Reiche lügen und schummeln mehr
28.02.2012
Betrügen, Schummeln oder Lügen: Diese Negativeigenschaften werden gern sozial benachteiligten Menschen wie Hartz IV Empfängern am Stammtisch oder in den Boulevardpresse angedichtet. Wer viel Geld verdient und zur sogenannten Oberschicht gehört, genießt hingegen viel Anerkennung. Forscher der "University of California" in Berkeley haben während einer Studie festgestellt, dass wohlhabende und reiche Menschen sehr viel häufiger lügen und mogeln, als Menschen mit einem geringeren Einkommen. Das unsoziale Verhalten sei besonders im Straßenverkehr erkennbar: Dort würden sich viele Reiche geradezu „wie die Axt im Walde benehmen“ und Verkehrsregeln vielfach missachten.
Wenig Rücksicht im Straßenverkehr
Wenn es um Moral und Rechtsvorstellungen geht, verhalten sich laut einer wissenschaftlichen US-Studie der „University of California“ Angehörige der Oberschicht weniger rücksichtsvoll, als Menschen mit einem geringen oder mittlerem Einkommen. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, beobachteten die PNAS das Verhalten im Straßenverkehr von Besserverdienern. Zum größten Teil fuhren die Angehörigen der oberen Schichten schnellere und größere Autos, als andere. Im Beobachtungszeitraum zeigten die Lenker der Fahrzeuge meist weniger Rücksicht vor den anderen Verkehrsteilnehmern und missachteten häufiger die Straßenverkehrsordnung.
Im Studienverlauf testeten die Wissenschaftler das Verhalten der Probanden im Straßenverkehr. Die Forschergruppe positionierte sich an einer vielbefahrenen Kreuzung. Dort müssen Autofahrer anhalten, da die Vorfahrt mit einem Stopp-Schild geregelt ist. Im Verlauf notierten sich die Forscher die Autos, die den anderen Teilnehmern dennoch die Vorfahrt verweigerten und ohne Anhalten weiterfuhren. Die Autos wurden nach Marke, Alter und Zustand kategorisiert. Zudem schätzten die Wissenschaftler das Alter und Geschlecht des Fahrzeugführers ein.
Fahrer der Luxusklassen verweigerten öfter Fußgängern das Überqueren der Straße
In der Auswertung der Daten zeigte sich, dass vor allem Fahrer der Oberklasse signifikant häufiger die Vorfahrt missachteten, als andere Autofahrer. In einem weiteren Versuchsaufbau zeigte sich, dass Oberklasse-Autos an einem Zebrastreifen häufiger Fußgängern das Überqueren verweigerten, als nach dem Anschein nach weniger wohl betuchte Menschen in kleineren Fabrikaten.
Selbsteinschätzung zum sozialen und finanziellen Status
Die Ergebnisse der beiden ersten Versuchsreihen reichten nicht aus, um zu einem abschließenden Ergebnis zu gelangen. Daher starteten die Forscher weitere Testungen, um die bereits vorhandene Daten zu sichern. In einer weiteren Studie ließen sie studentische Probanden am Computer einige vorgegebene Aufgaben lösen. Eine Aufgabe bestand darin, sich in Selbsteinschätzung zu üben. Die Studenten sollten ihre wirtschaftliche und soziale Position auf ein Skala von 1 bis 10 einschätzen und danach mit dem Durchschnitt aller US-Einwohner vergleichen. Die Forscher wollten daran ableiten, wie sich die Probanden selbst ökonomisch betrachten, sich eventuell besser oder schlechter fühlen als andere und welche Grundsatzhaltung sie hierzu einnahmen.
Reiche aßen Kindern die Bonbons weg
Im zweiten Teil des Studienaufbaus veranschlagten die Wissenschaftler eine vermeintliche Pause. In Wahrheit war auch die Pause ein Teil der Beobachtung. In der Mitte des Pausenraums wurde ein Glas Bonbons drapiert. Die Forscher sagten zu den Probanden, die Leckereien seien eigentlich für Kinder in einem Nebenraum gedacht, die an einer anderen Studien teilnehmen. Wer will könne sich aber ruhig aber bedienen. Hiernach verließen die Forscher den Raum, um den Studenten das weitere Geschehen zu überlassen. Nach einigen Minuten betraten die Psychologen wieder den Raum und baten zum vermeintlichen zweiten Teil der Studie.
Diejenigen, die sich selbst im ersten Testdurchlauf einer höheren Schicht zugeordnet hatten, hatten sich im Schnitt mehr Bonbons genommen, als diejenigen, die sich eher einer mittleren oder unteren Schicht zugehörig fühlten. In weiteren Testreihen zeigte sich, dass die wohlhabenden Studenten im Verlauf häufiger die Unwahrheit sagten und schummelten, wenn es darum ging, in einem Spiel Geld zu gewinnen.
Positives Verhältnis zur Gier
Als Gründe für das nicht-soziale Verhalten führen die Psychologen der Forschergruppe an, Menschen mit einem höherem Einkommen verfügen ein anderes Verhältnis zur „Gier“. Werte wie Solidarität und oder Mitmenschlichkeit scheinen eher eine untergeordnete Rolle bei den Betroffenen zu spielen. In der Regel empfinden sie „nichts schlechtes daran, sich das zunehmen, was sie haben wollen“. Dabei werden auch zum Teil die Grenzen von Mitmenschen überschritten und gegen Gesetze, Moral und Regeln verstoßen, wie Studienleiter Paul Piff resümierte. Die reichen Studienteilnehmer hatten bei den Selbstanalysen zum Beispiel angeben, dass „Gier“ eine eher positive Eigenschaft sei. Wurden Teilnehmer unterer Schichten dazu gebracht, „Gier“ ebenfalls als etwas positives anzusehen, so „stieg auch die Wahrscheinlichkeit von betrügen, schummeln und lügen.“ Die signifikanten Unterschiede konnten nicht durch das Alter, der ethnischen Herkunft, Religionszugehörigkeit oder politischer Einstellung erklärt werden, wie es im Studienbericht heißt.
„Jeder hat in seinem Leben schon einmal das Gefühl von Gier gespürt“, sagt Piff. Doch die Häufigkeit des Gefühls sei laut der Ergebnisse nicht in allen sozialen Milieus gleichmäßig in der Häufigkeit verteilt. „Für Menschen mit einem hohen Einkommen bedeutet die Durchsetzung der eigenen Interessen eine Grundvoraussetzung für den Erfolg“. Wer über ein hohes Einkommen verfügt, entwickelt fortlaufend neue Wünsche nach mehr Reichtum. Die Forscher vermuten, dass dieser Umstand das Fehlverhalten zusätzlich begünstigt. (sb)
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Thommy Weiss / pixelio.de
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