Genvariante entdeckt: Erhöhtes Krankheitsrisiko für Schlanke
27.06.2011
Eine bestimmte Genvariante beeinflusst maßgeblich die Bildung von Körperfett sowie das Risiko von Diabetes und Herzkrankheiten. Die gleichen Erbanlagen, die Menschen eher schlank machen, sind für gesundheitlich bedenklich Blutzucker- und Cholesterinwerte verantwortlich und erhöhen auf diese Weise das Risiko von Herzkrankheiten und Diabetes, so das in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature Genetics“ veröffentlichte Studienergebnis einer internationalen Forschergruppe unter Leitung von Ruth Loos vom Medical Research Council (MRC) in Cambridge, UK.
Übergewicht gilt als einer der wesentlichen Risikofaktoren für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Umkehrschluss wurde schlanke Menschen ein generell geringeres Erkrankungsrisiko unterstellt. Doch das internationale Forscherteam hat bei der Analyse der Erbanlagen von mehr als 76.000 Menschen festgestellt, dass eine bestimmte Genvariante gleichzeitig zu einem geringeren Körperfettanteil sowie einem erhöhten Diabetes- und Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisikos beiträgt. So könnten schlanke Menschen tatsächlich einem ähnlich hohen Gesundheitsrisiko unterliegen wie übergewichtige oder adipöse Personen, berichten Ruth Loos und Kollegen im Fachjournal „Nature Genetics“.
Geringerer Körperfettanteil, gestiegenes Krankheitsrisiko
Bei ihren Untersuchungen ist die internationale Forschergruppe auf eine bestimmte Genvariante gestoßen, die sowohl einen geringeren Körperfettanteil als auch ein erhöhtes Diabetes– und Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko mit sich bringt. Die aktuellen Studienergebnisse stehen im Gegensatz zu der bisherigen Annahme, dass schlanke Menschen generell einem geringeren Risiko für Herzkrankheiten und Diabetes unterliegen. Die neuen Erkenntnisse bieten jedoch auch eine Erklärung dafür, warum manchen Menschen, trotz massivem Übergewicht, nicht erkranken und warum Schlanke ebenfalls einem erhöhten Diabetes- und Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko ausgesetzt sein können, so die Aussage der Experten. Bei der Auswertung der Daten 26 unterschiedlicher Studien aus zehn verschiedenen Ländern haben die Forscher die Erbanlagen von über 76.000 Menschen genauer unter die Lupe genommen und dabei eine Variante des Gens IRS1 entdeckt, die maßgeblich zu Reduzierung des Körperfettanteils beiträgt, jedoch gleichzeitig eine Erhöhung des Blutzucker- und Cholesterinspiegels bewirkt, wodurch das Risiko von Diabetes und Herzerkrankungen deutlich steigt. Die Forscher vermuten, dass die Genvariante nur die Menge des Unterhautfettgewebes reduziert, jedoch die Fetteinlagerung in den Organen nicht verhindert.
Fetteinlagerung in den Organen
So bilden sich die Fetteinlagerung statt an den sichtbaren Körperstellen, bei den Personen mit der speziellen Genvariante eher in den Organen, was die genannten gesundheitlichen Risiken mit sich bringe, erklären die Forscher. „Wir wissen es noch nicht ganz sicher, nehmen aber an, dass diese Menschen das Fett an anderen Stellen einlagern, etwa in der Leber oder den Muskeln“, erläuterte Ruth Loos. Die Betroffenen wirken Schlank, unterliegen jedoch ebenfalls erhöhten Diabetes- und Herzkrankheitsrisiken. Denn die entdeckte Genvariante beeinflusst „nicht nur die Gesamtmenge, sondern auch die Art des Fetts im Körper“, so die Forscherin weiter. Ruth Loos erklärte, dass den Wissenschaftlern eine „wahrhaft faszinierende“ Entdeckung gelungen sein, als sie „die unerwarteten Effekte dieses Gens untersuchten.“ Vor allem Männer mit einer speziellen Variante des Gens IRS1 wiesen generell einen geringeren Körperfettanteil auf, litten jedoch überproportional häufig an Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen. Ihre Studie belege, dass „nicht nur übergewichtige Menschen, empfänglich für diese Leiden sind“, sondern auch Schlanke mitunter einem erhöhten Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisiko ausgesetzt sind, berichtet Ruth Loos vom MRC.
Auswirkungen der Genvariante geschlechtsspezifisch unterschiedlich
Das die Auswirkungen der speziellen Genvariante bei Männern und Frauen äußerst unterschiedlich ausfielen, führen die Experten auf eine generell unterschiedliche Körperfettbildung bei den Geschlechtern zurück. Männer tendieren natürlicherweise weniger dazu Fettpolster zu bilden als Frauen, so dass die Auswirkungen der entdeckten Genvariante bei ihnen besonders folgenschwer seien können, erklärte die MRC Forscherin Loos. Darüber hinaus warnen die Experten davor, angesichts der aktuellen Studienergebnisse jegliche gesundheitliche Risiken auf die Erbanlagen abzuwälzen und dementsprechend der Eigenverantwortung nicht gerecht zu werden. Nach wie vor bilden laut Aussage der Experten das Ernährungsverhalten und die körperlichen Aktivitäten wesentliche Einflussgrößen in Bezug auf das Diabetes- und Herzkrankheitsrisiko. Zwar würden die Gene „uns für bestimmte Krankheiten empfänglich machen“, das Essverhalten und die körperliche Bewegung spielen jedoch für die Gesundheit „ebenfalls eine große Rolle“, betonte Ruth Loos. Die Empfehlungen zu einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßigen körperlichen Aktivitäten bleiben weiterhin bestehen, sollten jedoch für schlanke Personen mit der speziellen Genvariante umso mehr gelten, so das Fazit der Experten. (fp)
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Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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