Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Millionenbetrug mit HIV-Medikamenten
24.02.2011
Durch den Betrug mit HIV-Medikamenten ist laut Medienberichten ein finanzieller Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. Bundeskriminalamt (BKA) und Staatsanwaltschaften ermitteln gegen mehrere Pharmagroßhändler, die für Patienten in Afrika gedachte, subventionierte Arzneimittel umverpackt und illegal auf den Deutschen Markt gebracht haben sollen.
Beschuldigten Pharmagroßhändlern drohen bis zu 10 Jahre Haft
Bundesweit haben verschiedene Pharmagroßhändler offenbar große Mengen der für bedürftige Patienten in Südafrika hergestellten, subventionierten Medikamente umetikettiert, nach Deutschland reimportiert und hier mit erheblichen Gewinnen zu den regulären Preisen abgerechnet, berichtete NDR info. Die Staatsanwaltschaften Flensburg, Trier und Lübeck habe die Ermittlungen gegen mehrere Pharmagroßhändler aufgenommen und auch das BKA wurde eingeschaltet. Laut NDR info wurden die HIV-Präparate als sogenannte Bulkware (Massenware ohne Verpackung, Beipackzettel oder Garantie) in Kisten und Säcken voller einzelner Tabletten illegal von Südafrika aus über Belgien und die Schweiz nach Deutschland eingeführt. Anschließend wurden die subventionierten HIV-Medikamente hierzulande mit erheblichen Gewinnen verkauft, erläuterte die Staatsanwaltschaft Flensburg den Vorwurf an die Pharmagroßhändler. Damit haben die Beschuldigten nicht nur gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen, sondern es drohen den mutmaßlichen Tätern 3 Monate bis 10 Jahren Haft wegen gewerbsmäßigen Betrugs, sollte sich der Verdacht bestätigen, so die Staatsanwaltschaft weiter. „Da mit Südafrika, der Schweiz und Belgien auch andere Länder beteiligt sind, zählt dieses Verfahren sicher zu unseren größten“, betonte Rüdiger Meienburg, Leitender Oberstaatsanwalt in Flensburg.
Millionen Schaden durch illegal verkaufte HIV-Medikamente
Den Schaden, der durch die illegal verkauften HIV-Präparate entstanden sein könnte, schätzt die AOK Niedersachsen allein für ihren Zuständigkeitsbereich auf einen mindestens zweistelligen Millionenbetrag. Der Sprecher der niedersächsischen AOK, Oliver Giebel, äußerte gegenüber NDR info eine ähnlichen Vorwurf wie die Staatsanwaltschaft: „Die Medikamente waren von Hilfsorganisationen für die Behandlung von HIV- Patienten in Südafrika vorgesehen. Die Großhändler haben die Präparate nach Deutschland geholt, obwohl sie hier nicht zugelassen waren.“ Wie der Radiosender berichtete haben die beschuldigten Pharmagroßhändler dabei einen erheblichen Gewinn mit den illegal vertriebenen HIV-Medikamenten gemacht – einer der Beschuldigten habe allein sechs Millionen Euro Umsatz verbuchen können.
Beschuldigte Pharmagroßhändler verhalten sich verwerflich
Experten wie Prof. Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik – Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung – der Universität Bremen verurteilten den vermeintlichen Betrug und kritisierten das von der Staatsanwaltschaft dargestellte Verhalten der Pharmagroßhändler als „verwerflich“. Denn es ist nicht nur ein erheblicher finanzieller Schaden im deutschen Gesundheitssystem entstanden, sondern die Patienten, welche in Südafrika dringend auf die HIV-Medikamente angewiesen waren, haben diese offenbar niemals erhalten. „Hier bereichern sich nicht nur Großhändler mit krimineller Energie, sondern hier werden auch Menschen geschädigt, denen diese Medikamente vorenthalten werden,“ so der Vorwurf von Prof. Dr. Gerd Glaeske.
Millionenbetrug mit HIV-Medikamenten in Delmenhorst entdeckt
Entdeckt wurde der mutmaßliche Millionenbetrug mir den HIV-Medikamenten laut Angaben des Radiosender bereits im August 2009, als in einer Delmenhorster Apotheke einem HIV-Patienten auffiel, dass in einer unbeschädigten Sichtverpackung des HIV-Medikamentes keine Tabletten enthalten waren. Die anschließende Untersuchungen durch den Münchener Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) habe ergeben, dass sowohl die Verpackung als auch der Beipackzettel und der Blister (Sichtverpackung der Tabletten) gefälscht waren. Sicherheitshalber hat GSK die betreffende Charge vom Markt genommen. Auch bei dem Pharmahersteller Boehringer-Ingelheim wurden in einem ähnlichen Fall zwischen 2009 und 2010 mehrere Chargen eines HIV-Medikaments zurückgerufen. Die anschließend eingeleiteten Untersuchungen führten zu dem oben dargestellten Verdacht, dass mehrere Pharmagroßhändler illegaler weise subventionierte HIV-Präparate hierzulande verkauft haben. Unmittelbare Gefahr für die Patienten bestand dabei nach den bisherigen Erkenntnissen nicht – die Wirksamkeit der Medikamente sei nicht beeinträchtigt gewesen, berichten die Pharmahersteller. Die Untersuchung halten jedoch noch an und es könne bisher nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden, ob die Präparate möglicherweise beim Transport zum Beispiel durch eine Unterbrechung der Kühlkette in ihrer Qualität beeinträchtigt wurden. Außerdem sei aufgrund der fehlenden Verpackungen bisher nicht nachvollziehbar wie es mit Überschreitungen des Haltbarkeitsdatum aussieht.
Millenniumsziel: Versorgung mit bezahlbaren HIV-Medikamenten
Die Versorgung der bedürftigen HIV-Patienten in den Entwicklungsländern mit dringend erforderlichen Medikamenten zu bezahlbaren Preisen, ist eines der wesentlichen Ziele in der Gesundheitspolitik der internationalen Staatengemeinschaft. So nehmen die Millenniumsziele der Vereinten Nationen hierzu eindeutig Stellung und benennen nicht nur die Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten als eindeutiges Ziel der Staatengemeinschaft, sondern fordern die Pharmaunternehmen zur Zusammenarbeit auf, um den Bedürftigen in den Entwicklungsländern den Zugang zu dringend benötigten Arzneimitteln bei bezahlbaren Preisen zu ermöglichen. Die Pharmakonzerne haben sich – nicht zuletzt aus Sorge davor, dass Fälscher zur Herstellung kostengünstiger HIV-Medikamente eventuell den Patentschutz ignorieren – dazu bereit erklärt, über Hilfsorganisationen vor Ort subventionierte Medikamente an die Bedürftigen zu verteilen. Doch für skrupellose Pharmagroßhändler, bot sich so offenbar ein neuer Geschäftszweig an. Denn die Preisspanne zwischen den subventionierten Arzneimittel und den hierzulande vertriebenen Produkten ist enorm. Dies dachten sich laut Staatsanwaltschaften anscheinend auch die beschuldigten Pharmagroßhändler und begannen die günstigeren Produkte auf ihre ganz eigene Weise zu reimportieren. (fp)
Bild: Benjamin Klack / pixelio.de
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