Schlanke Version der elektronischen Gesundheitskarte gestartet
28.09.2011
Der Verband der gesetzlichen Krankenkassen teilte heute in Berlin mit, dass ab sofort die elektronischen Gesundheitskarten ausgegeben werden. Bis zum Jahresanfang 2012 sollen rund sieben Millionen Kassenpatienten die neue Krankenkassenkarte inklusive Chip und Bild zugestellt bekommen. Die Krankenkassen erhoffen sich durch die Umstellung eine verbesserte Gesundheitsversorgung der Patienten und Kosteneinsparungen in Millionenhöhe. Kritiker bemängeln weiterhin einen mangelnden Datenschutz. Aus diesem Grund wird es vorerst nur eine abgespeckte Version der digitalisierten Gesundheitskarte geben.
Lange wurde die elektronische Gesundheitskarte der gesetzlichen Krankenkassen angekündigt. Zuvor fanden zahlreiche Feldversuche statt, um die Leistung der neuen Kassenkarten zu prüfen. Einige kleinere Krankenkassen hatten im Verlauf des Jahres bereits an wenige Versicherte elektronische Gesundheitskarten ausgegeben, um die technischen Funktionsweisen und Praxisabläufe zu testen. Nun soll „ein neues Zeitalter im deutschen Gesundheitssystem“ beginnen, wie es in den Ankündigungen der gesetzlichen Krankenversicherungen heißt. Doch auch wenn der offizielle Start der Verteilung begonnen hat, ist weiterhin unklar, wann und wie die auf der Karte gespeicherten Informationen ausgetauscht werden.
Bis zum Jahresende sollen rund sieben Millionen Versicherte eine neue Gesundheitskarte erhalten. Nach Angaben des zuständigen Projektbeauftragten des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, Rainer Höfer, sei die neue Karte eines der „weltweit größten und bedeutendsten IT-Projekte“ unserer Zeit.
Datenschutzbedenken ließen sich noch vollständig ausräumen
Schon vor acht Jahren war die Einführung der neuen Chipkarte beschlossen worden. Die neue Karte soll eigentlich Notfalldaten wie etwa die Blutgruppe des Versicherten, chronische Leiden enthalten und zudem einen elektronischen Arztbrief speichern können. Bei einer Weiterentwicklung der Karte könnten demnach auch elektronische Arzneimittel-Rezepte, Organspende-Daten sowie die digitale Patientenakte auf der Kassenkarten zusätzlich hinterlegt werden. Immer wieder gab es hinsichtlich des Datenschutzes bedenken. Die freie Ärzteschaft und einige Datenschutzexperten hatten immer wieder kritisiert, dass vertrauliche medizinische Daten auf der Karte gespeichert und jederzeit ausgelesen werden können. Die Krankenkasse erhoffen sich allerdings mit dem Abspeichern der Patientendaten die Verhinderung von unnötigen Doppeluntersuchungen. Kritiker sagen, mit der Karte könnten künftig Arbeitgeber einen genauen Einblick über den gesundheitlichen Zustand des Arbeitnehmers erhalten und entsprechende Konsequenzen ziehen. Diese nicht unberechtigte Kritik, organisatorische Sachzwänge und technische Probleme hatten den Start der elektronischen Krankenkassenkarte immer wieder verzögert.
Um den Datenschutz zu gewährleisten wird eigens ein Schlüssel zur Datenheranziehung geschaffen. Das heißt für die Praxis, dass der Zugriff nur durch autorisierte Ärzte erfolgen kann, wenn diese über einen Zugangsschlüssel verfügen. Erhebliche Zweifel bleiben dennoch, weil die hochsensiblen Daten durch Umgehungsverfahren dennoch gestohlen werden könnten. Aufgrund der Datenschutzmängel wird zunächst nur eine sehr abgespeckte Variante an die Bürger verteilt, bis alle Unklarheiten beseitigt sind.
