Testosteron beeinträchtigt zwischenmenschliche Kooperation
01.02.2012
Das männliche Sexualhormon Testosteron lässt Frauen egoistischer und weniger kooperativ Handeln, berichten britische Forscher vom University College London auf dem Portal „Proceedings of the Royal Society B“.
Die Forscher um Nicholas D. Wright vom Institute of Neurology des University College London fanden im Rahmen ihrer aktuellen Untersuchungen heraus, dass durch einen erhöhten Testosteronspiegel das kooperative Verhalten bei Frauen eingeschränkt wird und diese egoistischer handeln. Erstmals wurde damit ein Hormon entdeckt, das Einschränkungen der zwischenmenschlichen Kooperation bedingt.
Auswirkungen von Hormonen auf das Sozialverhalten
Während bereits seit längerem bekannt war, dass einige Hormone wie Beispielsweise Oxytocin das „kooperative Verhalten in wirtschaftlichen Aufgaben fördern“, begaben sich die britischen Forscher auf die Suche nach einem Hormon mit gegenteiliger Wirkung. Zu diesem Zweck untersuchten Nicholas D. Wright und Kollegen die Auswirkungen des Hormons Testosteron auf das Verhalten von Frauen. Jeweils ein Paar aus zwei Frauen wurde vor einen Computermonitor gesetzt und sollte bei zwei aufeinander folgenden Bildern eines bestimmen, auf dem sich ein gesuchtes Motiv verbarg. Wählten beide Frauen das selbe Bild, folgten die nächsten Bilder. Entschieden sich die Studienteilnehmerinnen für unterschiedliche Bilder, wurden sie von den Forschern dazu aufgefordert, miteinander zu diskutieren und sich auf eine einvernehmliche Entscheidung zu einigen. Den gleichen Versuch durchliefen die Frauen zweimal innerhalb eines Abstand von einer Woche. Bei einem der Tests erhielten die Frauen ein Placebo-Präparat und bei dem anderen wurde ihnen eine Dosis Testosteron verabreicht. Dabei zeigte sich eine überraschende Wirkung des männlichen Sexualhormons auf die kooperative Entscheidungsfindung.
Testosteron-Überschuss verschlechtert die kooperative Entscheidungsfindung
So habe die Forscher bei der Auswertung der Testergebnisse festgestellt, dass die Frauen ohne die Einnahme von Testosteron ihr Gesamtergebnis durch kooperative Entscheidungen deutlich verbessern konnten. Die Trefferquote lag in Kooperation deutlich höher, als bei den Frauen die vorher ein Testosteron-Präparat eingenommen hatten, berichten die britischen Forscher in ihrer aktuellen Veröffentlichung. Die Frauen mit erhöhtem Testosteronspiegel verhielten sich laut Aussage der Wissenschaftler deutlich weniger kooperativ und bestanden weit öfter auf ihrer eigenen Meinung. Dies hatte eine wesentlich schlechtere Trefferquote des Teams insgesamt zur Folge, betonte Studienleiter Nicholas D. Wright. Nach Ansicht der Forscher führt ein Überschuss an Testosteron zu einer „gestörten kollaborative Entscheidungsfindung“, was eine erhebliche Reduzierung der Leistungsvorteil der Kooperation mit sich bringt. Die „individuelle Entscheidungsfähigkeit“ blieb indes bei verändertem Testosteronspiegel „unberührt“, so Wright und Kollegen weiter.
Zusammenspiel biologischer Faktoren bestimmt zwischenmenschliche Kooperation
Den britischen Forschern zufolge wird das soziale Verhalten durch ein fein abgestimmtes Zusammenspiel biologischer Faktoren bestimmt. Dabei ist Kooperation in sozialen Konstellationen unverzichtbar, da diese helfe, die Fähigkeiten aber auch den jeweiligen Kenntnisstand einzelner Personen zu berücksichtigen und auf diese Weise die Entscheidungsfindung in Gruppen ermöglicht beziehungsweise verbessert. Kooperation bildet hier die Grundlage für eine Art kollektiver Intelligenz. Allerdings kann unter bestimmten Umständen eine solche Zusammenarbeit auch schlechtere Leistungen oder Entscheidungen mit sich bringen, weshalb „ein Gleichgewicht zwischen einer kooperativen und einer egozentrischen Disposition getroffen werden“ muss, schreiben die britischen Forscher in den „Proceedings B“. Das Testosteron wirke an dieser Stelle als Gewicht in Richtung der egozentrischen Disposition, wodurch auch die kooperative Entscheidungsfindung unter normalen Umständen verbessert werde.
Ist der Testosteronspiegel jedoch überhöht, hat dies erhebliche negative Auswirkungen auf die kooperative Entscheidungsfindung. Andere Meinungen werden ignoriert und im Zweifelsfall setzt sich die dominanteste Person mit ihrer Position durch – unabhängig davon, ob diese zu einer richtigen oder falschen Einschätzung kommt. Bei gestörtem Testosteronspiegel einzelner Gruppenmitglieder ist daher laut Aussage der britischen Forscher von einer erheblich beeinträchtigten kollektiven Entscheidungsfindung auszugehen. (fp)
Lesen Sie auch:
Evolution und Medizin
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.