Resistente Keime: Infektion im Krankenhaus.
(26.08.2010) Nachdem die Todesfälle der drei Säuglinge in der Mainzer Universitätsklinik, das Problem der Keimbelastung in deutschen Krankenhäusern wieder auf die Tagesordnung gerufen haben, sieht sich nun auch die schwarz-gelbe Bundesregierung zum Handeln gezwungen: Neue Richtlinien für die Krankenhaus-Hygiene sollen her.
Bis zu einer Millionen Patienten infizieren sich nach Angaben des Allianz-Berichtes „Krank im Krankenhaus“ jährlich in deutschen Krankenhäusern mit gefährlichen Keimen, oft mit tödlichen Folgen. Dabei ist insbesondere der enorme Anstieg der Infektionen durch multiresistenten Staphylokokken (MRSA) ein Ausdruck mangelhafter Hygiene.
Doch der Vorstoß in Richtung neuer Richtlinien zur Krankenhaus-Hygiene löst bei dem niederländischen Mikrobiologen des Medisch Spectrum in Twente und Experten für Krankenhaushygiene, Dr. Ron Hendrix, im Interview mit dem Sender ntv nur eine lautes Lachen aus. Denn seiner Ansicht nach sind die deutschen Richtlinie an dieser Stelle sehr gut, nur ihre Umsetzung lässt zu wünschen übrig.
In den Niederlanden kommen Infektionen durch MRSA-Bakterien in Krankenhäusern so gut wie nie vor, obwohl keine vergleichbaren gesetzlichen Richtlinien bestehen. Hier werden die Hygiene-Regeln von Fachleuten für jedes Krankenhaus individuell erstellt und orientieren sich im Wesentlichen an den praktischen Vorgaben. Aus diesem Grund hat dort jedes Krankenhaus einen eigenen Mikrobiologen, der das Personal in Hygienefragen berät und zudem darauf achtet, dass der Antibiotikaeinsatz sich im Rahmen hält. Dabei sind die entsprechenden Fachleute eng in die täglichen Prozesse des Patientenbehandlungen eingebunden und kommunizieren intensiv mit den verschiedenen Fachärzten. Begünstigt wird diese Vorgehensweise durch die Struktur der Krankenhäuser in den Niederlanden, da hier kleine Kliniken die sich auf einen Fachbereich konzentrieren, wie es in Deutschland häufig der Fall ist, eher die Ausnahme bilden. So sitzen nach Aussage von Dr. Hendrix die Spezialisten der verschiedensten Fachrichtung regelmäßig zusammen und beraten sich gegenseitig. „Für uns ist es ganz normal, dass ein Mikrobiologe einen Arzt bei Infektionskrankheiten berät und ihm sagt, ob ein Antibiotikum anzuwenden ist. Ein Chirurg beispielsweise kann ja nicht auch noch Experte auf dem Gebiet der Antibiotika sein“, so der Mikrobiologe und Leiter des Euregio-Netzwerks gegenüber ntv.
Der massenhaft bzw. teilweise irrationale Einsatz von Antibiotika in deutschen Krankenhäuser ist aus Sicht von Dr. Hendrix ebenfalls ein Problem. Hier kommen die Ärzte in den Niederlanden aufgrund der intensiven Beratung durch die Mikrobiologen mit einem Bruchteil der in Deutschland verwendeten Menge aus. Mit dem Vorteil, dass weniger Bakterien eine Resistenz gegenüber Antibiotika entwickeln. „Erst vor wenigen Tagen wurde über ein Bakterium berichtet, das überhaupt nicht mehr auf unsere heutigen Antibiotika reagiert. Deshalb werden in Holland nur selten Antibiotika verschrieben – und wenn, dann möglichst alte Präparate, zum Beispiel Penicillin“, betonte Dr. Hendrix. Dies ist nach Ansicht des Fachmanns ein weiterer Grund dafür, dass in deutschen Krankenhäusern Infektionen mit dem Wundkeim MRSA etwa 20 Mal häufiger auftreten als in den Niederlanden.
Auf die Frage, welche Lösungsmöglichkeiten sich für das Hygiene-Problem in Deutschen Krankenhäusern anbieten, sieht Dr. Hendrix nur einen Ausweg: es muss mehr Geld in Hygienefachleute und Mikrobiologen investiert werden. Ähnlicher Ansicht ist auch die „Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene“ (DGKH) und will daher von staatlicher Seite aus die Einstellung von Hygienefachpersonal in den Krankenhäusern verpflichtend vorschreiben. Der Vorteil bei derartigen Investitionen wäre, dass sich diese im Zuge der eingesparten Kosten für die Behandlung von nosokomialen Infektionen (Krankenhausinfektionen) „doppelt und dreifach“ rentieren würden, so der Mikrobiologe Dr. Hendrix. Derzeit haben nur fünf Prozent der deutschen Krankenhäuser einen Hygienearzt.
Patienten die als potenzielle Überträger von MRSA gelten, werden in den Niederlanden auf den Erreger getestet, sobald sie im Krankenhaus ankommen. Ist das Ergebnis des Tests positiv, kommen die Patienten in Einzelzimmer und werden nur noch von Pflegepersonal in Schutzkleidung behandelt. Zu den Risikogruppen die in jedem Fall einen MRSA-Test bei Aufnahme ins Krankenhaus durchlaufen müssen zählen alle Personen die bereits früher selber MRSA-Träger waren oder Kontakt zu einem hatten, die kürzlich stationär im Krankenhaus behandelt wurden, die chronisch pflegebedürftig oder dialysepflichtig sind oder die an chronisch offenen Wunden leiden. Zudem gehören alle Bewohner von Senioren- oder Pflegeheimen zu den Risikopatienten.Patienten die aus einem deutschen Krankenhaus in die Niederlande überführt werden, zählen ebenfalls zur Risikogruppe und kommen direkt bei Ankunft vorerst in Quarantäne, so der niederländische Mikrobiologe Dr. Hendrix, denn „Deutsche Ärzte operieren zwar sehr gut, aber wir haben Angst vor Infektionen.“
Das niederländische System lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Ärztelandschaft jedoch nicht einfach auf Deutschland übertragen, so der ebenfalls im Euregio-Netzwerk engagierte Experte, Alexander Friedrich vom Institut für Hygiene an der Universität Münster, sondern „wir müssen es vielmehr anpassen.“(fp)
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Bild: Erich Werner / pixelio.de
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