Umweltbundesamt plant Studie zu Gesundheitsrisiken des Fluglärms
17.03.2011
Fluglärm macht krank. Was Betroffene schon lange ahnen und der renommierte Epidemiologie-Professor Dr. Eberhard Greiser bereits in mehreren Studien belegen konnte, soll im Rahmen einer vom Umweltbundesamt finanzierten Studie in Bremen überprüft werden.
Der Epidemiologe hat vom Umweltbundesamt (UBA) den Auftrag erhalten, in einer bundesweit einmaligen Studie den Einfluss von Verkehrslärm durch Autos, Züge und Flugzeugen auf die Gesundheit insbesondere auf das Krebs- und Herzinfarkt-Risiko zu untersuchen. Dr. Greiser und die Vereinigung zum Schutz Flugverkehrsgeschädigter (VSF) stellten die geplante Studie am Dienstag der Öffentlichkeit vor. Gestern trat der Epidemiologie-Professor dann in Berlin bei einer Veranstaltung der Bürgerinitiativen aus Teltow und Rangsdorf gegen den Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) auf und stellt die Ergebnisse seiner Untersuchungen zum Airport Köln-Bonn aus den Jahren 2007 und 2010 vor. Dabei sei eindeutig festzustellen gewesen, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Anwohnern im direkten Flughafenumfeld überproportional häufig nachzuweisen sind, betonte Dr. Greiser.
Fluglärmbelastung erhöht Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Verzweifelt wehren sich etliche Bürgerinitiativen deutschlandweit gegen die Fluglärmbelastungen. Sie fürchten, dass die Fluglärmbelastung nicht nur ihre Nerven sondern auch die Gesundheit der Anwohner beeinträchtigen wird. Die Kosten dieser gesundheitlichen Konsequenzen werden auch in den bisherigen Überlegungen zum BBI zu wenig berücksichtigt, so der Standpunkt der Bürgerinitiativen aus Teltow und Rangsdorf. Denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen seien bei Einwohnern im direkten Umfeld von Flughäfen überproportional häufig, wie Dr. Greiser in seinen bisherigen Studien belegen konnte. Die vom Umweltbundesamt finanzierte Studie könnte hier künftig eine deutlich verbesserte Basis zur Abwägung der Risiken und Vorteil vergleichbarer Großprojekte bieten.
Noch nie standen für die Untersuchung so präzise Daten zur Verfügung wie sie in Bremen vorliegen, betonten Dr. Greiser und der VSF. So wären grundsätzliche Aussagen über den Zusammenhang zwischen Lärmbelastungen und Gesundheitsrisiken möglich, auch wenn im Einzelfall stets neu überprüft werden muss, wie hoch das Risiko tatsächlich ausfällt. Für Dr. Greiser besteht jedoch kein Zweifel daran, dass Lärm krank macht. Allerdings sei bisher nicht eindeutig geklärt, wie krank. Dies soll nun mit der auf 15 Monate ausgelegten Studie überprüft werde, wobei das Umweltbundesamt rund 250.000 Euro zur Finanzierung beisteuert und das Bremer Gesundheitsressort die restlichen 50 000 Euro übernimmt. Die Ergebnisse der Studie sollen im April 2012 präsentiert werden.
Untersuchung der Gesundheitsrisiken des Umgebungslärm in Bremen
Die Bedingungen seien für die Untersuchung der gesundheitlichen Risiken des Umgebungslärm (Flug-, Straßenverkehrs- und Schienenlärm) in Bremen besonders gut geeignet, da hier seit 1998 ein gutes Krebsregister geführt werde und eine „unglaublich gute Sozialberichterstattung“ sowie ein Mortalitätsindex, der jede Todesursache verzeichnet, vorliege. Darüber hinaus stellen die Krankenkassen laut Dr. Greiser weitere anonymisierte Datensätze über Erkrankungen der Bremer Versicherten zur Verfügung. Nicht zuletzt sei auch die politische Unterstützung in Bremen besonders hoch, so dass Dr. Greiser nach eigenen Angaben anstatt der oftmals üblichen Hemmnisse „starken Rückenwind“ insbesondere durch das Umwelt- und Sozialressort erfahre. Auch die VSF-Vorsitzende Monika Morschel betonte, dass sie „wirklich sehr froh“ sei, dass die Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Umgebungslärms nun von Dr. Greiser durchgeführt werde, da die bisherigen Mechanismen, mit denen die Interessen der Flughafenbetreiber und der Anwohner in Ausgleich gebracht werden sollen, „immer sehr flughafenfreundlich“ ausfielen.
Bisherigen Studien belegen Gesundheitsrisiken des Fluglärms
In Berlin erklärte der ehemalige Leiter des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin, dass seine bisherigen Studien zum Flughafen Köln-Bonn ein eindeutiges Ergebnis geliefert haben. Auf Basis anonymer Daten seien eine Million Versicherte bei acht gesetzlichen Krankenkassen in den Berechnungen berücksichtigt worden. Damit waren 55 Prozent der Bevölkerung Kölns und zweier Nachbarkreise Bestandteil der Studie. Das signifikant erhöhte Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn ist demnach kein Zufall und wissenschaftlich eindeutig belegt. Dass trotz der Proteste der Bürgerinitiativen beim BBI bisher keine vergleichbaren Untersuchungen durchgeführt wurden, ist nach Einschätzung von Dr. Greiser jedoch nicht auf die Kosten von rund 1,5 Millionen Euro oder den benötigten Zeitraum von 18 Monaten zurückzuführen, sondern auf die Angst der Verantwortlichen vor den Ergebnissen. „Vor dem Ergebnis haben die Schiss“, so Dr. Greiser im Originalton. Denn seine Modellrechnung für den BBI habe gezeigt, dass bereits ab einem niedrigen Dauerschallpegel von 47 Dezibel die Anzahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich ansteige. So würden durch die akute Lärmbelastung von weit mehr als 200.000 Menschen im Umfeld des BBI, zusätzlich zu den ohnehin 1.500 auftretenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen rund 200 fluglärmbedingte hinzukommen, erklärte der Epidemiologie-Experte. Damit verbunden wären Kosten von 1,5 Millionen Euro pro Jahr, wobei die Kosten mit der Zeit ansteigen, erklärte Dr. Greiser. Nach fünf Jahre seien es bereits 22 Millionen Euro Mehrkosten, nach zehn Jahren sogar 86 Millionen Euro, die künftig in die Behandlung Fluglärmkranker im Umfeld des BBI fließen müssten, betonte der Epidemiologie. Damit würden die bisherigen Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit des BBI deutlich anders ausfallen als bisher.
Fluglärm erhöht Stresshormone und Blutdruck
Das Fluglärm erhebliche negative gesundheitliche Folgen hat, ist nach Aussage von Dr. Greiser auf die „vermehrter Ausschüttung von Stresshormonen und Bluthochdruck“ zurückzuführen. Denn evolutionsgeschichtlich sei Lärm stets ein Warnsignal gewesen, auf das der Körper mit der Ausschüttung von Adrenalin und einem Anstieg des Blutdrucks reagiere, erklärt der Epidemiologe. „Evolutionär machte das Sinn: Früher hat plötzlicher Lärm Gefahr bedeutet. Deshalb wurden Stresshormone freigesetzt, damit der Mensch flüchten konnte,“ so die Aussage des Experten. Zwar mache ein landendes Flugzeug keine Flucht erforderlich, doch der Organismus der schlafenden Anwohner werde dennoch in Aufruhr versetzt und langfristige seien Gesundheitsschäden die Folge. (fp)
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Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
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