Etwa ein Prozent der Deutschen leidet an Hypersexualität (Sexsucht). Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich deutlich höher.
Immer wieder ist vor allem in der Boulevard Presse von "Sexsucht" Prominenter Schauspieler und Sportler zu lesen. So konnte man als geneigter Leser u.a. über die angebliche Sexsucht des US-Golfprofi-Spielers Tiger Woods lesen. Dieser hatte öffentlich bekundet an einer Sexsucht zu leiden, die er nun therapeutisch behandeln lässt. Kritiker vermuten, Woods würde seine Untreue mit dem Argument der Sexsucht begründen, um Werbepartner zu halten. Woods öffentliche Reputation litt deutlich aufgrund seiner wechselseitigen Affären. Das Thema Sexsucht wird in den Medien begeistert aufgenommen, weil es entsprechende Quoten verspricht. Doch gibt es tatsächlich eine Sexsucht? Und wie wird eine Sexsucht behandelt?
Tatsächlich gibt es die sogenannte "Sexsucht". Allerdings spricht die WHO schon seit 1964 nicht mehr von Süchten, da dies ein äußerst inflationär verwendeter Begriff ist. Psychologen und Therapeuten sprechen deshalb in diesem Zusammenhang von einer "Hypersexualität". Betroffene organisieren ihren Tagesablauf gezielt danach, erfolgreich der Sucht nach Sex und Befriedigung nachzugehen. Sexuelles Verlangen wird zum Hauptschwerpunkt im Leben und verdrängt andere Lebensthemen. Grundsätzlich gehen Sexualmediziner von einer krankhaften "Sexsucht" aus, wenn sich Betroffenen selbst eingeschränkt fühlen und das alltägliche Leben durch die Sucht zur Last wird. Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos von der FH Freiburg grenzt Merkmale einer Sexsucht sehr detailliert ein: "Nur ein außer Kontrolle geratenes Verhalten, das einhergeht mit den klassischen Anzeichen für Sucht – Besessenheit, Machtlosigkeit und die Benutzung von Sex als Schmerzmittel – weisen auf sexuelle Sucht hin."
Die Folgen einer Sexsucht können fatal sein. Partnerschaften und Ehe gehen in die Brüche, Patienten verschulden sich massiv, weil sie immer mehr Geld für ihre Sucht ausgeben und letztendlich über ihre Verhältnisse leben. Laut dem Sexualmediziner der Universitäts-Klinik Freiburg, Michael Berner, leiden ca. ein Prozent der Bevölkerung an einem gesteigerten sexuellen Verlangen. Berner geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, da sich vermutlich viele Menschen ihrer Hypersexualität nicht bewusst sind oder eine Therapie scheuen.
Doch wie kommt es dazu, dass Menschen Sexsüchtig werden? Grundsätzlich ähnelt die Sexsucht anderen Suchterkrankungen. "Der Betroffene braucht eine immer höhere Dosis, um die befriedigende Wirkung halten zu können", sagt Berner gegenüber der Rheinischen Post. Im Verlauf der Erkrankung sei der Patient nicht mehr in der Lage, sein Handeln zu kontrollieren. Hintergrund der Krankheit ist oft eine manifestierte Depression. Betroffene versuchen ihre Depression mit dem Kick der Befriedigung durch Sex zu kompensieren. Aber auch andere psychische Vorerkrankungen können eine Rolle spielen.
In den USA existieren bereits Fachkliniken, die sich auf die Behandlung von Hypersexualität spezialisiert haben. Soweit bekannt, gibt es in Deutschland bisher noch keine Therapieprogramme für sog. Sexsüchtige. Es gibt jedoch einige Selbsthilfegruppen, die für Betroffene als erste Anlaufstelle genutzt werden können. Die "Anonymen Sexaholiker" und "Anonyme Sex- und Liebessüchtige" können als die relevantesten Selbsthilfegruppen genannt werden. Approbierte Therapeuten sollten ebenfalls eine adäquate Anlaufstelle sein. Wichtig ist, eventuelle psychische Grunderkrankungen wie Depressionen anzugehen, um der Sucht nach Sex zu begegnen. Bei Therapiebeginn können zunächst auch Medikamente in Frage kommen, um den Serotonin-Spiegel im Gehirn zu erhöhen. Der Serotoninspiegel im Gehirn ist u.a. mitverantwortlich für die emotionale Stimmungslage des Menschen. Bei Depressionen geht man davon aus, dass u.a. ein Serotoninmangel des Patienten vor liegt. (Sb, 11.04.2010)
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