Alzheimer: Verringerung der Hirnsubstanz Jahre vor dem Krankheitsausbruch
15.04.2011
Morbus Alzheimer lässt sich bereits Jahre vor dem Krankheitsausbruch an einer Verringerung der Hirnsubstanz in bestimmten Hirnarealen ablesen, berichten US-Wissenschaftler der Harvard Medical School / Boston, des Massachusetts General Hospital / Boston und des Rush University Medical Center / Chicago in der Fachzeitschrift „Neurology“.
Alzheimer als verbreitetste Form der Demenz-Erkrankungen wäre bei Entwicklung entsprechender Diagnoseverfahren schon knapp ein Jahrzehnt vor Krankheitsausbruch erkennbar, erklärten Bradford Dickerson von der Harvard Medical School und Kollegen. Denn die Untersuchungen der US-Forscher haben ergeben, dass durch die verminderte Hirnsubstanz in bestimmten Hirnregionen ein dreifach höheres Erkrankungsrisiko für Alzheimer bedingt wird. So könne die Hirnsubstanz als Marker für das zukünftige Alzheimer-Risiko der Betroffenen gewertet werden, erklärten die US-Wissenschaftler.
MRT-Aufnahmen zur Feststellung der Hirnsubstanz
Im Rahmen ihrer Alzheimer-Studie hatten die US-Forscher rund 60 Menschen untersucht und über einen Zeitraum von sieben bis elf Jahren begleitet. Teilnehmen durften ausschließlich Personen im Alter über 70 Jahren, die zu Studienbeginn nicht unter Gedächtnisstörungen litten und keine anderen Anzeichen von Alzheimer aufwiesen. Dabei wurde eine Gruppe mit 33 Probanden über elf Jahre begleitet, eine zweite mit 32 Teilnehmer über durchschnittlich sieben Jahre. In der ersten Gruppe erkrankten acht Teilnehmer an Alzheimer, in der zweiten Gruppe entwickelten sieben entsprechende Symptome. Die US-Forscher hatten im Rahmen ihrer Studie mit dem Magnetresonanztomografen (MRT) Bilder des Gehirns gemacht, um mögliche Zusammenhänge mit späteren Alzheimer-Erkrankungen der Studienteilnehmer zu ermitteln. Dabei konzentrierten die US-Forscher ihre MRT-Untersuchungen auf bestimmte Hirnregionen, die bei früheren Studien bereits in Zusammenhang mit Alzheimer gebracht wurden. Anhand der MRT-Aufnahmen konnten Bradford Dickerson und Kollegen anschließend auch die Größe bzw. Masse der entscheidenden Hirnregionen bestimmen.
Zusammenhang zwischen Größe der Hirnmasse und Alzheimer
In den kommenden Jahren ihrer Alzheimer-Studie stellten die US-Forscher fest, dass offenbar ein Zusammenhang zwischen der Größe bestimmter Hirnstrukturen (z. B. Hippocampus), und dem Risiko einer Alzheimer-Erkrankung besteht. So seien sechs von elf Studienteilnehmern (55 Prozent), die auf den MRT-Bildern besonders kleine Hirnstrukturen aufwiesen, im Verlauf der Studie an Alzheimer erkrankt. Von den neun Studienteilnehmern mit der größten Hirnmasse in den entsprechenden Hirnregionen, habe keiner eine Alzheimer-Erkrankung entwickelt. Von den Studienteilnehmern mit durchschnittlicher Hirnsubstanz hätten 20 Prozent Alzheimer-Symptome aufgewiesen, berichten die US-Forscher. Die Studienteilnehmer mit sehr kleinen Hirnstrukturen seien jedoch nicht nur besonders häufig an Alzheimer erkrankt, sondern die neurodegenerative Krankheit trat bei ihnen außerdem deutlich schneller auf als bei den übrigen Studienteilnehmern, erklärten die Wissenschaftler.
Neue Diagnoseverfahren zur Alzheimer-Früherkennung?
Auf Basis ihrer aktuellen Ergebnisse hoffen die US-Forscher künftig durch MRT-Messungen der Hirnsubstanz das individuelle Alzheimer-Risiko von Patienten feststellen zu können. Allerdings seien alle bisherigen Resultate „vorläufige Ergebnisse, die noch nicht außerhalb von Studien angewendet werden können“, erklärte Studienautor Bradford Dickerson. Die US-Forscher zeigten sich jedoch optimistisch schon bald die Größe von bestimmten Hirnarealen als Marker für mögliche Alzheimer nutzen zu können. Bei Entwicklung eines entsprechenden Diagnoseverfahrens könnte die neurodegenerative Erkrankung fortan deutlich früher als bisher erkannt werden, was nach Aussage der Experten für die Betroffenen besonders wichtig wäre. Denn eine Heilung von Alzheimer ist auf Basis des aktuellen medizinischen Forschungsstandes nicht möglich, wohl aber eine Verzögerung des Krankheitsverlauf. So könnten bei entsprechend frühzeitiger Diagnose im Sinne der Patienten noch mehrere Jahre gewonnen werden, in denen diese alltagsfähig bleiben, erklärten die US-Wissenschaftler.
Massive Zunahme von Demenz und Alzheimer
Die Ergebnisse der US-Forscher zur Alzheimer-Früherkennung sind vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in den Industrienationen von besonderer Bedeutung. Denn die Zahl der Alzheimer- und Demenz-Erkrankungen wird im Zuge des demografischen Wandels in den kommenden Jahren voraussichtlich massiv steigen. Schon heute leiden in Deutschland den Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zufolge rund 1,2 Millionen Menschen an Demenz, wobei zwei Drittel der Patienten eine Alzheimer-Erkrankung aufweisen. Die Prognosen zeichnen jedoch ein noch weit düsteres Bild: Bis 2050 wird sich die Zahl der Betroffenen den Aussagen der Experten zufolge verdoppeln. Neue Methoden zur Früherkennung könnten hier außerordentlich hilfreich bei der Einleitung entsprechender Gegenmaßnahmen für die einzelnen Patienten sein. (fp)
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Bild: Gerd Altmann, Pixelio.de
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