Amalgamfüllungen sind ein erhebliches Gesundheitsrisiko
26.10.2011
In der zahnmedizinischen Fachwelt ist der Umgang mit Zahnfüllungen aus Amalgam bis heute umstritten. Während einige Zahnmediziner erhebliche gesundheitliche Risiken in den Amalgamfüllung sehen, gehen andere davon aus, dass aufgrund des freigesetzten Quecksilbers lediglich der Einsatz und das Entfernen der Füllungen für die Gesundheit gefährlich sein kann.
Entsprechend unterschiedlich ist der Umgang der Zahnärzte mit den quecksilberhaltigen Zahnfüllungen. Viele Zahnärzte verwenden bereits seit Jahren kein Amalgam mehr, andere arbeiten bis heute mit dem umstrittenen Material. Zwar konnte ein Zusammenhang mit chronischen Gesundheitsschäden durch die erhöhte Quecksilberbelastung bei Patienten mit Amalgamfüllungen bisher nicht eindeutig wissenschaftlich belegt werden, doch unumstritten ist, dass Patienten mit Amalgam-Plomben deutlich erhöhte Quecksilber-Werte im gesamten Organismus aufweisen.
Vergiftungsgefahr durch Amalgamfüllungen
Patienten mit Amalgamfüllungen haben laut Aussage zahlreicher früherer Studien wie zum Beispiel den Untersuchungen der German Amalgam Trial unter Leitung des Zentrums für naturheilkundliche Forschung der Technischen Universität München durchschnittlich viermal höhere Quecksilber-Konzentrationen im Blut, als Personen ohne Amalgam im Gebiss. Welche Konsequenzen dies für die Gesundheit der Betroffenen hat, ist bislang jedoch äußerst umstritten. Während Amalgam-kritische Mediziner vor einer deutlichen Vergiftungsgefahr warnen, beurteilen andere Zahnärzte diese als verschwindend gering. Zwar zählt Quecksilber zu den giftigste nicht-radioaktive Substanz dieses Planeten, wobei bereits eine Dosis von zwei Gramm für erwachsene Menschen tödlich sein kann, doch in gebundener Form wie beim Amalgam gehe von dem Schwermetall kein erhöhtes Gesundheitsrisiko aus, so die Einschätzung der Amalgam-Befürworter. Ihnen zufolge ist lediglich das Einsetzen und Herausbohren der zu rund 50 Prozent aus dem Quecksilber bestehenden Amalgamfüllungen kritisch, denn akut toxisch sei das Material nur in gelöster Form. So erläuterte Reiner Zaijtschek vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte gegenüber der Fachzeitschrift „Apotheken Umschau“, dass bei Amalgamfüllungen „natürlich wie bei jedem Fremdkörper, der dauerhaft im menschlichen Organismus verbleibt, unerwünschte Nebenwirkungen auftreten“ können. Generell sei das Risiko für die Gesundheit jedoch als eher gering einzustufen „und da ist auch keine Studie, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ihnen (den Amalgamfüllungen) und chronischen Gesundheitsschäden erwiesen hat“, betonte Zaijtschek.
Amalgam-Plomben gegen kontinuierlich Quecksilber frei
Dieser Einschätzung des Vertreters vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte können andere Experten wie zum Beispiel Claudia Hesse von der Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin in Berlin jedoch nicht folgen. Hesse betonte, dass „die Füllungen fortlaufend kleine Dosen Quecksilber“ abgeben, die auf Dauer erhebliche Beeinträchtigungen für die Gesundheit mit sich bringen können. So lagere sich mit der Zeit immer mehr Quecksilber im Organismus ab, wobei das Quecksilber nicht nur durch mechanischen Abrieb aus den Füllungen freigesetzt wird, sondern auch durch säurehaltige Nahrungsmittel Quecksilberionen aus den Plomben gelöst werden und über den Speichel in den Verdauungstrakt gelangen. Von hieraus erreicht das Quecksilber den Blutkreislauf und wird über diesen im ganzen Körper verteilt, erläuterte die Expertin. Besonders gefährlich sei zudem „der Quecksilberdampf, der vor allem beim Verzehr heißer Speisen und Getränke frei wird“, so Claudia Hesse weiter. Der Dampf werde über Nasen- und Mundhöhle eingeatmet, gelange so ebenfalls in den Blutkreislauf und erreicht sämtliches Gewebe. Dabei stellt auch die sogenannte Blut-Hirn-Schranke für das Quecksilber kein Hindernis dar, so dass sich das Schwermetall auch im Gehirn ablagert, erläuterte Hesse unter Bezug auf mehrere Autopsiestudien. Diese hätten bei Patienten mit Amalgamfüllungen einen deutlich erhöhten Quecksilbergehalt sowohl in den Organen als auch im Gehirn nachgewiesen. Zum Beispiel habe die Italian Association for Metals and Biocompatibility Research in einer Studie bei Toten, die mehr als zwölf Amalgamfüllungen aufwiesen, einen zehnfach erhöhten Quecksilbergehalt gegenüber Patienten mit weniger als drei Amalgam-Plomben nachgewiesen.
