Studie belegt Milliarden-Einsparpotenzial im Gesundheitssystem
02.01.2012
Der bürokratische Aufwand im Gesundheitssystem ist immens und verursacht horrende Kosten. Tatsächlich werden von den Beitragszahlungen lediglich etwas mehr als ein Viertel der Einnahmen unmittelbar für Leistungen am Patienten ausgegeben. 23 Prozent der Beiträge gehen für Verwaltungskosten drauf, so das Ergebnis der aktuellen Studie „Deutsches Gesundheitssystem auf dem Prüfstand – Kostenfalle Komplexität“ des renommierten Management-Beratungsunternehmens A.T. Kearney.
Damit ist die Verwaltungskostenquote im Gesundheitssystem deutlich höher als der durchschnittliche Wert bei den deutschen Industrieunternehmen, welcher lediglich bei 6,1 Prozent liegt, berichten die Experten von A. T Kearney. Durch eine effektivere Verwaltung ließen sich demnach Milliarden einsparen, ohne Einbußen bei den Leistungen für Patienten zu riskieren. Würden sämtliche von dem Beratungsunternehmen aufgedeckten Möglichkeiten genutzt, könnte der Beitragssatz von 15,5 Prozent auf 14,2 Prozent gesenkt werden, so das Ergebnis der aktuellen Studie.
Fast 30 Milliarden Verwaltungskosten der GKV
Im Rahmen ihrer Untersuchung „Deutsches Gesundheitssystem auf dem Prüfstand – Kostenfalle Komplexität“ kommen die Experten von A.T. Kearney zu dem Ergebnis, dass 2010 die Verwaltungskosten im öffentlichen deutschen Gesundheitssystem tatsächlich bei 40,4 Milliarden Euro lagen. Wobei die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) laut A.T. Kearney deutlich höher waren, als von den Krankenkassen offiziell angegeben. Rund 68 Prozent (circa 27,5 Milliarden Euro) der Verwaltungskosten im Gesundheitssystem werden demnach durch die GKV verursacht. Bei den gesetzlichen Krankenkassen bilden die Verwaltungsausgaben den aktuellen Ergebnissen zufolge einen Anteil von 15,6 Prozent der 176 Milliarden Euro Gesamtausgaben. Damit liegt der Verwaltungsaufwand bei der GKV deutlich höher (um den Faktor 2,9) als aus den offiziellen Zahlen hervorgeht. So gaben die gesetzlichen Krankenkassen offiziell Verwaltungskosten in Höhe von 5,4 Prozent der Gesamtausgaben beziehungsweise insgesamt 9,5 Milliarden Euro für das Jahr 2010 an.
Intransparenz und Komplexität als Kostentreiber im Gesundheitssystem
Insgesamt ist die Verwaltungskostenquote im Gesundheitssystem um den Faktor 3,8 höher als bei den Industrieunternehmen, berichtet A.T. Kearney. So würden von jedem Euro Beitragszahlungen höchstens 77 Cent direkt für wertschöpfende Tätigkeiten am Patienten ausgegeben, 23 Prozent seien zur Deckung der Verwaltungskosten erforderlich. Die Experten des Management-Beratungsunternehmens führen den hohen Verwaltungsaufwand dabei im Wesentlichen auf die zunehmende Intransparenz und Komplexität im Gesundheitssystem zurück. Als entscheidende Faktoren für die wachsende Komplexität und Intransparenz nennt A.T. Kearney in diesem Zusammenhang die hohe Anzahl unterschiedlicher Akteure, die Vielzahl der Produkte und Dienstleistungen, die Schnittstellenproblematik, die nicht aufeinander abgestimmten Prozesse, die mangelhaften Organisationsstrukturen, die Nutzung unterschiedlicher IT-Systeme sowie die indirekte Kommunikation zwischen den Beteiligten. Außerdem habe die wechselhafte Politik mit immer neuen Reformen und Gesetzen sowie die Beeinflussung der Gesetzgebung durch Lobby- und Interessengruppen zur Steigerung der kostentreibenden Komplexität beigetragen. Zudem seien im Zuge des demografischen Wandels die Patientenanforderungen durch Alter beziehungsweise Lebensumstände gestiegen und darüber hinaus hat sich das Leistungsspektrum der Leistungserbringer durch den wissenschaftlichen Fortschritt kontinuierlich erhöht, so das Ergebnis von A.T. Kearney.
Einsparpotenzial von mindestens 13 Milliarden Euro im Gesundheitssystem
Die Studienautoren des Management-Beratungsunternehmens decken in ihrer aktuellen Untersuchung bezogen auf die Verwaltungskosten ein Einsparpotenzial von mindestens 13 Milliarden Euro für das deutsche Gesundheitssystem auf. Demnach könnten von jedem Euro Beitragszahlungen mindestens acht Cent eingespart werden, was pro Beitragszahler einem Einsparpotenzial von 252,90 Euro pro Jahr entspräche. Damit wäre eine Senkung des heutigen Beitragssatzes von 15,5 Prozent auf 14,2 Prozent möglich, erklärten die Experten. A.T. Kearney hat in seiner unabhängigen und eigenfinanzierten Studie im Zeitraum von Juni bis August 2011 eine Marktforschungsanalyse mit rund 6.000 Leistungserbringern des deutschen Gesundheitswesens durchgeführt und dabei ein erhebliches Effizienzsteigerungs- und Kostendämpfungspotenzial festgestellt. (fp)
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