Online-Anbindung für elektronische Gesundheitskarte
Durch die elektronische Karte können künftig unnötige Untersuchungen vermieden werden. Zudem erhalten Mediziner beim Scannen der Karte eine größere Übersicht über den therapeutischen Verlauf bei Ärzten und Krankenhäusern und letztendlich können erhebliche Kosten im Gesundheitswesen gespart werden, wie der Kassen-IT-Experte Höfer betonte. Eigens hierfür soll die Gesundheitskarte mit dem Internet verbunden werden, damit die gespeicherten Daten besser unter Ärzten ausgetauscht werden können. Wann dies allerdings tatsächlich geschieht, ist noch ungewiss. Heute wollte man bei der Pressevorstellung keine konkreten Daten nennen. Mit einer Online-Anbindung für alle Ärzte und Kliniken rechnen Experten erst in frühestens 4 bis 5 Jahren. Denn auch hier müssen erst sichere Wege ergründet werden, die nicht durch Dritte eingesehen werden können.
Erste Versicherte haben bereits eine elektronische Kassenkarte
Erste Versicherte haben die neue Karte bereits erhalten. Im Gegenzug soll die alte Krankenkassenkarte an den Versicherer zurückgeschickt oder eigenhändig zerstört werden, wie Höfer erklärte. „Für die Versicherten ändert sich erst mal gar nichts.“ Nachdem das Projekt immer wieder ins Stocken geriet, machte die Politik Druck auf die beteiligten Projektgruppen aus Krankenkassen, Ärzteschaft und Kliniken. Die Krankenkassen müssen empfindliche Geldstrafen zahlen, wenn sie bis zum Jahresende 2011 noch keine neuen Versicherten-Karten ausgaben. So hat es die schwarz-gelben Bundesregierung im Zuge der aktuellen Gesundheitsreform 2010 beschlossen. Ohne Projektarbeit und Innovation kosten den Kassen die neuen Karten und Lesegeräte nach Angaben des Experten rund 300 Millionen Euro. Wie viel Kosten durch die Einführung künftig eingespart werden, ist noch unklar. Die Finanzierung der ärztlichen Praxisausstattung mit Kartenlesegeräten wird in Form von Kostenpauschalen durch die Krankenkassen übernommen.
Verschlüsselter Einblick in die Patientenakten
Ärzte und Therapeuten sollen verschlüsselt Einblick in die Patientenakte erhalten. Diese enthalten beispielsweise Laborbefunde, Arztbriefe, MRT oder Röntgenbilder sowie Arzneimittel-Rezepte. Die aktuell ausgegebenen Gesundheitskarten enthalten einen Mikrochipprozessor, der für spätere Innovationen aktiviert wird. Derzeit enthalten die Karten allerdings nur die Adresse des Versicherten, einige Eckdaten und ein Foto des Patienten. Auf der Rückseite ist eine Europäische Krankenversicherungskarte für die medizinische Versorgung im EU-Ausland bedruckt. Auf Wunsch des Versicherten sollen aber auch Notfalldaten wie Allergien und Vorerkrankungen gespeichert werden. Aktuell ist in der Diskussion, ob eine Patientenverfügungen zur Organspende zusätzlich integriert wird.
Eine Anbindung ans Internet ist bei Start noch nicht vorgesehen. Wenn die Freischaltung erfolgt, soll in einem ersten Schritt zunächst die Möglichkeit bestehen, die Stammdaten online zu verändern. Das passiert dann, wenn der Versicherte beispielsweise durch Umzug seine Anschrift wechselte. Dadurch können sich die Krankenkassen den Versand einer neuen Karte ersparen. Ein konkretes Startdatum für die Online-Anbindung gibt es nach Angaben von Höfer noch nicht. Es wird noch einige Zeit vergehen, bis die Karten wie geplant voll funktionstüchtig eingesetzt werden. Immerhin läuft das Projekt schon seit 2006 und wurde bereits durch die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ins Leben gerufen. (sb)
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