Höhere Ärzte-Honorare führen zu höheren Kassenbeiträgen? Der Bundesgesundheitsminister plant ein neues Versorgungsgesetz. Landärzte sollen künftig höhere Vergütungen erhalten, um den Ärztemangel in ländlichen Regionen auszugleichen. Die Krankenkassen befürchten hingegen weitere Beitragserhöhungen.
28.02.2011
Der Verband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) befürchtet aufgrund der von der schwarz-gelben Koalition geplanten Honorarerhöhungen für niedergelassene Ärzte einen deutlichen Anstieg der Kassenbeiträge. Die Bundesregierung will mit dem Versorgungsgesetz gegen den Ärztemangel auf dem Land vorgehen. Mit höheren Honoraren und Prämien sollen Mediziner dazu veranlasst werden, Arztpraxen auch in ländlichen Regionen zu eröffnen. Die Krankenkassen dementierten hingegen einen gravierenden Mangel an Landärzten.
Die gesetzlichen Krankenversicherungen befürchten einen weiteren Anstieg der Kassenbeiträge, obwohl erst zum Jahresbeginn der Beitragssatz auf 15,5 Prozent angehoben wurde. Der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) plant ein neues Versorgungsgesetz, um den Ärztemangel auf dem Land zu mindern. Im Wesentlichen sollen Ärzte mit einer eigener Praxis höhere Honorare erhalten, wenn sie aufs Land ziehen. Eben jene Honorarerhöhung könnte sich für Versicherte negativ auswirken. Schließlich werden die höheren Gesundheitskosten an die Kassenmitglieder weiter gegeben.
In einem Interview mit „Welt Online“ betonte der Minister, dass man dafür sorgen wolle, den Mangel an Ärzte auf dem Land aufzuheben. Hierfür müssten Anreize für Mediziner geschaffen werden. Schließlich, „müssen wir dafür sorgen, dass es wieder mehr Ärzte gibt", so Rösler. Ganz anders sieht es der Bundesverband der Krankenkassen. Vor allem in Städten herrsche eine regelrechte Überversorgung. Die Arztdichte ist so hoch, dass es eigentlich 25.000 Ärzte zu viel gebe. Auf dem Land hingegen fehlten gerade einmal 800 Ärzte statt der von Rösler genannten Zahl von 20.000. Eine bessere Strategie sei es, die Honorare innerhalb der Ärzteschaft umzuschichten, sagte der stellvertretende GKV Vorsitzende Johann-Magnus von Stackelberg gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen“. "Wenn man den so genannten Landärzten mehr Geld geben möchte, dann muss man innerhalb der Ärzteschaft umschichten." Das bedeutet, die Krankenkassen schlagen vor, die Ärzte-Honorare in den Städten zu kürzen und den Landärzten höhere Vergütungen zu gewähren.
Doch die Bundesregierung will von derartigen Vorschlägen nichts hören. Im Gegenteil, statt dessen sind Mehrausgaben in Millionenhöhe geplant. „Krankenhäuser in unterversorgten Gebieten sollen einen finanziellen Anreiz dafür bekommen, wenn sie Assistenzärzte in der Allgemeinmedizin ausbilden“, sagte der Gesundheitsminister. Zeitgleich sollen die Obergrenzen der Kassenausgaben für niedergelassene Zahnmediziner aufgehoben werden. Aus den Reihen der Koalitionen hieß es, hierfür müsse ein jährlicher Millionenbetrag in dreistelliger Anzahl aufgebracht werden. Der Nachrichtenagentur „dpa“ liegt mittlerweile ein entsprechendes Positionspapier der Bundesregierung vor. Darin heißt es unter anderem, dass Ärzte höhere Fördermittel erhalten sollen, wenn sie in einer Stadt mit einer hohen Arztdichte eine Praxis aufgeben und statt dessen auf dem Land eine eröffnen. Genaue Beträge sind in dem Papier allerdings nicht genannt. Auch hier dürften aber die Fördergelder in die Millionen gehen. Im März diesen Jahres will die schwarz-gelbe Koalition innerhalb ihrer Kreise über den Entwurf Röslers verhandeln. Zeitgleich will der Bundesgesundheitsminister mit den Ländern in Verhandlungen treten.
Der Krankenkassenverband machte deutlich, dass die Ärzte bereits über sehr hohe Vergütungen verfügen. Im Schnitt verdient ein Mediziner mit eigener Praxis rund 169.000 Euro (nach Steuerabzug, Praxiskosten, inkl. Einnahmen durch Privatleistungen und Patienten). Das bedeutet ein Netto-Gewinn im Vergleich zum Vorjahr von rund 5000 Euro pro Jahr. Insgesamt müssen die Krankenkassen für Ärztehonorare über 33,4 Milliarden Euro aufbringen. Das sind geschätzte 1,3 Milliarden Euro mehr, als noch 2010.
In diesem Zusammenhang kritisierte der Vize-Verbandschef der Allgemeinen Ortskrankenkassen AOK, Jürgen Graalmann die Unzuverlässigkeit der Regierung in Sachen Vereinbarungen. So sagte dieser gegenüber dem „Handelsblatt“: „Wir haben darauf vertraut, dass die Union ihre Ankündigung einhalten wird, die Beitragszahler nicht für zusätzliche Honorarerhöhungen bei Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern zu belasten.“ Nun aber gebe man dem Druck der Ärztelobby nach, so Graalmann.
Es gab noch nie so viele Ärzte, wie es jetzt der Fall ist, mahnte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Thomas Ballast. In der Zeit von 1993 bis 2009 ist die Anzahl der Ärzte von 104.600 auf 137.400 gestiegen. Ballast forderte, dass Ärzte mit einer Kassenzulassung stets gesetzlich Versicherte behandeln müssen. Kürzlich hatte nämlich der Verband der HNO-Ärzte seine Mitglieder dazu aufgefordert, weniger Kassenpatienten zu behandeln, um mehr private Zusatzleistungen verkaufen zu können.
Müssen die Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen, so müssen die Versicherte die Beitragslast selbst tragen. Denn das paritätische Prinzip wurde zum Jahresbeginn im Zuge der Gesundheitsreform aufgehoben. Der Arbeitgeberanteil wurde bis auf weiteres eingefroren. (sb)
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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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