Erhöhtes Risiko beim Einsetzen und Entfernen der Amalgam-Plomben
Einigkeit besteht auch in der Fachwelt darüber, dass mit Amalgam besonders verantwortungsvoll umgegangen werden muss. Die Patienten seien unbedingt über die Risiken des quecksilberhaltigen Materials zu informieren, Kontraindikationen wie zum Beispiel eine Quecksilberallergie sind in jedem Fall abzufragen und zu berücksichtigen, betonte Reiner Zaijtschek. Auch müssen bei der Verarbeitung spezielle Sicherheitsvorkehrungen, wie zum Beispiel ein gründliches Absaugen und der Einsatz spezieller Bohrer, getroffen werden, da „Quecksilber in Dampfform besonders gefährlich ist – und dieser beim Legen und Herausbohren der Füllungen“ entsteht, erläuterte der Experte des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte. Über die Risiken beim Einsetzten und Entfernen der Amalgamfüllung besteht in der Fachwelt jedoch ohnehin Einigkeit. Strittig sind indes die möglichen Gesundheitsrisiken durch den Dauerkontakt mit den quecksilberhaltigen Plomben. Dabei reicht das Spektrum von der Aussage des Vizepräsidenten der Bundeszahnärztekammer in Berlin, Dietmar Oesterreich: „Sobald die Füllung ausgehärtet ist, ist kein freies Quecksilber mehr vorhanden“, bis hin zu der kritischen Einschätzung der Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin. Zwar geht auch Oesterreich davon aus, dass durch mechanische Beanspruchung Spuren metallischem Quecksilbers aus den Plomben freigesetzt werden, allerdings seien „sowohl die Aufnahmerate als auch die freigesetzten Mengen so gering, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung nahezu vollständig ausgeschlossen werden kann.“ Wie bereits dargestellt kommt Claudia Hesse von der Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin hier zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung. Sie geht davon aus, dass die kontinuierliche Freisetzung von Quecksilber aus den Amalgamfüllungen auf Dauer zu einer erheblichen Quecksilberbelastung im Organismus führen kann.
Quecksilber verursacht zahlreiche gesundheitliche Beschwerden
Zu den Folgen die eine chronische Quecksilberbelastung für die Gesundheit haben kann, erklärte Peter Jennrich von der Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie, „die gesundheitlichen Schäden können gravierend sein.“ Oftmals leiden die Betroffenen unter Symptomen wie innerer Unruhe, fühlen sich angeschlagen, haben Kopfschmerzen oder Beschwerden im Magen-Darm-Trakt. Zudem könne „eine Vergiftung mit dem Schwermetall auch Co-Faktor für beinahe alle chronischen Erkrankungen sein“, erläuterte Jennrich. So gilt Quecksilber auch als Risikofaktor für das Auftreten von Krankheiten wie Diabetes, Multiple Sklerose und Rheuma, betonte Jennrich unter Bezug auf die Ergebnisse einer Meta-Studie des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg. Welche Auswirkungen die Quecksilberbelastung auf den Organismus hat, hängt Jennrich zufolge nicht nur von der Menge des Amalgams im Körper ab, sondern wird zudem wesentlich beeinflusst durch andere Toxine, denen die Betroffenen ausgesetzt sind, wie zum Beispiel bleihaltiges Trinkwasser. Auch der allgemeine Gesundheitszustand habe wesentlichen Einfluss auf die Schwere der Quecksilbervergiftung, so Jennrich weiter. Dem Experten zufolge verfügen Personen „in guter körperlicher Verfassung“ über eine bessere „Entgiftungsfähigkeit“ und ihre „Belastungstoleranz“ ist in der Regel höher. Sowohl Entgiftungsfähigkeit und Belastungstoleranz variieren Jennrich zufolge ohnehin stark von Mensch zu Mensch. Daher sei es auch so schwer, die Folgen einer Quecksilberbelastung zu bestimmen. Einige Menschen bleiben trotz hoher Schwermetallbelastung beschwerdefrei, andere hingegen reagieren sehr schnell, erläuterte der Fachmann. Zudem seien die Symptome einer chronischen Vergiftung in der Regel eher unspezifisch, wodurch einen eindeutige Diagnose zusätzlich erschwert werde. Dies habe auch zur Folge, dass die gesundheitlichen Folgen der „Quecksilber-Dauerexposition“ bis heute umstritten sind.
Spezielle Methoden zur Feststellung der Quecksilber-Vergiftung
Um einer möglichen Quecksilbervergiftung durch die Amalgamfüllungen auf die Spur zu kommen, ist laut Aussage des Experten eine spezielle Untersuchung erforderlich, da „weder eine reguläre Blutanalyse noch eine Urinprobe alles“ zeige. Nur mit einem sogenannten Provokationstest lasse sich sich Quecksilberbelastung in Gewebe und Organen nachweisen, erläuterte Jennrich. Der Provokationstest basiert dabei auf der Verabreichung von Chelatbildnern, die als organische Verbindung dazu in der Lage sind, versteckte Metallionen zu binden, so dass diese mit dem Urin ausgeschwemmt werden können. Auf diese Weise werde das tatsächliche Ausmaß der Belastung im Urin messbar, betonte Jennrich. Je nachdem welche Quecksilber-Konzentration die Ärzte bei dieser speziellen Untersuchung feststellen, werden auch die nächsten Behandlungsschritte wie zum Beispiel eine Entfernung der Amalgamfüllungen oder Entgiftungsmaßnahmen (Schwermetallausleitung mit Hilfe von Chelatbildnern) geplant, erläuterte der Experte. Angesichts der vielfach beschriebenen Gesundheitsrisiken, scheint es kaum verständlich, dass heute in der Zahnmedizin immer noch mit Amalgam gearbeitet wird und auch der Gesetzgeber die Amalgamfüllungen bisher nicht verbannt hat, sondern diese als kostengünstigste Zahnfüllungen sogar im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen favorisiert. (fp)
Bild: Claudia Heck / pixelio.de
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