Schecks von Ratiopharm: Erstmals zwei Ärzte wegen Betrug, Untreue und Korruption verurteilt. Die Ärzte hatten Zahlungen von dem Pharmahersteller erhalten und im Gegenzug dazu Ratiopharm Arzneien an Patienten verschrieben. Heute erging das Urteil beim Amtsgericht Ulm.
(29.10.2010) Zwei Kassenärzte wurden wegen Betruges, Untreue und Bestechlichkeit verurteilt. Das entsprechende Urteil wurde vom Amtsgericht Ulm gefällt, nachdem die Ärzte zwischen 2002 und 2004 vierzehn Zahlungen vom Generikahersteller Ratiopharm erhalten hatten und im Gegenzug ihren Patienten Ratiopharm-Produkte verschrieben. Beide Mediziner erhielten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung und müssen ein Bußgeld von jeweils 20.000 Euro zahlen. Gegen das Urteil haben die Ärzte Berufung eingelegt.
Ärzte verschafften Ratiopharm einen Wettberwerbsvorteil
Regelmäßig haben die beiden Ärzte einer Gemeinschaftspraxis im Alb-Donau-Kreis ihre Umsätze dem Genrerikahersteller gemeldet und erhielten für jedes abgegebene Präparat acht Prozent des Herstellerabgabepreises als „Provision“. Die 14 Schecks, die sie im Gegenzug erhielten, beliefen sich auf eine Summe von rund 19.000 Euro, wobei die Mediziner die Zahlungen ihrer kassenärztlichen Vereinigung nicht meldeten. Dies war einer der Gründe für den jetzigen Urteilsspruch des Amtsgerichts Ulm. Für die zuständige Richterin Katja Meyer stand „fest, dass Sie (die angeklagten Ärzte) Schecks von Ratiopharm bekommen haben, damit sie der Firma einen Wettbewerbsvorteil verschaffen."
Präzedenzfall: Erstmalig Kassenärzte wegen Korruption verurteilt
Mit dem Urteil hat das Amtsgericht Ulm Neuland betreten und sollte dies rechtskräftig werden, wäre dies ein Präzedenzfall für weitere mögliche Verfahren. Denn erstmals wurden Ärzte, die nicht in einem Krankenhaus oder einer Klinik arbeiten wegen Bestechlichkeit verurteilt, so Michael Bischofberger, Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Zudem laufen nach Angaben der „Südwest Presse“ zahlreiche weitere Ermittlungen gegen Mediziner und Pharmareferenten in vergleichbaren Fällen. Zwar ist ein Großteil der ursprünglich 3.400 Verfahren bereits gegen die Zahlung von Geldbußen eingestellt worden, doch mit dem jetzigen Urteilsspruch könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden und eine grundlegend neue Haltung der Richter beim Umgang mit korrupten Ärzten zum tragen kommen. Die beiden betroffenen Kassenärzte haben gegen den jetzigen Urteilsspruch Berufung eingelegt, so dass der Fall als nächstes am Ulmer Landgericht behandelt wird.
Höchstrichterliche Klärung erforderlich
Neben der jetzigen Verhandlung berichtet „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe von einer Anklage gegen einen Kassenarzt wegen Bestechlichkeit, die vom Hamburger Landgericht zugelassen wurde. Dieser Fall könnte letztendlich beim Bundesgerichtshof landen, so die Aussage im Nachrichtenmagazins, was der zuständige Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers mit den Worten kommentierte: „Wir wollen endlich eine höchstrichterliche Klärung, ob Ärzte wegen Bestechlichkeit bestraft werden können.“ Auch auf politischer Ebene hat der aktuelle Urteilsspruch einiges in Bewegung gebracht und so kündigte die Bundestagsfraktion der SPD an, demnächst einen Antrag ins Parlament einzubringen, der Korruptionshandlungen niedergelassener Ärzte zu Straftatbeständen macht. (fp)
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