Berliner Charité: Zentrum für Seltenen Erkrankungen eröffnet
01.03.2011
An der Berliner Charité wurde am Montag das Zentrum für Seltene Erkrankungen eröffnet. Als deutschlandweit fünfte Einrichtung dieser Art widmet sich nun auch in Berlin ein Behandlungszentrum explizit den Seltenen Krankheiten.
Seltene Erkrankungen (engl. orphan diseases) ist ein Sammelbegriff für alle Krankheiten unter denen nach Definition der EU weniger als einer von 2.000 Menschen (weniger als 5 von 10.000 Personen) leidet. Aufgrund der geringen Anzahl von Patienten mit den entsprechenden Erkrankungen existieren bei den Seltenen Krankheiten häufig erhebliche strukturelle Problemen in der Patientenversorgung, der Diagnose und Behandlung. Um diese Missstände zu beheben wurde am offiziellen europäischen Tag der Seltenen Erkrankungen (28. Februar 2011) an der Berliner Charité das Zentrum für Seltene Erkrankungen eröffnet.
Seltenen Erkrankungen meist chronische lebensbedrohliche Krankheiten
Laut Aussage der „Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen“ und anderer Selbsthilfeverbände sind Seltene Krankheiten meist lebensbedrohliche, chronische Erkrankungen, die mehrere Organsysteme betreffen und dringend interdisziplinäre Behandlungsansätze erfordern, um eine adäquate medizinische Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Ein Großteil der Seltenen Erkrankungen (rund 80 Prozent) wird nach Aussage der Experten durch genetische Ursachen bedingt. In dem neuen Zentrum für Seltene Erkrankungen werden „moderne Verfahren der Genomanalyse (…) helfen, seltene Erkrankungen besser und schneller diagnostizieren zu können“ erklärte der Direktor des Instituts für Medizinische Genetik und Humangenetik an der Charité, Stefan Mundlos. Durch die Kombination von diagnostischer und klinischer Expertise, sowie eine intensivere Beratung der Ärzte vor Ort, sollen die strukturellen Probleme bei der Patientenversorgung künftig behoben werden. Das neue Zentrum an der Berliner Charité setzt dabei vorerst den Schwerpunkt eher auf seltenen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, wird sich jedoch in Zukunft zunehmend auch der Versorgung erwachsener Patientinnen und Patienten widmen.
Spezialzentren bieten fachübergreifende Versorgung
Neben den Spezialzentren für Seltene Erkrankungen in Freiburg, Tübingen, Frankfurt (Main) und Bonn widmet sich nun auch an der Berliner Charité eine entsprechende Einrichtung fachübergreifend der Diagnose, Therapie und Forschung zu den Seltenen Krankheiten. So soll vor allem betroffenen Kindern und ihren Eltern die teilweise jahrelange Odyssee von Facharzt zu Facharzt künftig erspart werden, betonte der Direktor des Instituts für Medizinische Genetik und Humangenetik. Das Zentrum soll auch Ansprechpartner für Fach- und Kinderärzte mit Informationsbedarf sein und als Schnittstelle zwischen Praxis und Grundlagenforschung fungieren. Trotz der Eröffnung von bisher fünf Spezialzentren für Seltene Krankheiten und der geplanten Eröffnung einer weiteren Einrichtung in Heidelberg, konnte das Problem der unzureichenden Forschungsförderung allerdings bislang nicht behoben werden, betonte die Charité-Dekanin Annette Grüters-Kieslich. Zwar unterstützte anlässlich des internationalen Tages der Seltenen Erkrankungen zum Beispiel die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung mit ihrem Forschungspreis in Höhe von 50.000 Euro erneut die Erforschung von Seltenen Erkrankungen, doch insgesamt besteht hier nach Aussage der Charité-Dekanin noch erheblicher Nachholbedarf.
Forschungsdefizit im Bereich Seltener Erkrankungen
So bereiten nicht nur die fehlenden Diagnose- und Behandlungsstandards bei den Seltenen Erkrankungen extreme Schwierigkeiten, sondern auch das fehlende Forschungsinteresse. Denn die Pharmaunternehmen machen aufgrund der geringen Absatzchancen auf dem Gebiet der Seltenen Krankheiten kaum Bemühungen zur Entwicklung neuer Medikamente und Therapien. Denn in der Summe leiden an den Seltenen Krankheiten allein in Deutschland zwar mehr als vier Millionen Menschen (europaweit etwa 30 Millionen), doch bei jeder einzelnen Krankheit für sich betrachtet sind die Patientenzahlen äußerst gering. Die Spanne reicht hier von einem je 2.000 Einwohner bis hin zu einem je Hunderttausend. So lässt sich mit den entsprechenden Präparaten zum Beispiel im Vergleich zu den sogenannten Volkskrankheiten kaum Geld verdienen und entsprechend gering ist das Forschungsinteresse der Pharmaunternehmen. Aus diesem Grund haben einige Staaten und die EU bereits Verordnungen und Gesetze erlassen, welche zur Verbesserung der Forschung im Bereich der Seltenen Krankheiten beitragen sollen. Beispielsweise erhalten Pharmaunternehmen, die neue Arzneimittel zur Behandlung Seltener Krankheiten entwickeln, in der EU und den USA Erleichterungen bei deren Zulassung und Vermarktung. (fp)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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