Neue Therapie verzögert Demenz besser als Medikamente
04.12.2011
Demenz hat in Deutschland heute mit circa 1,3 Millionen Betroffenen längs den Status einer Volkskrankheit erreicht. Die Erkrankten leiden im Zuge des Krankheitsverlaufs in wachsendem Maße unter Verwirrtheit und Vergesslichkeit, wobei die Selbständigkeit aber auch die Persönlichkeit zusehends schwindet. Im Endstadium sind die Demenz-Patienten rund um die Uhr auf Betreuung angewiesen, da sie ihren Lebensalltag nicht mehr alleine bewerkstelligen können.
Aussichten auf eine Heilung der Demenz-Erkrankung besteht trotz intensiver Forschung bis heute nicht. Durch die Einnahme von Medikamenten lässt sich lediglich der Verlauf der Erkrankung deutlich verzögern. So setzt die schulmedizinische Behandlung von Demenz meist auf die Verbreichung von Arzneimitteln wie zum Beispiel sogenannter Cholinesterase-Hemmern, um im Sinne der Patienten noch ein wenig Zeit zu gewinnen, in denen diese länger alltagsfähig bleiben. Nun berichten Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen in dem Fachmagazin, „BMC-Medicine“ von einem neuen Programm, mit dem die Demenz- und Alzheimer-Erkrankungen deutlich besser aufgehalten werden können, als mit den bisherigen Behandlungsansätzen.
Gruppentherapie wirkt besser als Medikamente
Die Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen um Studienleiter Professor Elmar Gräßel testeten im Rahmen ihrer Untersuchung das sogenannte MAKS-Programm bei zahlreichen Bewohnern mit Anzeichen einer Demenz-Erkrankung in bayerischen Pflegeheimen. Die 129 Studienteilnehmer wurden hierfür in zwei gleichgroße Gruppen unterteilt, wobei die eine Hälfte mit der herkömmlichen medikamentösen Demenz-Therapie behandelt wurde und die anderen Senioren zusätzliche das MAKS-Programm absolvierten. Um den Geisteszustand der Probanden zu ermitteln, testeten die Forscher um Prof. Gräßel im Vorfeld, im Verlauf und im Anschluss an die Behandlung, die Gedächtnisleistung und die praktischen Fähigkeiten der Senioren. Darüber hinaus bewerteten die Pflegekräfte den allgemeinen Zustand der Senioren. Die Behandlung der neurodegenrativen Erkrankung mit Hilfe des MAKS-Programms zeigte dabei deutlich bessere Ergebnisse als der Einsatz der Medikamente, so die Aussage von Prof. Gräßel und Kollegen.
Vier Säulen des MAKS-Programms gegen Demenz
Das MAKS-Programm zur therapeutischen Behandlung von Alzheimer und Demenz basiert auf vier unterschiedlichen Säulen, die sich positiv ergänzen und so eine deutliche Verzögerung der Demenz-Erkrankungen bewirken sollen. Die Demenz-Patienten nahmen im Rahmen der aktuellen Studie sechs Tage die Woche an speziellen, jeweils zweistündigen Gruppentherapien teil, bei denen die motorische Stimulation (M), die Alltagsaktivitäten (A), die kognitive Stimulation (K) und die spirituelle Stimulation (S) im Vordergrund standen. Unter motorischer Stimulation sind dabei Gleichgewichtsübungen zu verstehen, die durch körperliche Bewegung geschult werden. So gehen die Demenz-Patienten zum Beispiel gemeinsam Kegeln. Bei den Alltagsaktivitäten standen im Rahmen der Gruppentherapie Tätigkeiten wie Kochen, handwerkliche Beschäftigungen oder Gartenarbeit im Vordergrund. Die kognitive Stimulation erfolgte zum Beispiel durch Puzzle oder Rätsel. Die spirituelle Stimulation umfasste täglich mindestens zehn Minuten in denen die Patienten über Themen wie Glück diskutierten und gemeinsam Lieder sangen.
Demenz um mindestens ein Jahr verzögert
Den Forschern der Universität Erlangen zufolge zeigte die 12-monatige MAKS-Therapie im Vergleich zu der medikamentösen Behandlung deutliche Vorteile. So habe die Gehirnleistungen bei den Studienteilnehmern der MAKS-Gruppe nicht weiter abgenommen, während die Leistungen der Kontrollgruppe auf der Alzheimer Disease Assessment Scale (ADAS) nach einem Jahr Studienlaufzeit deutlich schlechter bewertet wurde. Die MAKS-Patienten seinen auch im Alltag deutlich besser zurecht gekommen, als die übrigen Probanden, so die Aussage von Prof. Gräßle und Kollegen. Um eine objektive Bewertung zu ermöglichen, wurde bei der Kontrolle nach sechs und zwölf Monaten Studienlaufzeit nicht offenbart, ob die Probanden zur MAKS-Gruppe gehörten oder nicht. Bei der anschließenden Auswertung stellten die Forscher jedoch fest, dass die Studienteilnehmer der Kontrollgruppe insbesondere im zweiten Halbjahr der Studie deutlich abgebaut hatten, während die Gedächtnisleistung in der MAKS-Gruppe nahezu unverändert blieb. Zudem hätten sich nicht nur die kognitiven Fähigkeiten der MAKS-Patienten konstant gehalten, sondern darüber hinaus sei auch die Stimmung der Senioren gestiegen und ihre Sozialverhalten habe sich verbessert, erklärte Prof. Gräßel.
Die mit der MAKS-Therapie erzielten Effekte haben dabei laut Aussage des Studienleiters auch die bislang effektivsten Alzheimer- beziehungsweise Demenz-Medikamente übertroffen. So verzögere die MAKS-Therapie den Verlauf einer Demenz-Erkrankung um mindestens zwölf Monate, wohingegen mit Hilfe der Medikamente lediglich von einer Verzögerung um sechs Monate auszugehen sei, erläuterten die Forscher der Universität Erlangen. Möglicherweise wirke das MAKS-Programm sogar noch länger, dies müsse jedoch in kommenden Studien erst noch untersucht werden, so das Fazit von Prof. Gräßel und Kollegen. (fp)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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