativmedizin und der Zahnarzt Hans-Werner Bertelsen riefen eine Petition ins Leben, um gegen die Schirmherrschaft der Senatorin zu protestieren. Bertelsen sagt, dass die Ärzte im gesetzlichen Gesundheitssystem kaum Zeit für Patientengespräche hätten; diese Lücke füllten Homöopathen. Deshalb müssten vor allem gesetzlich versicherte Krebspatienten intensiv beraten werden können, “um sie nicht in die Hände von Scharlatanen zu treiben.”
Ernst sieht die Irrationalität schon in den Ursprüngen; Homöopathen hätten kein Interesse an Wissenschaft, und ihre Lehre sei mehr Religion als Medizin. Er schließt: “Eine wissenschaftliche Erklärung der Homöopathie kann es nicht geben.”
Die Ärztekammer Bremen vergibt Fortbildungspunkte für Ärzte, die die Tagung besuchen. Ernst fragt provokant, ob solche Fortbildungspunkte demnächst auch für Hellsehen und Wünschelrutengehen vergeben würden. Seiner Ansicht nach werden Patienten hier an der Nase herum geführt.
Reine Profitgier?
Hinter den werbetauglichen Slogans der Homöopathen steckt nicht immer nur Profitgier oder böser Wille. Die Homöopathie-Kritikerin und Ex-Homöopathin Natalie Grams sagt: “Das Berufen auf wissenschaftlich klingende Worthülsen oder ganze Theorien schindet Eindruck – vor allem bei den Homöopathen selbst. Nanopartikel, Quantenphysik, Schwingung, Energie und der Verweis auf die Zukunft: Das alles klingt hoffnungsvoll und erspart die Erkenntnis, dass wir mit heutigem Wissen ganz einfach erklären können, warum beim Schütteln einer wässrigen Lösung mit immer größerer Verdünnung keine “Energie” oder “Information” entsteht.”
Placebo-Effekt
Eine australische Meta-Studie zu 176 experimentellen Studien und 58 Überblicksstudien kam zu klaren Ergebnissen: Erstens wirken bei einer Reihe von Krankheiten homöopathische Mittel nicht besser als Placebos. Dazu gehören Asthma, Angststörungen, Kopfschmerzen, Migräne, Durchfall bei Kindern, Erkältungen, Warzen, Schmerzen vor der Periode und viele mehr. Zweitens sind Studien, die diesen Mitteln bei wenigen Krankheiten eine gewisse Wirksamkeit bescheinigen, weder nach dem Zufallsprinzip verlaufen noch kontrolliert – sie sind also wenig aussagekräfig. Drittens liegen zu bestimmten Krankheiten, bei denen Homöopathika zum Einsatz kommen, überhaupt keine Studien zu deren Wirksamkeit vor.
Gefährlicher Zeitverlust durch Aberglaube
Die Globuli genannten Zuckerkügelchen und die homöopathischen Lösungen aus Wasser und Alkohol sind nach AUffassung der Kritiker nicht nur wirkungslos, sondern eine “Therapie” mit ihnen kann sogar Leben gefährden – nämlich dann, wenn Krebspatienten eine Operation oder Chemotherapie verschleppen. Aus einem eingegrenzten Tumor, der sich gut entfernen ließe, könne so ein tödlicher Krebs werden.
Naturheilkunde?
Homöopathie segelt häufig unter der Flagge “Naturmedizin” über den esoterischen Ozean. Naturheilverfahren haben aber mit Homöopathie ursprünglich wenig gemein. Heilen mit Wasser, Erde, Feuer und Luft, in Form von Bädern, Schlamm-Massagen, Hitze-und Kältetherapie oder Aufenthalt in Kurorten ist medizinisch wirksam – und das ist empirisch belegt.
Auch die Pflanzenheilkunde als Teil der evidenzbasierten Medizin ist fernab der homöopathischen Behandlung. Heilkräuter enthalten starke Wirkstoffe – im Gegensatz zu den wirkungslosen Zuckerkugeln.
Wirkt Homöopathie?
Patienten berichten oft von einem verbesserten Zustand durch die homöopathische Behandlung. Das liegt zum einen daran, wie der Placebo-Effekt wirken kann – der Glaube an die Wirkung allein wirkt. Zum anderen gehen Homöopathen meist intensiv auf ihre Patienten ein. Die Betroffenen, oft psychisch im Mitleidenschaft gezogene Menschen, die sich allein gelassen fühlen, sehen, dass ein Fachmann ihnen zuhört. Arzt bzw. Heilpraktiker und Patient vollführen also in Wirklichkeit eine Gesprächstherapie, in der die Zuckerkugeln symbolische Bedeutung haben.
Gespräch statt Globuli
Diese Psychotherapie aktiviert die Selbstheilung, was die Behandlungserfolge erklären kann und deutlich macht, wieso nach wie vor vielen Menschen die fehlenden wissenschaftlichen Belege zur Wirkung der Homöopathie egal sind: Ihnen sind Erfahrungen wichtiger als Studien. (Dr.Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.