Die Gesundheitsbranche bringt immer mehr Gesundheits-Applikationen fürs Iphone und Android-Betriebssysteme auf den Markt
08.07.2011
37 Prozent alle Internetuser suchen gelegentlich oder regelmäßig nach Symptomen und Krankheiten im Internet. Auch die Mobilfunk-Branche setzt verstärkt auf den vermeintlichen Gesundheitsrat per Applikation, den sogenannten Apps. Immer mehr Unternehmen der Gesundheitsbranche bieten medizinische aber auch naturheilkundliche Anwendungsprogramme für das Handy oder den Tablett-PC an. Allein der Apple Konzern vermeldet seit Eröffnung des Itunes "App-Store" vor gut 3 Jahren rund 15 Milliarden Downloads der Mini-Programme. Eine Vielzahl der Anwendungen entstammten auch aus dem Gesundheitssektor.
Web-affine Menschen, die aufgrund ihrer täglich sitzenden Haltung über das eine oder andere Symptom leiden, haben mit Sicherheit bereits die Google-Suche für das Auffinden von Krankheitsanzeichen oder Beschreibungen verwendet. Oftmals sind es Rückenschmerzen, Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen, die zur Eigenrecherche im Web animieren. Für manche wird die Eigendiagnose geradezu zur Sucht. Auch für diese Menschen hat die moderne Psychologie bereits einen Namen gefunden: die Cyberchonder, die sich „kränker google´n als sie in der Regel sind“.
37 Prozent der User suchen nach medizinischen Themen
Laut einer repräsentativen Umfrage des Hightech-Verbandes „Bitkom“ verwenden rund 37 Prozent aller Internetuser die Google-suche, um sich über Erkrankungen oder Beschwerdebilder zu informieren. Einen immer höheren Stellenwert nimmt dabei die gezielte Suche nach Arzneien und Behandlungsmethoden ein. Vor allem für Menschen mit seltenen Krankheiten ist das Internet mitunter die einzige weiterführende Quelle, um über Forschungsergebnisse oder Therapiemöglichkeiten zu recherchieren. Es verwundert daher kaum, dass die Branche ihr Angebot auch auf den Mobilfunk-Sektor ausweiten will und zunehmend Apps für Smartphones anbietet.
Gesundheits-Applikationen für Smartphones wie das Iphone
Das medizinische App- Angebot ist bisweilen inhaltlich ungeprüft, unübersichtlich aber dafür recht vielfältig. Besonders reichhaltig ist das Angebot in Apples „Itunes“ App-Store. Dort lassen sich beispielsweise Applikationen für einen Hörtest finden, Anwendungsprogramme zur Stärkung der Rückenmuskulatur, den allgemeinen Gesundheitscheck und natürlich jede Menge Diätprogramme unterschiedlichster Qualität. Ob die Programme etwas taugen, können die Nutzer bislang nur durch einen Blick auf die Erfahrungsberichte wage erkennen. Tatsächlich gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass Erfahrungsberichte trotz Sicherungen immer wieder auch gefälscht werden, um diese in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Ob die medizinischen Inhalte in der Realität seriös und fachgerecht sind, ist demnach nicht ganz einfach zu ermitteln. Bislang existiert kein unabhängiges Gütesiegel, dass sich nach festgelegten Standards orientiert. "Das ist ähnlich wie im Internet. Auch dort gibt es keine gesicherten Hinweise, dass die Inhalte einer Homepage korrekt sind", berichtet App- Entwickler Dr. Michael Hägele dem Hamburger Abendblatt. Hägele ist Medizin-Informatiker und hat bereits eine Vielzahl von Smartphone- Apps programmiert. Er selbst weiß davon, dass es in der Branche auch „schwarze Scharfe“ gibt, die nur daran interessiert sind, von den Anwendern die Daten zu erheischen. Im Anschluss werden diese Daten an Pharmaunternehmen oder andere Konzerne weitergegeben. Aus diesem Grund sollte man als Nutzer nicht leichtfertig seine intimsten Daten eingeben, vor allem dann nicht, wenn man von der Seriosität des Programms nicht überzeugt ist. Weder bei der Bundesärztekammer noch das Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (afgis) haben Planungen getroffen, um eine Zertifizierung einzuführen. Letztere bieten zu mindestens ein Gütesiegel für Betreiber von Gesundheitsseiten an.
Heilpraktiker, Ärzte und Datenschützer raten daher zur Vorsicht bei dergleichen Apps. Vor allem sollten diese Programme nicht zur Eigendiagnostik verwendet werden, um eigenmächtige Diagnosen zu beginnen. Ermöglicht eine App einen medizinischen Befund wie es bei Messung des Pulses der Fall ist, fällt diese zwar in die Kategorie „Medizinprodukte“ und wird nach EU-Richtlinien geprüft, die Zweckmäßigkeit ist dabei aber noch lange nicht eindeutig hergestellt. Laut eines Berichtes des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik wird ein Großteil der Apps als „Lifestyle Produkt“ bewertet. Ein CE- Kennzeichen benötigt das Programm dann nicht.
Der Programmierer Hägele betont in einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt, dass Apps mit Kontroll- und Diagnosemöglichkeiten nur als erste Information zu bewerten sei. Ein vollwertige Diagnostik könne nur ein Arzt durchführen und niemals ein Programm. Auch sollten Nutzer vor der Anwendung Rücksprache mit ihrem Arzt halten.
Applikationen sind kein Ersatz für Arztbesuche
Das Fazit zu den Anwendungen lässt sich leicht ziehen. Die Apps sollten im Großen und Ganzen als informatives Zusatzangebot verstanden werden. Viele Anwendungen bieten nützliche Informationen und sind sicherlich auch Unterstützung dabei, beispielsweise den Puls während sportlicher Aktivitäten zu kontrollieren. Andere Programme, bei denen man Beschwerden eingeben kann, um im Anschluss unterschiedliche vermeintlich „passende Krankheiten“ aufgelistet zu bekommen, sollten hingegen mit größter Vorsicht verwendet werden. Denn der medizinische oder therapeutische Rat kann nur durch einen Arzt oder ausgebildeten Therapeuten geschehen. Auch die persönlichen Daten sollten auf keinen Fall leichtfertig eingegeben werden. Diese werden in vielen Fällen dazu genutzt, dem Nutzer unzählige Werbepost oder Mails zuzustellen. (sb)
Bild: Harald Wanetschka / pixelio.de
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.