Razzien bei Liquid-Direktimporteuren für E-Zigaretten: Bundesgesundheitsministerium stuft elektronische Ersatzzigaretten als Arzneimittel ein
04.03.2012
Laut einiger Schätzungen verwenden mittlerweile 1,2 Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig die elektrische Zigarette, auch kurz genannt „E-Zigarette“. Im Internet haben sich regelrechte „Fangemeinden“ gebildet, die sich regelmäßig über Gebrauch, Nutzen und das tagesaktuelle Geschehen rund um das Thema E-Zigarette austauschen. Behörden und Gesundheitspolitiker warnen allerdings vor den Gefahren des Konsums, obwohl die E-Zigaretten tatsächlich weniger gesundheitsschädlich als die herkömmlichen Glimmstängel sind. Daher vermuten sie, „es sei eine Kampagne der Tabakindustrie im Gange“, um die Verbreitung der Elektrogeräte zu stoppen. Am Flughafen Frankfurt am Main wurde eine Ladung aus China beschlagnahmt und bei drei Händlern wurden anschließend Razzien durchgeführt.
Es gibt noch nicht viele Studien, die die Inhaltsstoffe und Wirkungsweisen genauer untersucht haben. Die, die bereits erste Untersuchungen gestartet haben, kommen einhellig zum Ergebnis, dass die gesundheitlichen Nachteile gegenüber dem konventionelle Tabakrauchen als eher gering einzustufen sind. Gerade deshalb setzen vor allem viele ehemaliger Tabakraucher auf die E-Zigarette und verdampfen lieber Nikotin, dass nur in sehr hohen Dosen als lebensgefährlich einzustufen ist, da der menschliche Organismus das Nervengift in relativ kurzer Zeit wieder abbauen kann. Im Gegensatz dazu werden beim herkömmlichen Verbrennen von Tabak tausende Giftstoffe freigesetzt, die in der Mehrheit Krebserregend sind und langfristig das Herz-Kreislauf-System schwer belasten. Die Folgen: Lungenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und Bluthochdruck. Eigentlich könnten doch Gesundheitspolitiker aufatmen, wenn ehemalige Raucher nun einen Rauchstopp mit der E-Zigarette versuchen. Doch die deutsche Bürokratie sieht in der E-Zigarette ein Arzneimittel, die nicht im Handel vertrieben werden dürften.
Bislang keine bekannten Negativeffekte um E-Zigarette zu verbieten
Die US-Amerikanische Gesundheits- und Aufsichtsbehörde FDA kritisierte, dass das Alkaloid Reste schädlicher Giftstoffe enthalten kann. Allerdings: In Zigaretten sind diese Stoffe meist in viel größerer Konzentration enthalten. Im US-Fachmagazin „Tobacco-Control“ wurde eine neue kalifornische Studie veröffentlicht. Die Forscher bemängelten, dass einige erworbene Kartuschen auslaufen könnten. Nach dem Gebrauch könnten diese „noch Reste von Nikotin enthalten“. Die gebrauchten Kartuschen mit minimalem Nikotin-Gehalt gelangen beim Entsorgen in den Hausmüll. Weitere Negativeffekte konnte das Forscherkonsortium allerdings nicht ausmachen.
Daraus folgte aber, dass Gesundheitsexperten, Politiker und Behörden die die elektronischen Zigaretten nunmehr als Arzneimittel ähnlich wie Nikotin-Pflaster einstufen. Somit dürften Einzelhändler ohne Apotheken-Lizenz die Produkte nicht frei verkäuflich anbieten. Wer es dennoch tut, muss mit hohen Geldstrafen, Bewährungsstrafen oder sogar mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen, weil gegen das in Deutschland geltende Arzneimittelgesetz verstoßen wird.
Beschlagnahme durch den Zoll und Razzien bei Händlern
Bis vor einiger Zeit wurden die Annahmen der Behördenmitarbeiter und Politiker nicht in die Tat umgesetzt. Doch es scheint, als würden die Zeiten auf Sturm stehen: Die für die Flughafenfracht zuständige Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat letzte Woche nach eigenen Angaben „ falsch deklarierten Liquid-Fläschchen aus China“ beschlagnahmt. Insgesamt 30 Strafverfahren wurden gegen mutmaßlich beteiligte Personen eingeleitet. Im Anschluss unternahm unter auf Aufsicht der Staatsanwaltschaft die Polizei mittlerweile drei Hausdurchsuchungen bei Händlern in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen.
Die Zollfahndung in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover, die die Razzien in Wunstorf unternahm gab bekannt: „Die beschlagnahmten Liquid-Behältnisse werden im Labor untersucht“. Bislang stehe aber noch nicht fest, ob die Gewerbeaufsicht die Untersuchung vornimmt oder das Arzneimittelamt Nord in Bremen. Nach welchen Kriterien die beschlagnahmten Flaschen untersucht werden sollen, darüber gaben die Ermittlungsbehörden bislang keine genauen Auskünfte. Gegenüber einem Händler habe ein Beamter nach unbestätigten Angaben angedeutet, es gehe angeblich darum „ob die angegebenen Nikotinwerte mit denen übereinstimmen, die verzeichnet worden sind“.
Lobbyverband vermutet weitere Schikanen und Durchsuchungswelle
Der Verband des E-Zigaretten-Anbieter (VdeH) vermutet, dass es nicht nur bei den drei öffentlich bekanntgewordenen Durchsuchungen geblieben ist. Vielmehr schätzt der Interessenverband, dass bis zu 30 Razzien bei Direktimporteuren in Deutschland stattgefunden haben oder noch stattfinden werden.
Ende Februar hatte die Bundestagsfraktion der Linken insgesamt 47 Fragen im Rahmen einer „kleinen Anfrage an die Bundesregierung“ gestartet. Darin fragte die Linksfraktion beispielsweise, wie die „eingeatmeten Stoffe im Körper während des Verdampfens reagieren“ oder „wie viel Flüssigkeit denn überhaupt eingeatmet wird?“. Ziel der Anfrage sei nach Angaben der Partei zu ergründen, welche Vorteile gegenüber den herkömmlichen Glimmstängeln für die Gesundheit der Konsumenten bestehen. Fraktionschef Gregor Gysi vertritt als Rechtsanwalt derzeit einen Händler von flüssigen Liquids. Dieser wehrt sich gegen die Äußerungen der nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne), die kürzlich vor den Gefahren der E-Zigaretten gewarnt hatte.
Aus den Antworten der Bundesregierung könne man ableiten, dass in Zukunft weitere Ermittlungsverfahren gestartet werden und noch mehr Händler durchsucht werden, so die Befürchtung des VdeH. Die Bundesregierung hatte sich in seiner Rückantwort auf die Einschätzungen des des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) berufen. Die Händler in dem vorliegenden Fall hätten ihre Produkte so beworben, dass der Eindruck entstehe, diese werden zur Raucherentwöhnung beworben und vertrieben. Der Verband widerspricht: Im Allgemeinen werden E-Zigaretten und Zubehör nicht wie Arzneimittel angepriesen. Ein Argument ist aber doch: Viele „Dampfer“ sagen, sie haben seit dem Gebrauch der elektrischen Geräte einen Rauchstopp eingelegt. (sb)
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Bild: Matthias Preisinger / pixelio.de
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