Das Bundesversicherungsamt erwartet mehr Krankenkassen-Leistungen als Wettbewerbsmerkmal
28.12.2011
Der Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen wird nach Ansicht des Bundesversicherungsamtes im nächsten Jahr 2012 stark ansteigen. Alle Krankenkassen schaffen ab spätestens dem zweiten Quartal die Zusatzbeiträge ab. Somit werden vor allem die situierten Kassen versuchen, Neumitglieder mit einem Mehrangebot von Gesundheitsleistungen anzulocken. Wirtschaftsexperten sehen hingegen ein Absinken des Wettbewerbs und forderten die Politik auf, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu kürzen.
Das Bundesversicherungsamt (BVA) rechnet nach eigenen Angaben mit einem starken Wettbewerb der Krankenkassen, der sich ab dem Jahreswechsel deutlich bemerkbar machen wird. Gegenüber der Zeitung „Welt“ sagte der Präsident der Aufsichtsbehörde, Maximilian Gaßner, am Dienstag: Vor allem Krankenkassen, „mit hohen Rücklagen werden versuchen, durch das Angebot nicht notwendiger Leistungen Mitglieder anzulocken.“
Hauptgrund für den Wettbewerb mit Leistungen ist der Wegfall der Zusatzbeiträge als signifikantes Unterscheidungsmerkmal der Kassen. Demnach werden sich nach Meinung des BVA Präsidenten die Versicherten eher eine neue Krankenversicherung nach dem „Potpourri an Zusatzleistungen“ aussuchen. Wie adäquat die Kasse bei der Versorgung während einer Krankheit ist, spiele eine untergeordnete Rolle. Im Bereich der Naturheilkunde kündigte zum Beispiel die Techniker Krankenkasse (TK) an, ab 2012 Leistungen aus dem Bereich der Homöopathie zu finanzieren, wenn ein Arzt diese per Rezept verordnet.
Zusatzbeiträge wird vorerst abgeschafft
Die verbliebenen Zusatzbeitragskassen wollen im nächsten Jahr den Extrabeitrag wieder abschaffen. So hat zum Beispiel die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) angekündigt, nach der Fusion zum Neujahr den Zusatzbeitrag ab dem ersten April 2012 wieder abzuschaffen. Der Anbieter fungiert dann mit dem Titel „DAK Gesundheit“. Nach Einführung des Zusatzbeitrages musste die DAK einen herben Mitgliederschwund hinnehmen.
Statt dem Extrabeitrag werden alle Krankenkassen nur noch den gesetzlich geregelten einkommensabhängigen Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent erheben. Durch die gute Konjunktur am Arbeitsmarkt und zahlreichen Einsparungen bei den Ausgaben von Arzneimitteln hatte sich die finanzielle Lage der Kassen deutlich verbessert. Bereits in den ersten neun Monaten konnte im Kassensystem ein Milliardenüberschuss von ungefähr 3,9 Milliarden Euro erwirtschaftet werden. Branchenkenner gehen davon aus, dass der erwirtschaftete Überschuss für 2011 bei maximal 8 Milliarden Euro liegen wird.
Zahlreiche Gesundheitsökonomen und Kassen gehen allerdings davon aus, dass die gute Finanzlage nicht lange anhalten wird. Durch die erwartete Abschwächung am Arbeitsmarkt bedingt durch die anhaltende Euro-Krise wird die Einnahmeseite deutlich schwinden. Der Bundesverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) rechnet spätestens 2013 mit erneuten zusätzlichen Beiträgen.
Bundesversicherungsamt will Leistungen streng kontrollieren
Das Bundesversicherungsamt unter der Leitung von Gaßner kündigte an, die Krankenkassen streng zu kontrollieren. Nach seiner Meinung dürfe nicht vergessen werden, dass solche Leistungen „mit Zwangsbeiträgen“ finanziert werden müssten. Ein besonderes Augenmerk werde die Aufsichtsbehörde auf Gesundheitsangebote werfen, die nicht in dem allgemein gültigen Leistungskatalog festgeschrieben sind. In dem Katalog sind die Mindestleistungen aller Krankenkassen festgelegt. Die Bundesregierung hatte in dem neuerlich verabschiedeten Versorgungsgesetz den Kassen mehr Spielraum bei den angebotenen Leistungen gegeben. Diese umfassen beispielsweise Homöopathie, künstliche Befruchtung oder Zahnarztbehandlungen.
Jeder zehnte wechselte die Krankenkasse aufgrund von Zusatzbeiträgen
Laut einer Datenerhebung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wechselte etwa jeder zehnte Kassenpatient aufgrund des Zusatzbeitrages seine Krankenkasse. Die Folge daraus waren zum Teil massive Mitgliederabwanderungen, wobei zwei kleinere Kassen im August und Dezember diesen Jahres ihre Tore schließen mussten. Nach Ansicht von Nicolas R. Ziebarth, Hendrik Schmitz und Peter Eibich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hätten die Zusatzbeiträge für einen Wettbewerb im gesetzlichen Krankenversicherungssystem gesorgt. In dem Wochenbericht des DIW kritisieren die Experten, dass durch die schrittweise Abschaffung die Konkurrenzsituation am Kassenmarkt quasi zum Erliegen gekommen ist. Nach ihrer Meinung sei nunmehr die schwarz-gelbe Koalition dazu aufgefordert, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds „neu zu ordnen“. Zwar müssten die Beiträge nicht gesenkt werden, jedoch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds um zwei Prozent auf 98 Prozent gekürzt werden. (sb)
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