FDP-Gesundheitspolitiker fordert eine Selbstzahlungspflicht der Patienten bei Ärztemangel
09.01.2011
In zahlreichen vor allem ländlichen Regionen herrscht ein regelrechter Mangel an Ärzten. Um gegen den Ärztemangel vorzugehen, fordert die FDP in solchen Regionen eine generelle Selbstzahlungspflicht der Patienten für jeden Arztbesuch. Nach Ansicht der FDP könnte somit dem Ärztemangel etwas entgegen gesetzt werden, da die Selbstzahlungspflicht Ärzte dazu anhalten könnte, in die Gebiete zu gehen, in denen ein Ärztemangel vorherrscht.
Selbstzahlungspflicht gegen Ärztemangel
Um gegen den immer rasanter ansteigenden Ärztemangel vorzugehen, sollen Versicherte nach dem Willen der FDP in einigen Regionen die Ärztehonorare selbst begleichen und die Behandlungskosten bei ihrer Krankenkasse einreichen. So regte der FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa in Berlin eine Selbstzahlungspflicht der Patienten an. Die Mediziner könnten somit in solchen Gebieten mehr Geld verdienen. Die Attraktivität eine Praxis in einer Problemregion zu eröffnen, würde steigen. Die Obergrenzen der gesetzlichen Krankenkassen entfallen durch die Selbstzahlungspflicht, die Ärzte könnten somit höhere Behandlungskosten von den Krankenversicherten verlangen. "Für die Versicherten halte ich das für zumutbar", sagte der FDP Politiker, der auch Mitglied des Gesundheitsausschusses der Bundesregierung ist. "Die Patienten bekommen die Kosten dann zu 100 Prozent von ihrer Krankenkasse zurück."
Das Konzept der Kostenerstattung ist kein neues Modell. Schon seit längerer Zeit bringt die FDP immer wieder das Kostenerstattungs-Modell in die Gesundheitsdebatte mit ein. Laut Lindemann soll in Regionen mit einer geringen Frequentierung von Ärzten die Kostenerstattung für alle gesetzlich Krankenversicherte verpflichtend werden. In anderen Regionen soll stattdessen das bisherige Modell des Sachleistungsprinzips "im Grundsatz" erhalten bleiben. In Regionen mit einer geringeren Arztdichte würde es für Mediziner attraktiver werden, eine Praxis zu eröffnen. "Wir haben uns beispielsweise daran gewöhnt, daß ein substantieller Anteil der kassenärztlichen Leistungen nicht vergütet wird. Wenn dadurch das Betreiben einer ärztlichen Praxis nicht mehr attraktiv ist, überrascht es nicht, daß dies auch Unterversorgung in der Fläche produziert.", so Lindemann auf seiner eigenen Website.
Ärzte für Kostenerstattung der Patienten
Einige Ärztevertreter favorisieren das Modell der Kostenerstattung. Denn zum einen würden sie Honorare zeitnah beim Patienten abrechnen können und müssten sich nicht mehr mit den Krankenkassen einigen, ob die Behandlungskosten übernommen werden. Denn die Rechnungen werden so oder so bezahlt, auch wenn die Kasse dem Patienten die Rechnung nicht erstattet. Im Zweifelsfall müssten dann Patienten die Behandlungskosten selbst bezahlen, falls die Kassen die Kostenerstattung verweigern.
FDP uneins über zukünftige Regelungen
Doch in diesem umstrittenen Punkt zeigt sich auch innerhalb der FDP keine Einigung. Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin und gesundheitspolitische Sprecherin der Partei, Ulrike Flach, wertete den Vorschlag Lindemanns als "Einzelmeinung". Der FDP Politiker hält dagegen: „Ich möchte eine Debatte anregen„, erklärte Lindemann. Das Projekt Selbstzahlungspflicht könnte man zunächst in Modellregionen umsetzen, um zu sehen, ob es Erfolg hätte. Lindemann kritisierte zugleich die Forderungen der Ärztevereinigungen, bei Ärztemangel die Bedarfsplanung neu zu reformieren. Die Bedarfsplanung regelt unter anderem die Verteilung der Ärzte auf einzelne Gebiete Deutschlands. Auch eine umgearbeitete Bedarfsplanung steigere nicht die Attraktivität für Mediziner in Problemregionen zu gehen, so Lindemann.
Krankenkassen kritisieren Selbstzahlungspflicht für Patienten
Deutlich fiel die Kritik der Krankenkasse Barmer GEK aus. Dessen Vorsitzende Brigit Fischer vermutet hinter dem Vorschlag eine Klientel ausgerichtete Politik. "Der Vorschlag der FDP ist abwegig, falsch und von Klientel-Interessen geleitet" sagte Fischer gegenüber der dpa. "Die private Krankenversicherung zeigt, dass Kostenerstattung kein geeignetes Mittel ist, um die Qualität der Versorgung zu erhöhen." Die Leidtragenden wären die Patienten, denn diese müssten mit einem höheren Aufwand neue Einkommensmöglichkeiten für Ärzte erschließen.
Verhandlungen mit Ärzten und Kliniken geplant
Demnächst trifft sich der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zu Verhandlungen mit Klinik-, Kassen- und Ärztevertreter, um über das Ärzte- und Klinikgesetz zu beraten. In den Beratungen soll es auch um den immer rasanter ansteigenden Ärztemangel in zahlreichen Regionen gehen. Laut einer aktuellen Auswertung der der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) fehlen allein in Thüringen 234 Hausärzte und 47 Fachärzte. Während der Debatte um die Weichenstellung der Gesundheitsreform hatte sich auch Rösler für das Modell der Vorkasse beim Arztbesuch ausgesprochen. Auf Druck der CSU musste die FDP von diesem Konzept Abstand nehmen. Denn auch Verbraucherschützer sprachen in diesem Zusammenhang von einem Aufbau einer "Drei-Klassen-Medizin". Quasi durch die Hintertür wird nun die Debatte durch die FDP neu entflammt. (sb)
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Bild: Michael Grabscheit / pixelio.de
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