Exklusivverträge der AOK Hessen zur Zytostatika-Abgabe für die Patienten nicht bindend
02.09.2014
Seit Monaten schwelte der Konflikt zwischen der AOK Hessen und dem Verband Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA) über die Regelungen zur Herstellung und Abgabe von Zytostatika-Rezepturen durch die gesetzliche Krankenkasse. Nun hat das Sozialgericht Darmstadt laut Mitteilung der Deutschen Apotheker Zeitung (DAZ) entschieden, dass „die Null-Retaxation eines Apothekers, der Zytostatikazubereitungen an AOK-Versicherte abgab, obwohl er keinen Vertrag mit der AOK Hessen hat, rechtswidrig“ war.
Den Angaben der DAZ zufolge gewichtete das Sozialgericht Darmstadt das Patientenwahlrecht deutlich schwerer als die bestehenden Exklusivverträge zur Zytostatika-Herstellung. Damit seien der AOK Hesse klar die Grenzen der Regelungen durch Exklusivverträge aufgezeigt worden. Das Gericht habe entschieden, dass das freie Wahlrecht der Patienten in jedem Fall gelte. Der VZA wird in dem Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung mit der Aussage zitiert, dass hier „der Versuch gescheitert (ist), das Wahlrecht der Patienten auszuhebeln und alle Apotheken mit Ausnahme einiger Ausschreibungsgewinner von der Versorgung auszuschließen.“ Das Urteil sei ein „Meilenstein für das Selbstbestimmungsrecht kranker Menschen und zur Beendigung des Ausschreibungsunwesens.“
Konflikt bei der Versorgung der Krebspatienten
Der Streit zwischen der AOK Hessen und dem VZA entbrannte, nachdem die Krankenkasse sich Ende des Jahres 2013 dazu entschied, mit einzelnen Apotheken einen Exklusivvertrag für die Zubereitung und Abgabe der Zytostatika abzuschließen. Nach Durchlaufen einer öffentlichen Ausschreibung für die Leistungserbringung, wurden zwölf Apotheken ausgewählt, die fortan die Versorgung der AOK-Versicherten übernehmen sollten. Andere Apotheken, die ohne entsprechenden Vertrag Zytostatika an AOK-Versicherte abgaben, wurden seither retaxiert. Am Ende wollte die AOK Hessen über den finanziellen Hebel eine Einhaltung der Exklusivverträge erreichen. Das Vorgehen stieß von Anfang an beim VZA und anderen Apothekerverbänden auf massive Kritik. „Die Ausschreibung der AOK Hessen über die Belieferung mit Zytostatika untergrabe die freie Entscheidung der Versicherten für eine Apotheke ihres Vertrauens, setze die bewährte Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker zum Wohl der Patienten aufs Spiel und gefährde die wohnortnahe und rasche Versorgung mit Arzneimitteln“, so der Vorwurf des VZA.
Wahlrecht der Patienten gilt trotz Exklusivverträgen
In erster Instanz hat nun laut Mitteilung der DAZ am 29. August das Sozialgericht Darmstadt über die Klage eines Apothekers entschieden, dessen abgerechnete Rezepte für Zytostatika-Zubereitungen durch die AOK Hessen auf Null retaxiert wurden. Das Gericht habe dem Kläger vollumfänglich Recht gegeben und in aller Deutlichkeit festgestellt, dass nach dem Sozialgesetzbuch V nicht gegen den Willen des Patienten entschieden werden könne. Unter Berufung auf die mündliche Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters berichtet die DAZ, dass die Versicherten ein Wahlrecht unter den zugelassenen Leistungserbringern haben und dies auch für die Versorgung mit Zytostatika gelte, „weil keine andere ausdrückliche gesetzliche Einschränkung des Patientenwahlrechts existiere.“ Dem klagenden Apotheker stehe demnach die volle Bezahlung seiner abgerechneten Zytostatika-Zubereitungen zu.
Funktionierende Versorgungsstrukturen gefährdet
Nach Auffassung des VAZ steht das Versorgungskonzept der AOK Hessen bei den Zytostatika für Krebspatienten insgesamt im Kontrast zu den Anforderungen der engen Kommunikation und eingespielten Koordination durch Onkologen und Apotheken vor Ort. Die funktionierenden Versorgungsstrukturen würden durch das Ausschreibungsmodell zerschlagen, zitiert die DAZ den VZA-Präsident Dr. Klaus Peterseim. Um mögliche „Wirtschaftlichkeitsreserven“ auszuschöpfen werde hier die Qualität, Sicherheit und das Vertrauen der Patienten in die onkologische Versorgung verspielt. „Ein auf Ausschreibungen beruhendes Konzept der Patientenversorgung in der Onkologie ist völlig verfehlt“, betonte Peterseim und ergänzte: „ Ich freue mich, dass das Sozialgericht Darmstadt diese patientenfeindliche Praxis in Hessen gestoppt hat.“ (fp)
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