Ab Montag streiken Pflegekräfte in der Berliner Charité: Auch Rettungsstellen und Intensivmedizinische Stationen sind vom Arbeitsausstand betroffen.
30.04.2011
Ab Montag beginnt im Universitätsklinikum Charité Berlin ein Streik der Pflegekräfte. In einer Urabstimmung der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatten die Angestellten der Klinik mehrheitlich für einen Streik gestimmt. Wie die Klinikleitung am Freitag in einer Presseerklärung mitteilte, gilt der Streik zunächst unbefristet. Das bedeutet, kommt es nicht zeitnah zu einer Einigung zwischen den Tarifparteien, so werden die Streikaktionen mindestens mehrere Tage anhalten.
Unbefristeter Streik betrifft auch Ambulanzen und Notfall-Einrichtungen
Ab Montag den 2. Mai treten die Pflegekräfte der Charité in einen unbefristeten Streik. Betroffen von dem Streik sind vor allem die Rettungsdienste, Ambulanzen und der stationäre Pflegebereich. Nach Verlautbarungen des Klinikums sind auch die Notfall-Ambulanzen, Intensivstationen und Rettungsstellen von dem Streik der Beschäftigten betroffen. Zwar hatten sich die Kontrahenten darauf verständigt, dass dringend notwendige medizinische Maßnahmen wie Notfalloperationen durchgeführt werden, allerdings wird die Personalstärke der Pflegebediensteten auf das Besetzungsniveau der Wochenendschichten beschränkt. Nicht dringend erforderliche Operationen und diagnostische Untersuchungen werden in Absprache mit den Patienten zeitlich verschoben. Wer dennoch eine Behandlung in Anspruch nehmen muss oder will, sollte entweder auf eine anderes Krankenhaus ausweichen oder sich auf sehr lange Wartezeiten einstellen. Neben der Charité soll auch das Virchow-Klinikum bestreikt werden. Auch hier kann es zu zeitlichen Einschränkungen der Behandlungen kommen. Für Anfragen von Patienten zum Streik und zur Versorgung hat die Charité unter der Telefonnummer: 030/450 550 500 ein Infotelefon geschaltet.
Notdienstvereinbarung soll Schaden von Patienten verhindern
Mit der zuvor getroffenen Notdienstvereinbarung wollen die Klinikleitung und die Gewerkschaften allerdings verhindern, dass ab Montag Patienten unter Umständen einen gesundheitlichen Schaden erleiden. Bevor der Streik am Montag beginnt, hatten sich die Parteien auf eine Vereinbarung verständigt, um die Versorgung von Erkrankten im Notfall abzusichern.
Rettungsdienste werden ab Streikbeginn andere Kliniken ansteuern
Die Charité-Leitung hat Rettungsdienste und Feuerwehren bedingt durch die Verdi-Aktionen gebeten, Patienten vorrangig in andere Berliner Krankenhäuser zu transportieren. Auch der Berliner Senat für Gesundheit hat am Freitag alle weiteren Berliner Kliniken informiert, dass es zu vermehrten Notfallbehandlungen von Patienten kommen könne, weil Rettungskräfte statt der Charité andere Notfallambulanzen anfahren. Eine Sprecherin der Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) machte darauf aufmerksam, dass es zwar ein Recht auf Streikaktionen gibt, „die Patientenversorgung aber nicht unter dem Arbeitskampf leiden dürfe“. Der Berliner Senat befinde sich derzeit in ständigen Gesprächen mit den Tarifparteien, einen direkten Einfluss könne die Senatsverwaltung allerdings nicht nehmen, wie die Senatssprecherin mitteilte.
Mehrheit der Beschäftigten stimmten für den Streik
Über 92 Prozent hatten in einer Urabstimmung für Streikaktionen gestimmt. Die Beschäftigten fordern für alle drei Standorte des größten Universitätsklinikums 300 Euro mehr Bruttolohn für alle Pflegebedienstete, eine Angleichung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten aus Ost und West, insgesamt verbesserte Arbeitsbedingungen und eine höhere Entlohnung für Auszubildende. In einer Gewerkschaftserklärung heißt es, dass der Streik auch im Sinne der Patientensicherheit geführt werde. Denn nicht der geplante Streik, sondern der momentan vorherrschende Normalbetrieb gefährde die Gesundheit der Patienten. Die Angestellten beklagen unter anderem eine ständige personelle Unterbesetzungen in den Ambulanzen und den Stationen. Zudem ist der Durchschnittslohn noch immer um 14 Prozent niedriger als gemessen am Bundesdurchschnitt.
Politiker aller Parteien zeigen Verständnis
Der gesundheitspolitische Sprecherin der Berliner FDP, Kai Gersch, zeigte Verständnis für die Forderungen der Pflegekräfte. Beide Tarifparteien sollten jedoch eine Eskalation des Arbeitskampfes vermeiden, um Patienten baldmöglichst wieder ein „Maximum an Versorgung zu gewährleisten“. Die Charité solle nicht nur auf „finanzielle Zwänge verweisen“, gleichzeitig aber dringend notwendige Veränderungen der Klinikstrukturen unterlassen. An erster Stelle müsse die Sicherheit der Patienten stehen, so der FDP Politiker.
Auch die Gesundheitsexpertin der Grünen, Heidi Kosche, unterstützt die Forderungen der Gewerkschaften. Problematisch sei jedoch, dass auch die Notfallstellen von den Aktionen betroffen sind. „Gerade hier ist die Situation auch ohne Streik schon sehr angespannt“, mahnte die Grünen-Politikerin. Leider müsse es erst zu unhaltbaren Zuständen kommen, bis Verantwortliche ins Handeln kommen.
Gewerkschaft verteidigt Streik in den Notfallstellen
Eine Sprecherin der Gewerkschaft Verdi verteidigte den Ausstand der intensivmedizinischen Bereiche sowie der Notfallambulanzen. Zum einen könnten Patienten auf andere Ambulanzen ausweichen und zum anderen haben auch die Pflegebediensteten der Intensivstationen ein Anrecht auf Arbeitskampf, wenn die Arbeitsbedingungen unzumutbar werden. Wer trotzdem Behandlungen in der Charité in Anspruch nehmen will oder muss, sollte sich ab Montag auf sehr lange Wartezeiten einrichten.
Klinik sieht kaum Spielraum zur Einigung
Ein Einlenken der Klinikleitung ist bis dato nicht in Sicht. „Wir bedauern diese Eskalation und gehen davon aus, dass die Streikenden gemeinsam mit uns alles vermeiden werden, was Patienten schadet“, erklärte das Vorstandsmitglied Prof. Frei. Derzeit habe man als Klinikum "kaum Spielraum", um auf das vorgelegte Angebot von Verdi einzugehen. "Wir befinden uns im Schraubstock zwischen dem Anliegen der Mitarbeiter und den Vorgaben der Politik", sagte Frei. Der Senat hatte die Klinikleitung angewiesen, in diesem Jahr keine finanziellen Verluste mehr zu machen. (sb)
Bild: Copyright Charité-Universitätsmedizin Berlin
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