Erhöhte Konzentration gefährlicher Weichmacher in Kitas
22.03.2011
In den Kindertagesstätten Deutschlands ist die Konzentration giftiger Kunststoff-Weichmacher deutlich erhöht. Dies hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bei der Untersuchung von 60 Kitas herausgefunden und warnt vor bleibenden Gesundheitsschäden.
Der BUND hat bei der Untersuchung der Staubproben aus 60 Kindertagesstätten festgestellt, dass diese deutlich stärker mit gesundheitsschädlichen Weichmachern belastet waren als bei normalen Haushalten. Im Durchschnitt habe die Konzentration der giftigen Kunststoff-Weichmacher in den Kindertagesstätten um das dreifache über den Werten der privaten Haushalte gelegen, teilte die Umweltschutzorganisation am Dienstag in Berlin mit.
BUND schockiert von Weichmacher-Belastung der Kitas
Die Konzentration der Phthalate (Weichmacher) in den Kindertagesstätte ist laut BUND insgesamt äußerst besorgniserregend. Die Chemieexpertin des BUND, Sarah Häuser, bezeichnete das Resultat der freiwilligen und anonymen Untersuchung als „schockierend“ und betonte, dass „Kinder (…) ohne Not einer großen Belastung ausgesetzt“ werden. In einigen Kindertagesstätten sei die Konzentration der Weichmacher so hoch, dass die Kinder allein durch ihren Aufenthalt in den Kita-Räumlichkeiten gefährliche Chemikalien in gesundheitlich bedenklichen Konzentrationen aufnehmen, erklärte die Expertin des BUND. Angesichts der vorliegenden Ergebnisse forderte der BUND von der Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) nun ein Verbot der gesundheitsschädlichen Substanzen im Umfeld von Kindern. Das vom BUND beauftragte Labor hatte vor allem die Phthalate DINP und DEHP in den untersuchten Kindertagesstätten nachgewiesen, wobei der Weichmacher DEHP vom Umweltbundesamt und der EU offiziell als fortpflanzungsschädigend eingestuft wird. Ibrahim Chahoud von der Berliner Charité erklärte, dass Phthalate wie Hormone wirken und „bei Kindern zu bleibenden Veränderungen führen“ können. So hätten Weichmacher zum Beispiel eine negative Wirkung auf die Hoden- und Spermienentwicklung, betonte der Experte.
Tapeten und Möbel verursachen gefährliche Weichmacher-Konzentration
Der Grund für die hohe Konzentration der gefährlichen Weichmacher in den Kitas ist dem BUND zufolge Weich-PVC, der vor allem in Fußböden, Vinyltapeten, Turnmatten, Plastiktischdecken, Plastikmöbeln und Möbelpolsterungen aus Kunststoff enthalten ist. Während im Spielzeug Weichmacher verboten sind, bleibt ihr Einsatz in anderen Produkten weiterhin möglich, so der Vorwurf der BUND-Expertin Sarah Häuser. Die gefährlichen Weichmacher werden mit der Zeit aus den Produkten freigesetzt, mit dem Resultat der deutlich erhöhten Konzentrationen in den Kindertagesstätten, betonte Häuser. Die von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit für verschiedene Phthalate eingeführten Toleranzwerte stellen dabei außerdem nicht sicher, dass von den Weichmachern keine negativen gesundheitlichen Wirkungen ausgehen, denn wie der Berliner Toxikologe Ibrahim Chahoud verdeutlichte, gibt „es (…) keine sichere Dosis und es bleibt immer ein Risiko“. Denn bisher könne niemand bestimmen wie die verschiedenen Kombinationen der Substanzen untereinander und im menschlichen Körper reagieren. Dem Experten zufolge wäre es auch denkbar, dass sich die negativen gesundheitlichen Wirkungen der verschiedenen Weichmacher addieren. Daher „sollten (wir) versuchen, die Belastung so weit wie möglich zu minimieren“, betonte der Toxikologe.
BUND: Weichmacher meiden, Naturmaterialien verwenden
Der BUND empfiehlt bereits seit einiger Zeit, Produkte aus Weich-PVC möglichst zu meiden und insbesondere im Umfeld von Kindern keine Weichmacher enthaltenden Produkte zu verwenden. Dass nun ausgerechnet in den Kindertagesstätten eine deutlich erhöhte Konzentration der Phthalate festgestellt wurde, erscheint vor diesem Hintergrund besonders kritisch. Warum die Bauträger und Betreiber nicht auf die Vermeidung potentiell Weichmacher enthaltender Materialien achten, bleibt schleierhaft. Das Kostenargument mag hier eine Rolle spielen, da Naturmaterialien – der BUND empfiehlt Naturkautschuk, Holz, Linoleum oder Kork – oftmals deutlich teurer sind. Doch sollten sich insbesondere die Kommunen, welche oftmals Betreiber und Bauträger der Kindertagesstätten zugleich sind, ihrer Verantwortung für die Gesundheit der Kinder bewusst sein und diese nicht aus Kostengründen gefährden. Fast jedes Fachbuch zu Wohngiften stellt ausreichend Informationen für die Vermeidung der schädlichen Phthalate zur Verfügung. In den Kindertagesstätten empfiehlt der BUND darüber hinaus regelmäßiges Lüften und Reinigen um die Konzentration der gesundheitsgefährdenden Weichmacher möglichst zu minimieren. (fp)
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