Bestimmte Gehirnstrukturen erhöhen das Risiko des Drogenmissbrauchs
02.05.2012
Kann der Missbrauch von Drogen bei Jugendlichen im Gehirn erkennbar sein? Im Verlauf einer Studie zeigten Jugendliche ein höheres Risiko mit Drogen oder Alkohol zu experimentieren, weil spezifische Eigenschaften ihres Gehirns sie anscheinend "impulsiver" macht. Demnach gehen bestimmte Gehirnstrukturen mit einer erhöhten Anfälligkeit für Drogen einher. US-Wissenschaftler konnten im Gehirn von Teenagern bestimmte neuronale Netzwerke identifizieren, die im Zusammenhang mit einer erhöhten Affinität für Drogen stehen.
Das internationale Forscherteam um Robert Whelan und Hugh Garavan von der University of Vermont (USA) wies anhand der entdeckten neuronalen Hirnmuster auch einen möglichen Zusammenhang zwischen impulsivem Verhalten und dem Hang zum Drogenkonsum nach. Bereits seit längerem wurde vermutet, dass eine beeinträchtigte Impulsregulation eine erhöhte Affinität für Drogen verursachen kann.
Neuronale Netzwerke bewirken impulsives Verhalten und begünstigen Drogenkonsum
Die Wissenschaftler um Robert Whelan und Hugh Garavan haben im Rahmen ihrer Studie die Gehirnstrukturen von 1.896 Jugendlichen im Alter von 14 Jahren untersucht. Die Studie ist Teil des Analyse-Projekts „Imagen“, bei dem europäische Wissenschaftler die Daten von 2.000 Jugendlichen aus Irland, Frankreich, England und Deutschland über Jahre erfassen und analysieren. An der aktuellen Studie waren neben den Forschern aus den USA auch deutsche Wissenschaftler aus Hamburg, Berlin, Heidelberg und Dresden beteiligt. Die Studie wurde von der Europäischen Union finanziell unterstützt. Die Wissenschaftler stellten im Rahmen ihrer Untersuchungen fest, dass bestimmte neuronale Netzwerke sowohl mit einer beeinträchtigten Impulsregulation als auch mit einem Hang zu Drogen in Verbindung gebracht werden können. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Forscher in dem Fachmagazin „Nature Neuroscience“. Um die Gehirnstrukturen der Jugendlichen zu ermitteln, erstellten Whelan und Kollegen mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) während einer Reihe von Versuchen Aufnahmen des Gehirns der 14-Jährigen. Die Teenager sollten im Rahmen der Versuche zum Beispiel einen Knopf über einen bestimmten Zeitraum gedrückt halten oder in letzter Sekunde vor dem Ablaufen der Zeit den Knopfdruck stoppen. Hier haben die Jugendlichen mit beeinträchtigter Impulsregulation eher Schwierigkeiten, als die Heranwachsenden mit guter Impulskontrolle.
Beeinträchtigte Impulsregulation bedingt eine erhöhte Anfälligkeit für Drogen
Im Rahmen der Studie befragten die Forscher die Jugendlichen außerdem zu ihren bisherigen Drogenerfahrungen und berücksichtigten auch genetische Faktoren. Sie stellten fest, dass Jugendliche mit impulsivem Verhalten beziehungsweise beeinträchtigter Impulsregulation eher zum Drogen-, Tabak- und Alkoholkonsum neigten als andere. Bei den betroffenen Jugendlichen konnten die Forscher auf den fMRT-Bildern eine Unterfunktion eines „bestimmten orbitofrontalen kortikalen Netzwerks“ feststellen. Diese verminderte Aktivität in dem neuronalen Netzwerk des Orbitofrontalen Cortex mache die Heranwachsenden sowohl impulsiver als auch experimentierfreudiger bei Alkohol, Zigaretten und illegalen Drogen, schreiben Whelan und Kollegen. Die aktuellen Ergebnisse der Studie helfen an dieser Stelle auch die Huhn-oder-Ei-Frage zu klären, ob bestimmte Gehirnmuster vor dem Drogenkonsum vorhanden waren – oder erst durch diesen verursacht wurden, berichtet die Universität von Vermont.
Zusammenhang zwischen ADHS und erhöhter Affinität für Drogen?
Der Zusammenhang zwischen einer beeinträchtigten Impulskontrolle und der Affinität für Drogen wurde bereits in zahlreichen Studien nachgewiesen. Vor allem die Verbindung zwischen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und der Anfälligkeit für Drogen stand dabei laut Aussage der Forscher von der University of Vermont im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Denn sowohl ADHS als auch früher Drogenkonsum wurden mit einer mangelhaften Impulskontrolle in Verbindung gebracht. Allerdings konnten die Wissenschaftler um Robert Whelan und Hugh Garavan im Rahmen ihrer Studie belegen, dass „diese scheinbar gleichen Probleme durch unterschiedliche Netzwerke im Gehirn reguliert werden“, berichtet die Universität von Vermont. Dies stärke die Idee, dass das Risiko von ADHS nicht unbedingt ein erhöhtes Risiko des Drogenkonsums mit sich bringen muss.
Risiko des Drogenkonsums anhand neuronaler Netzwerke erkennen?
Insgesamt lieferten die Forschern einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der Impulsregulation im Gehirn und der hiermit verbundenen Anfälligkeit für Drogen. Die aktuellen Erkenntnisse könnten unter Umständen auch dazu beitragen in Zukunft bereits frühzeitig die Anfälligkeit von Heranwachsenden für Drogen zu bestimmen, so die Hoffnung der Wissenschaftler. Die wesentliche Nachricht sei jedoch, „dass Impulsivität zerlegt und auf verschiedene Hirnregionen“ herunter gebrochen werden kann, wobei „das Funktionieren einer Region mit den ADHS-Symptomen im Zusammenhang steht, während die Funktion der anderen Regionen mit dem Drogenkonsum in Verbindung steht“, erläuterte Hugh Garavan. (fp)
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