Wissenschaftsrat empfiehlt eine Akademisierung der Gesundheits- und Pflegeberufe
17.07.2012
Weil durch die Fortentwicklung der Medizin und dem demografischen Wandel ein regulärer Fachschulabschluss in der Versorgungslandschaft oft nicht mehr ausreicht, sollen nach Ansicht des Wissenschaftsrat sich Auszubildende in Pflegeberufen künftig mittels eines Universitätsabschlusses spezialisieren können. Das jedenfalls schlägt der Wissenschaftsrat, als beratende Instanz der Bundesregierung, vor. Die Ärzteschaft reagiert auf die Vorstellungen eher zurückhaltend.
Nach dem Pflege-Abitur soll nun auch das Pflege-Bachelor folgen, wenn es nach den Vorstellungen des Wissenschaftsrates geht. Statt eine Ausbildung nur an der Pflegefachschule zu unternehmen, sollen Pflegekräfte zusätzlich die Möglichkeit erhalten, einen universitären Abschluss zu absolvieren. Die Bundesärztekammer reagierte auf die Vorschläge verhaltend. Sie plädiert für Beibehaltung des Existierenden und einer Bündlung von Kompetenzen.
Nach den Vorstellungen des Wissenschaftsrats sollen Gesundheitsberufe künftig auch akademisch sein. Zwar sollen nicht Physio- und Ergotherapeuten oder Alten- bzw. Krankenpfleger künftig einen Universitätsabschluss vorweisen, allerdings sollen einige die Möglichkeit erhalten, aufgrund der steigenden Ansprüche im Medizinwesen sich mehr Fachwissen anzueignen.
Bis zu 20 Prozent der Absolventen mit akademischen Titel
So geht der Wissenschaftsrat davon aus, dass bis zu 20 Prozent eines Jahrgangs in Therapie-, Hebammen-, und Pflegewesen einen Bachelor-Abschluss an einer Universität abschließen können. Allerdings müssten hierfür allein für die pflegenden Berufe zwischen 2700 und 5500 neue Studienplätze geschaffen werden, wie Professor Hans-Jochen Heinze, Neurologe und Vorsitzender des Medizinausschusses im Wissenschaftsrat, am Montag in Berlin erklärte.
Für die therapeutischen Berufszweige müssten mindestens 1100 neue Studienplätze und bei den Hebammen würden 50 Plätze vorerst ausreichen. Über die Kosten konnte der Experte keine genauen Angaben machen. „Auf jeden Fall werde es mit Sicherheit teuer“, so Heinze.
Länder für Studienplätze verantwortlich
Für die Schaffung von neuen Studienplätzen sind die einzelnen Bundesländer zuständig. Die Kultusministerkonferenz zeigte sich angesichts der Vorschläge seitens des Wissenschaftsrates offen. Auf Anfrage betonte ein Sprecher, dass die Vorschläge des Rates „sehr ernst genommen werden“. Noch in diesem Jahr wollen die Kultusminister der Länder hierüber beraten.
Der medizinische Fortschritt und eine immer älter werdende Gesellschaft machen einen universitären Ausbildungszweig der konventionellen Gesundheitsberufe notwendig, so der Wissenschaftsrat. Durch die demografische Entwicklung werden die Menschen immer älter und damit wachsen auch die inhaltlichen Aufgaben im Pflegebereich. "Die Menschen werden immer älter und sind somit immer häufiger chronisch krank", betonte Heinze. Die Pfleger und Krankenschwestern stehen somit immer komplexeren Anforderungen gegenüber. Es sei erforderlich, dass auch die „eigene Arbeit evidenzbasiert überprüft werden kann“. Für derlei Aufgaben sei nun mal eine akademische Ausbildung von Nöten, so die Argumentation des Rates.
„Nicht vom Pflegebett weg qualifizieren“
Pfleger und Pflegerinnen sollen aber nicht „vom Pflegebett weg qualifiziert werden“, betonte Heinze. In multiprofessionellen Teams könnten aber leitende Praktiker arbeiten und auf diese Weise Ärzte entlasten.
Die Vorschläge wurden von der Bundesärztekammer (BÄK) sehr verhalten aufgenommen. Der stellvertretende Ärztekammerchef Dr. Max Kaplan warnte vor einer weiteren Zersplitterung der Versorgungslandschaft. Durch eine weitere Versorgungsebene durch nicht-ärztliche, akademische Pflegeberufe könne eben das passieren. Stattdessen sollen „multiprofessionelle Kooperationen“ auf der Basis des Bestehenden geschlossen werden, um bereits vorhandene Kompetenzen zu bündeln und zu fördern. (sb)
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