Bundesausschuss schränkt Diabetes Teststreifen Verordnung ein
19.03.2011
Diabetiker, die keiner Insulinpflicht unterliegen, müssen zukünftig Blutzuckerspiegel- und Harnteststreifen aus eigener Tasche bezahlen. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen wird es voraussichtlich ab Oktober diesen Jahres nicht mehr geben. Darauf verständigte sich der Gemeinsame Bundesausschuss aus Arzneimittel-Experten, Medizinern und Krankenkassen am Donnerstag. Ein medizinischer Nutzen der Selbstmessung sei nicht gegeben, so die Begründung.
Keine Erstattung von Teststreifen bei oraler Therapie
Diabetes Patienten, die keiner Insulinpflicht unterliegen, sondern oral medikamentös behandelt werden, erhalten zukünftig keine Erstattung der Kosten für Blutzuckerspiegel-Teststreifen. Das beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss aus Vertretern der Krankenkassen, Arzneimittelexperten und Ärzten. Grundlage für diese Entscheidung bildete ein Gutachten des Instituts für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG). Das Institut gelangte zur Ansicht, dass Diabetes-Teststreifen keinen medizinischen Indikator für die Diabetes Behandlung darstelle. Ärzte können zukünftig nur noch Teststreifen verordnen, wenn beispielsweise durch die Umstellung eines speziellen Arzneimittels die Blutwerte regelmäßig kontrolliert werden müssen, um eventuelle Begleiterscheinungen auszuschließen. Eine fortlaufende Messung der Werte erbringe allerdings keinen Nutzen im Sinne der Diabetes Therapie. Von den rund 4,5 Millionen Diabetes-Patienten in Deutschland sind etwa drei Millionen Patienten von der Neuregelung betroffen.
Beschluss gilt voraussichtlich ab Oktober 2011
Der Verordnungsausschluss soll bereits ab dem vierten Kassenquartal 2011 in Kraft treten, wie Dr. med. Rainer Hess bestätigte. Bei Patienten, die Insulin spritzen, gilt die Einschränkung nicht. Für diese Patientengruppe werden die Krankenkassen weiterhin eine Kostenerstattung vornehmen, wie der Bundesausschuss versicherte.
Teststreifen Kostenerstattung in Ausnahmefällen
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Berlin hat einzelne Ausnahmeregelungen geschaffen, bei denen trotz einer oral verordneten Therapie eine Kostenübernahme weiterhin gestattet ist. Die Ausnahme gilt beispielsweise für schwangere Frauen, die an einer Schwangerschaftsdiabetes erkrankt sind. Liegt eine instabile Stoffwechsellage vor, können Ärzte je nach Indikatoren 50 Teststreifen erstattungsfähig verschreiben. Diskutiert wird, ob eine Erstgattungspflicht für Berufskraftfahrer oder Lokführer vorliege. Berufsfahrer sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Blutzuckerspiegel in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Der Ausschuss vertritt die Ansicht, dass es nicht die Aufgabe der Krankenkassen sein könne, hierfür finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Nach Ansicht von Patientenverbänden müsse auch überprüft werden, ob eingeschriebene Patienten im „Disease Management Programm“ von den Regelungen ausgenommen werden.
Patientengruppen und Verbände kritisieren Verordnungsausschluss
Kritisiert werden die Maßnahmen vor allem von Patientenverbänden und der Diagnostischen Industrie. So sagte der Verbandsvorsitzende Dr. Martin Walger, man habe mit Besorgnis das Ergebnis der G-BA zur Kenntnis genommen. „Hundetausenden Betroffenen werde das wichtigste Instrument zum Selbstmanagement ihrer Erkrankung aus der Hand genommen“ kritisierte Walger. Nun hofft man auf ein Einlenken des Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler (FDP). In letzter Instanz kann der Gesundheitsminister den Beschluss noch kippen. Schließlich können Diabetiker ohne Blutzuckerselbstkontrolle nicht mehr überprüfen, ob die eigene Lebensweise mittels Diäten oder Bewegungsprogrammen optimiert werden müsse. „Dem behandelnden Arzt fehlt ohne die Testergebnisse eine wichtige Grundlage zur Therapieanpassung", mahnte Walger. Die Blutzuckerteststreifen sind kein Arzneimittel, sondern ein wichtiges diagnostisches Instrument, dass die Grundlage für eine sinnvolle Therapie biete, so die Position des Verbandsgeschäftsführers.
Finanzielle Einbußen für Hersteller
Es geht auch um viel Geld. Die Branche erzielt mit dem Verkauf von Teststreifen jährlich einen Umsatz von rund 1,2 Milliarden Euro. Gelten die Streifen nicht mehr als Kassenleistung, könnten hohe Einbußen für die Hersteller folgen. Derzeit erbringen die Krankenkassen rund 900 Millionen Euro pro Jahr für Harn- und Blutzuckerteststreifen. (sb)
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Bild: Michael Horn / pixelio.de
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