Regierung will Impfregeln wegen Zunahme der Masern-Fälle verschärfen
15.07.2013
Nachdem die Zahl der Masern-Fälle in den vergangenen Monaten vor allem in Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen deutlich zugenommen hat, wird die Forderung nach einer Impfpflicht in Deutschland immer lauter. Gesundheitsminister Daniel Bahr machte den Anfang. Jetzt sprechen sich auch der Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery und die Union für strengere Impfregeln aus. In der Bevölkerung scheint das Ansinnen ebenfalls immer mehr Befürworter zu finden. Jüngst ergab eine Umfrage im Auftrag der Krankasse DAK-Gesundheit, dass sich knapp 80 Prozent der Befragten für die Impfpflicht aussprechen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich zum Ziel gesetzt, die Masern möglichst bald auszurotten. Dem steht der derzeitige Masern-Ausbruch in Deutschland jedoch entgegen.
Verschärfung der Impfregeln schwer durchsetzbar
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hält eine Verschärfung der Impfregeln für notwendig. „Aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht ist eine Impfpflicht das einzig Sinnvolle", erklärte der Radiologe dem Nachrichtenmagazin „Spiegel". „Bei Masern handelt es sich um eine hochansteckende Erkrankung mit hohem Gefahrenpotential für die nichtgeimpfte Bevölkerung. Daher wäre es gut, wenn alle Kinder geimpft wären." Montgomery sieht jedoch gesellschaftspolitische Schwierigkeiten bei der Einführung einer Impfpflicht in Deutschland.
Immerhin sprachen sich 79 Prozent der Befragen einer DAK-Umfrage für die Impfpflicht aus. Wie groß der Zuspruch für die Pflicht zur Impfung in der Bevölkerung tatsächlich ist, werden die nächsten Wochen zeigen, denn das Thema bleibt brisant.
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte die Debatte um die Einführung einer Impfpflicht zur angestoßen, als er angesichts der steigenden Zahl der Masern-Fälle die Tatsache, dass viele Eltern ihre Kinder nicht Impfen lassen, als unverantwortlich bezeichnet hatte. Gegenüber dem „Spiegel“ erklärte der Minister, dass auch andere Maßnahmen zur Eindämmung der Masern geprüft würden wie die befristete Unterrichtsbefreiung von nichtgeimpften Schülern bei einem Ausbruch der Erkrankung. Bisher können nur erkrankte Kinder vom Unterricht ausgeschlossen werden. Zudem solle der Impfstatus eines Kindes zukünftig bereits bei der Aufnahme im Kindergarten abgefragt werden und nicht erst in der Schule, wie derzeit vorgesehen. Derartige Maßnahmen könnten jedoch erst nach der Wahl vom Bundestag verabschiedet werden.
„Grundsätzlich sollten nur Kinder, die geimpft sind, Kitas, Kindergärten oder Schulen besuchen dürfen", forderte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Anderenfalls würden andere Kinder, für die eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht in Frage komme, gefährdet werden.
Kritiker lehnen Impfpflicht ab
Viele Kritiker sehen in der Einführung einer Impfpflicht vor allem eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Eltern. Auch unerwünschte Nebenwirkungen einer Impfung bereiten einigen Eltern sorgen. Wie die Krankasse DAK-Gesundheit informiert, treten dauerhafte gesundheitliche Schäden jedoch nur bei einem von einer Million gegen Masern geimpften Kindern auf. Harmlose Nebenwirkungen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen sowie lokal an der Injektionsstelle auftretende Rötungen, Schmerzen und Schwellungen können wie bei allen Impfungen auftreten.
Die schweren Folgen, die eine Masern-Erkrankung haben kann, sind jedoch weitaus häufiger als die, die infolge einer Impfung auftreten. An der gefürchteten, stets tödlich verlaufenden subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) als Spätfolge einer Masern-Infektion erkrankt einer von 10.000 Patienten und an einer schweren Gehirnentzündung etwa einer von 1.000 Betroffenen. Darüber hinaus können weitere schwerwiegende Komplikationen bei Masern auftreten wie eine Lungenentzündung, die im schlimmsten Fall ebenfalls zum Tod des Patienten führen kann.
Jan Leidel, Leiter der ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch.-Instituts (RKI), spricht sich dennoch gegen eine Impfpflicht aus. Einem Impfzwang würde die Bevölkerung – wie jedem Zwang – mit Skepsis begegnen. Gegenüber der „FAS“ erklärte der Experte, dass es sinnvoller sei, vorhandene Möglichkeiten zu nutzen und besser aufzuklären. Jens Ackermann, Obmann der FDP im Gesundheitsausschuss, sagte gegenüber der Zeitung, dass eine Impfpflicht nicht durchsetzbar sei. „Sollen Eltern, die sich gegen die Impfung ihrer Kinder weigern, ins Gefängnis?" Auch Leidel fragte sich im Interview mit der Zeitung „Rheinische Post“, wie die Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Impfpflicht aussehen sollten.
Bild: Andreas Morlok / pixelio.de
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