DAK Studie unter Kinderärzten: Die Gesundheit der Kinder in Deutschland leidet
06.07.2011
Um die Gesundheit der Kinder in Deutschland steht es anscheinend schlecht. Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter Adipositas, psychischen Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten. Kinderärzte schlagen in einer Studie der DAK Alarm und fordern verbesserte und zeitgemäßere Vorsorgeuntersuchungen.
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde und trotzdem verschlechtert sich anscheinend die Gesundheit der Kinder im zunehmenden Maße. Das jedenfalls berichteten Kinderärzte während einer Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse DAK. Diese befragte die Mediziner nach ihren Einschätzungen und Erfahrungen der letzten Jahre. Im Gesamtergebnis wurde sehr schnell deutlich, dass sich die Kindergesundheit in den letzten zehn Jahren deutlich verschlechtert hat. Besonders gravierend sind nach Angaben der DAK die gesundheitlichen Verschlechterungen bei den Grundschülern zu beobachten. Nach Ansicht der Ärzte sind Kinder im Alter von 6 bis 8 Lebensjahren besonders betroffen, da sich in dieser Altersspanne am deutlichsten eine zunehmende Verschlechterung des Gesundheitszustandes deutlich mache.
Kinder bewegen sich kaum und ernähren sich vielfach ungesund
Während der Umfragestudie wurden bundesweit etwa 100 Fachärzte für Kindergesundheit befragt. Die Mediziner füllten vorgefertigte Fragebögen aus und berichteten so anonymisiert über ihre Praxiserfahrungen. Die meisten Mediziner konnten dabei einen eindeutigen Trend beobachten, der sich schnell zusammenfassen lässt. Die Kinder ernähren sich immer ungesünder, bewegen sich kaum noch aktiv und verbringen einen Großteil ihrer Freizeit vor dem Fernseher oder Computer. Zudem würden sich Eltern immer weniger als konkrete Vorbildcharaktere anbieten, weil sich zu sehr mit sich selbst oder dem Berufsleben beschäftigt sind. Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der Kinderärzte gab an, dass Eltern sich kaum oder gar schlecht als Vorbildfunktion eignen würden.
Die Krankenkasse DAK zeigte sich angesichts dieser Zahlen besorgt. „Die Einschätzung der Kinderärzte ist alarmierend“ betonte DAK Ärztin Dr. Christina Sewekow. Die gesundheitliche Erziehung der Kinder muss in Deutschland eine „stärkeres Gewicht bekommen“, betonte Sewekow. Die Expertin schloss sich der Meinung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte an. Diese forderte unlängst eine intensivere Neuausarbeitung der Vorsorgeprogramme für Kinder. Die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen müsse demnach nicht ausgeweitet werden. Vielmehr müssten neu hinzugekommene Aspekte wie Übergewicht und psychische Leiden mit aufgenommen werden, um stärker präventiv tätig zu werden. „Wichtig ist auch, Eltern und Schule mehr einzubinden“, erklärt Dr. Christina Sewekow. VielenEltern benötigen mehr Unterstützung, um ihre Kinder adäquater zu erziehen.
Kinder leiden gehäuft an Übergewicht und psychischen Erkrankungen
Schwerwiegend sind vor allem die psychischen Probleme und das zunehmende Übergewicht der Kinder. Über 50 Prozent der Mediziner gaben bei der Umfrage an, dass sich der Gesundheitszustand der Kinder eher (51 Prozent) bzw. deutlich (4 Prozent) seit dem Jahr 2000 verschlechtert habe. Über 97 Prozent der Ärzte stellten zudem fest, „dass vor allem psychische Probleme und Verhaltensauffälligkeiten zugenommen haben“. Im Bereich der psychischen Krankheiten sehen sogar 55 Prozent der Kinderärzte „einen starken Anstieg“. Ein weiteres Feld ist die Ernährungserziehung. Bereits im Grundschulalter treten die ersten gesundheitlichen Folgen einer Fehlernährung auf. Gut 95 Prozent der Ärzte sehen eine deutliche Zunahmen der Gesundheitsschäden bei Kinder aufgrund von Übergewicht. Laut einer Wissenschaftsstudie aus dem Jahre 2010 leiden etwa 14 Prozent aller Kinder an Übergewicht. Etwa sechs Prozent zeigten bereits in frühster Kindheit den Beginn einer krankhaften Adipositas. Weil sich Kinder aufgrund der Zunahme medialer Gegenstände wie Computer und Internet zu einseitig ihre Fähigkeiten ausbilden, leiden immer mehr Kinder auch an motorischen Defiziten. Eine vermehrtes Aufkommen von Sprach- und Höreinschränkungen konnten Mediziner vor allem bei den 3- bis 5-jährigen feststellen.
Verbesserte Vorsorgeprogramme gefordert
Im Zuge der Umfragestudie fordert der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland eine Reform der Vorsorgeprogramme. Die Schwierigkeiten und Probleme der Kinder seien heute andere, als noch 40 Jahren. Denn die Grundpfeiler der Programme wurden seit dem nicht mehr verändert. Aufgrund des Hinzukommen von weiteren Problematiken sind die sogenannten „U-Untersuchungen nicht mehr zeitgemäß“. Der Vorsitzende des Berufsverbandes, Dr. Wolfram Hartmann, forderte daher eine Wende in der Früherkennung. Demnach müsse man weg vom „alten Konzept der Früherkennung und hin zum Konzept der Verhinderung von Krankheitsentstehung, also zur primären Prävention“. Das Meinungs- und Forschungsinstitut Forsa führte im Auftrag der DAK im April 2011 eine bundesweite Umfrage unter 100 Kinder- und Jugendärzten durch. (sb)
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Bild: Dr. Stephan Barth / pixelio.de
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