Krebsstammzellen die Ursache von Tumoren
02.08.2012
Häufig kehrt Krebs nach einer vermeintlich erfolgreichen Operation, Chemo- oder Strahlentherapie wieder zurück. Als Ursache vermuteten Forscher bereits seit Ende der 1990er Jahre sogenannte Krebsstammzellen, die bei Chemo- und Strahlentherapien nicht zerstört werden und anschließen zur Bildung neuer Tumore führen. Die Theorie war bislang umstritten. Doch nun liefern drei unterschiedliche, gestern in den Fachmagazinen „Nature“ und „Science“ veröffentlichte Studien neue Hinweise auf die Existenz entsprechender Krebsstammzellen.
In einem Übersichtsartikel der Fachzeitschrift „Science“ werden die Ergebnisse der drei aktuellen Studien zu den Krebsstammzellen zusammenfassend als relativ eindeutiger Hinweis dafür gewertet, „dass in bestimmten Gehirn-, Haut- und Darm-Tumoren Krebsstammzellen die Quelle für das Tumorwachstum sind.“ Dies widerspricht der bisherigen Annahme der monoklonalen Krebsentstehungstheorie, der zufolge alle Krebszellen gleich sind und jede einzelne – sofern sie die Fähigkeit zur Zellteilung besitzt – Ausgangspunkt neuer Tumore seien kann. Das 1997 von kanadischen Forschern postulierte Stammzellmodell geht indes davon aus, dass eine Hierarchie bei den Krebszellen besteht. Aus den Krebsstammzellen entstehen demnach die normalen Krebszellen, deren Vermehrung anschließend das Tumorwachstum bedingt.
Hierarchische Struktur der Krebszellen?
Das Modell der Krebsstammzellen besagt, dass das Tumorwachstum hierarchischen strukturiert ist, wobei lediglich eine geringe Teilmenge der Zellen die Grundlage der Krebserkrankungen bildet, so die Erklärung im Fachmagazin „Science“. Entwickelt wurde das Modell von kanadischen Genetikern Ende der 1990er Jahren, nachdem sie in Versuchen mit Mäusen bemerkten, dass bei Leukämie lediglich „eine kleine Teilmenge der krebsartigen Blutkörperchen die Krankheit propagieren“ kann. Dieser neue Ansatz schien besonders vielversprechend, da auch das Scheitern von Chemo- und Strahlentherapien, welche lediglich die gewöhnlichen Krebszellen angreifen, auf diese Weise erklärbar wäre. Die Krebsstammzellen überleben demnach die Behandlung und sorgen anschließend für ein erneutes Tumorwachstum. Doch erwies sich die Suche nach den Krebsstammzellen, die das Wachstum von Tumoren in anderen Geweben schüren, bislang als äußerst schwierig.
Zell-Markierungstechniken erfassen das Zellwachstum in Tumoren
Den endgültigen Beweis zur Existenz der Krebsstammzellen können auch die drei aktuellen Studien nicht liefern, doch die Hinweise sind deutlich. So berichten Cédric Blanpain von der Université Libre de Bruxelles und sein Team im Fachmagazin „Nature“, dass bei Mäusen in benignen Papillome-Tumoren, einer Vorstufe von Hautkrebs, „das meiste Tumorwachstum von einigen wenigen Zellen ausgelöst wird, die in mancher Hinsicht den Stammzellen der gesunden Haut ähnelten.“ Zur Identifizierung nutzten die Wissenschaftler in allen drei Studien unabhängig voneinander genetische Zell-Markierungstechniken, um die Proliferation (Zellvermehrung) bestimmter Zellen in wachsenden Tumoren zu verfolgen. Diese Methode ermöglicht den Wissenschaftlern laut Aussage von Cédric Blanpain Einblicke in „das wirkliche Leben eines Tumors.“ Vergleichbare Zellunterschiede wie bei den Papillome-Tumoren stellten die Forscher nach eigenen Angaben bei invasiven Spinalzellkarzinomen fest, allerdings waren hier die Ergebnisse weniger eindeutig.
Stammzell-Aktivität bei Vorstufen des Darmkrebs
Auch die niederländischen Wissenschaftler um Hans Clevers vom Hubrecht-Institut in Utrecht haben sich im Rahmen ihrer Studie der Krebsstammzellen-Hypothese gewidmet. Anhand von „Mausmodellen bieten wir Ihnen direkte, funktionelle Beweise für das Vorhandensein von Stammzell-Aktivität in primären intestinalen Adenomen, eine Vorstufe von Darmkrebs“, schreiben Clevers und Kollegen im Fachmagazin „Science“. Die Forscher führten jedoch keine Untersuchungen an Darmtumoren durch, weshalb unklar bleibt, ob die Stammzelleigenschaften auch bei den Karzinomen eine Rolle spielen. Die „Stammzell-Aktivitäten“ wurden in fünf bis zehn Prozent der Zellen in den Adenomen nachgewiesen, berichten die niederländischen Forscher.
Krebsstammzellen bei Hirntumoren entdeckt
Die dritte aktuelle Studie zur Hypothese der Krebsstammzellen veröffentlichten der Evolutionsbiologe Luis Parada vom University of Texas Southwestern Medical Center (Dallas, USA) und sein Team ebenfalls im Fachjournal „Nature“. Sie untersuchten die Zelleigenschaften von Gliomen (Hirntumore) bei Mäusen. „Glioblastome sind die häufigsten bösartigen Hirntumore“, berichten Parada und Kollegen. Die durchschnittliche Überlebenszeit beträgt laut Aussage der Forscher lediglich etwa ein Jahr. Die Prognose sei wegen der Therapieresistenz und dem häufig auftretenden erneuten Wachstum nach chirurgischer Entfernung besonders schlecht. Im Mausmodell gingen die Forscher daher der Frage nach, wieso die Hirntumore nach vermeintlich erfolgreicher Therapie so häufig erneut auftreten. In den Tieren überlebte laut Aussage der Wissenschaftler nach der Chemotherapie mit Temozolomid ein „relativ ruhiger Teil der endogenen Gliomzellen, mit Eigenschaften ähnlich denen bei Krebsstammzellen.“ Diese Zellen könnten „durch die Produktion von hoch proliferativen Zellen für die Gewährleistung des langfristigen Tumorwachstums“ verantwortlich sein, so die Vermutung von Luis Prada und Kollegen. Denn nach Abbruch der Therapie ließen sich die Zellen zu einem erneuten Tumorwachstum anregen.
Verständnis der Krebsstammzellen entscheidend für die Krebstherapie
Alle drei Forschergruppen betonen in ihren aktuellen Veröffentlichungen, dass das Verständnis der Funktion der vermeintlichen Krebsstammzellen der Schlüssel zu einer wirksameren Therapie sei. Welche Krebsarten sich aus entsprechenden Stammzellen entwickeln, soll daher in kommenden Studien untersucht werden. Doch dies ist Sean Morrison vom University of Texas Southwestern Medical Center zufolge „keine leichte Aufgabe, da das Tumorwachstum sich selbst bei den Patienten mit der gleichen Art von Krebs unterscheidet.“ .Mit den aktuellen Studien werde jedoch der Anreiz für andere Wissenschaftler erhöht, in Richtung der Krebsstammzellen-Hypothese zu forschen, erläuterte Luis Prada. Hier seien die sogenannten „Zell-Tracing-Verfahren der richtige Ansatz, um das Krebsstammzellen-Modell zu testen“, so Morrison. (fp)
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