Unisex-Tarife der Privaten Krankenversicherung sind für Frauen kaum günstiger
09.02.2012
Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Juliane Kokott, hatte bereits 2010 darauf hingewiesen, dass die geschlechtsspezifischen Verträge der Privaten Krankenversicherungen (PKV) gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Kokott hatte die Diskussion in Gang gesetzt, danach folgte im März 2011 ein Urteil am Europäischen Gerichtshof und das Bundesfinanzministerium hatte sogenannte Unisex-Tarife im Anschluss gefordert. Doch die Chance, gleiche Tarife für Frauen und Männer zu schaffen, ist vertan. Zu spät hatte sich das Ministerium für eine Vereinheitlichung der Krankenversicherungstarife entschieden. Die ab Dezember 2012 geltenden Universaltarife werden somit nur für Neukunden gelten. Für Bestandskunden werden die neuen PKV Verträge nicht geändert. Die Branche schiebt den „schwarzen Peter“ auf die Politik, da eine gleichmäßige Verteilung nun nicht mehr möglich ist.
Einheitliche PKV Tarife für Frauen und Männer
Zum Ende des Jahres müssen alle Anbieter der privaten Krankenversicherungen einheitliche Policen für Frauen und Männer anbieten. Bereits Versicherte gehen leer aus, für sie gelten weiterhin die alten Vereinbarungen. Das bedeutet, dass die Verträge der etwa neun Millionen Versicherten derzeit nicht auf Universaltarife umgestellt werden. Gegenüber der Financial Times Deutschland (FTD) sagte der Vorstand der Debeka Roland Weber, dass die Entscheidung hierzu „faktisch“ bereits gefallen sei. Denn um auch die Bestandskunden auf Unisex-Tarife umzustellen, hätten alle Anbieter bis spätestens Ende Januar seitens der Politik Klarheit haben müssen. Den Privatversicherern schlicht und ergreifend „ die Zeit weggelaufen“, so Weber.
Bundesfinanzministerium in langer Findungsphase
Das Bundesfinanzministerium konnte sich nicht dazu durchringen, eine geeignete Lösung für die Umsetzung des EuGH-Urteils zu finden. So hatte eine Sprecherin verlautbaren lassen, dass „eine abschließende Entscheidung für die Umsetzung nur für das Neugeschäft und darüber hinaus auch für den Bestand noch nicht getroffen worden ist“. Das Ministerium machte aber deutlich, dass die Alttarife nach Möglichkeit nicht geändert und das Geschlecht weiterhin Tarif-entscheidend für den Bestand bleiben sollte. Man befürchte, dass bei der „Umsetzung für den vorhandenen Bestand“ für „einzelne Versichertengruppen Beitragserhöhungen“ kommen würden. Ein großen Nachteil würden vor allem junge männliche Privatversicherte erleiden, die mit sogenannten Einsteigertarifen sich günstig privatversicherten. Betroffen wären ein paar Millionen junge Männer, so die Ministeriumssprecherin.
Bislang war es Branchenüblich, die Tarife nicht geschlechtsneutral zu berechnen. In die Versicherungsmathematischen Berechnungen floss das Merkmal Frau oder Mann mit ein. Mit Hilfe weiterer Daten wie Gesundheitszustand, Alter und Beruf wurden die Risikofaktoren addiert. Weil Frauen zum Beispiel durchschnittlich häufiger zum Arzt gehen, in der Regel über eine höhere Lebenserwartung verfügen und früher oder später schwanger werden, ergeben sich so auch rein rechnerisch höhere Beiträge. Den Passus Lebenserwartung, die alle Versicherer bislang anwendeten, hat aber das EuGH gekippt und auch den Passus in EU-Gleichstellungsrichtlinie als widrig eingestuft.
Durch das europäische Urteil sind die Anbieter nunmehr ab dem 21. Dezember 2012 dazu verpflichtet, nur noch Offerten anzubieten, die für Frauen und Männer gleichermaßen gelten. Für aktuell privatversicherte Frauen bedeutet dieses Urteil, dass ihr bisheriger Vertrag sich nicht ändert. Allerdings haben sie das Recht darauf, ihren Tarif zu wechseln. So können Kundinnen von ihrem alten meist teureren in einen neuen gleichgestellten Tarif wechseln. Experten gehen davon aus, dass wohl die meisten weiblichen Altkunden hiervon Gebrauch machen. Branchenkenner befürchten, dass aber die neuen Angebote unterkalkuliert sind. Dann könnte es sein, dass bei einer Unterkalkulation der Versicherer später den Tarif wieder kräftig erhöhen muss, um die Finanzlücke zu schließen. Weber nennt gegenüber der FTD sogar eine Zahl: Würden in der Debeka alle Frauen in einen neuen Unisextarif wechseln, müsste der Anbieter rund 100 Millionen Euro aus seinem Eigenkapital zusteuern.
Die PKV hatte sich deshalb schnell dazu entschlossen, für die Umstellung des gesamten Bestandes zu werben. Denn dann würde die Last gleichermaßen verteilt. Im Jahre 2007 mussten Unternehmen schon einmal aufgrund einer Gesetzesänderung die Tarife anpassen. Damals wurden die Kosten für Schwangerschaften gleichermaßen auf Männer- und Frauen-Tarife verteilt. Laut Weber lagen die Anpassungen aller Beiträge damals bei unter 10 Prozent.
Junge Männer zahlen mehr, Frauen nur etwas weniger
Nun aber ist der Vorschlag der ausgeglichenen Verteilung von Seiten der Bundesregierung verworfen worden, so dass die Branche die Beiträge für Neukunden „mit Vorsicht“ kalkulieren werden. So ist anzunehmen, dass es bei den Unisex-Tarifen einen hohen Frauenanteil geben wird. "Die Prämien für Unisex-Tarife werden deshalb näher an den bisherigen Frauen-Tarifen sein als an einem Mittelwert", sagte Weber gegenüber FTD. Daraus wird allerdings folgen, dass junge Männer ab dem Stichtag im Dezember 2012 weitaus höhere Prämien für ihre private Krankenversicherung zahlen müssen, als dies heute der Fall ist. Frauen hingegen werden nur etwas weniger zahlen müssen, allerdings ist das Absinken deutlich geringer, als gehofft. (sb)
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