Neuroprothese ermöglicht Greifen mit Gedankenkraft
23.03.2012
Forscher des Querschnittzentrums der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg haben einen neuen Prototyp vorgestellt, mit dem Querschnittsgelähmten verschiedene Bewegungen ermöglicht werden.
Die an dem internationalen Forschungsprojekte „Tobi“ (Tools For Brain Computer Interaction) beteiligten Wissenschaftler von zwölf europäischen Universitäten haben sich am Donnerstag in Würzburg getroffen, um über die aktuellen Erkenntnisse im Bereich der Schnittstellen zur Steuerung sogenannter Neuroprothesen zu diskutieren. Die Gehirn-Computer-Schnittstellen sollen Querschnittsgelähmten ihre Bewegungsfähigkeit mit Hilfe von Gedankenkraft ermöglichen.
Schon heute bieten unterschiedliche Neuroprothesen den Querschnittsgelähmten die Möglichkeit verschiedene Bewegungsfunktionen auszuführen, wobei die bisherigen Benutzerschnittstellen den Anforderung jedoch oft nicht gerecht werden. Häufig müssen die Querschnittsgelähmten zur Kontrolle der Prothesen unnatürliche Hilfsbewegungen ausführen, wie Beispielweise mit der linken Schulter zur Bewegung der rechten (Prothesen-) Hand.
Prothesen werden über Hirnströme gesteuert
Die Steuerung der Prothesen über Hirnströme, wird mit Hilfe einer sogenannten Elektrodenhaube erreicht, welche die Hirnströme an einen Computer weiterleitet, der anschließend per Elektrostimulation die Bewegungen ermöglicht. Bei den Schnittstellen habe die Wissenschaft „im Vergleich zu vor zehn Jahren riesige Fortschritte gemacht“ , erklärte Andrea Kübler von der Universität Würzburg. Die Expertin schränkte jedoch ein, das dies noch nichts sei, „was in den nächsten zwei Jahren auf dem Markt“ kommt. Derzeit machen „die Kappe und das Kontaktgel den Querschnittsgelähmten noch viel Arbeit, die Software ist zu kompliziert und die Übertragung der Hirnströme ist zu langsam“, so die von Kübler benannten Schwächen der heute verfügbaren Technik. Auch müssten die Schnittstellen kleiner, schneller, zuverlässiger und ein wenig schicker werden, damit sie den Ansprüchen der Patienten genügen können, betonte die Expertin.
Querschnittsgelähmte durch Gedankenkraft bewegungsfähig?
Prinzipiell können Patienten mit ihren Gedanken genau wählen, welches Körperteil sie bewegen möchten, erklärte Dr. Rüdiger Rupp vom Querschnittzentrum der Uniklinik Heidelberg die Möglichkeiten der Gehirn-Computer-Schnittstellen. Schon vor knapp fünf Jahren wurde Dr. Rüdiger Rupp für seine Entwicklung einer Neuroprothesen, die mittels schwacher Muskelanspannungen oder sogar über Gedanken gesteuert werden kann, mit dem Konrad-Biesalski-Preis der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischen Chirurgie e.V. ausgezeichnet. Seither hat sich viel getan und die Steuerungsmöglichkeiten über die Benutzerschnittstellen wurden im Sinne der Querschnittgelähmten kontinuierlich verbessert. So scheint das Ziel, Querschnittsgelähmte mit Hilf ihrer Gedankenkraft wieder bewegungsfähig zu machen, in greifbare Nähe gerückt.
Verbesserung der Lebensqualität für Querschnittsgelähmte
Für die rund 1.800 Menschen, die pro Jahr in Deutschland eine Querschnittslähmung erleiden, sind die Fortschritte im Bereich der Neuroprothese ein mögliches Hoffnungssignal. Denn „bei Hoch-Querschnittgelähmten bedeutet jede Form der Verbesserung der Greiffunktion einen wesentlichen Gewinn an Lebensqualität“, so die Aussage von Dr. Rupp zur Motivation seiner Arbeit bei der Preisverleihung im Jahr 2008. Die Steuerungsmöglichkeiten über die Gehirn-Computer-Schnittstellen könne darüber entscheiden, „ob ein Querschnittgelähmter sein Leben selbständig meistern kann oder lebenslang vollständig auf fremde Hilfe angewiesen ist.“ (fp)
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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