Pilzinfektionen verursachen lebensbedrohliche Sepsis
30.07.2012
Pilzinfektionen können zu lebensbedrohlichen Entzündungsreaktionen im menschlichen Organismus führen. Dabei ist häufig nicht der Erreger an sich, sondern die „überschießende entzündliche Immunantwort“ Ursache der „fatalen Folgen“, schreiben die Forscher um Karl Kuchler von der MedUni Wien in dem Fachjournal „PLoS Pathogens“.
Die Wissenschaftlern haben laut Mitteilung der Medizinischen Universität Wien, „die molekularen Entstehungsursachen von lebensbedrohlichen Entzündungsreaktionen, die durch Pilzinfektionen hervorgerufen werden, entschlüsselt.“ Die Pilzinfektionen sind insbesondere bei immungeschwächten Personen häufig Ursache für eine Blutvergiftung (Sepsis). „Auf Intensivstationen ist Sepsis weltweit die zweithäufigste Todesursache und insbesondere bei stark immungeschwächten Patienten stellen lebensbedrohliche Candida Pilzinfektionen ein hohes Risiko für Sepsis dar“, so Kuchler und Kollegen.
Überschießende entzündliche Immunantwort bei Pilzinfektionen
Die Arbeitsgruppe um Karl Kuchler im CD-Labor der MedUni Wien (Christian Doppler-Labor für Infektionsbiologie, Max F. Perutz Laboratories am Campus Vienna Biocenter) hat herausgefunden, wie die überschießende entzündliche Immunantwort der Pilzinfektionen, welche meist für die lebensbedrohlichen Folgen – zum Beispiel Organschäden – verantwortlich ist, auf molekularer Ebene abläuft und wie sie möglicherweise blockiert werden kann. Den Ergebnissen von Kuchler und Kollegen zufolge spielen „zwei hochaggressive Typen von Fresszellen des Immunsystems (Neutrophile und inflammatorische Monozyten), die allerdings auch hohes kollaterales Zerstörungspotential besitzen“, bei der entzündlichen Reaktion der Candida Infektion ein wesentliche Rolle. Spezielle Interferone,die als Botenstoffe des Immunsystems bei Pilzinfektionen ausgeschüttet werden, stimulieren die Einwanderung dieser Immunzelltypen in infizierte Organen und verursachen auf diese Weise die Sepsis, berichten die Forscher
Blockierung der Entzündungsreaktion verhindert eine Sepsis
Die Wissenschaftler konnten nicht nur belegen, auf welche Weise die Pilzinfektionen zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung führen, sondern stellten auch fest, dass die „pharmakologische Verminderung der Monozyten und Neutrophilen durch die Behandlung mit Pioglitazon“ hier eine positive Wirkung entfaltet. „Wir konnten erstmals zeigen, dass die gezielte Blockade dieser Immunantwort mit entzündungshemmenden Medikamenten eine Candida-Sepsis und somit die Sterblichkeit deutlich reduziert“, erläuterte Karl Kuchler. Der entzündungshemmende Wirkstoff Pioglitazon ist bereits seit längerem bekannt und wird unter anderem zur Behandlung von Typ II Diabetes eingesetzt. Im Versuch mit Mäusen konnte „durch die Gabe des Medikaments die Zahl und Aktivität von Neutrophilen und inflammatorischen Monozyten gezielt vermindert und die Überlebensrate bei invasiven Candida Infektionen erhöht werden“, so die Mitteilung der Medizinischen Universität Wien.
Entdeckung eröffnet neue therapeutische Ansätze
Nach Ansicht des Forscherteams um Karl Kuchler könnte „die gezielte Blockade überschießender Immunreaktionen neue therapeutische Ansätze ergeben, um die Heilungschancen bei einer lebensbedrohlichen Pilzsepsis zu erhöhen.“ Dies würde zusätzliche Spielräume bei der Infektionsvorbeugung und Behandlung eröffnen. Welche weitreichende Bedeutung die Entdeckung hat, wird deutlich wenn man bedenkt, dass Infektionskrankheiten weltweit die Todesursache Nummer eins und die pathogenen Pilze dabei für besonders gefährliche Infektionen verantwortlich sind. Laut Mitteilung der MedUni Wien „werden alljährlich mehr als 6 Milliarden Euro für antifungale Medikamente ausgegeben, und die Gesamtkosten für die medizinische Behandlung von Infektionserkrankungen durch pathogene Pilze übersteigen dreistellige Milliardenbeträge.“ Hier könnte der neue Behandlungsansatz also nicht nur im Sinne der Patienten eine deutliche Verbesserung darstellen, sondern auch das Gesundheitssystem unter finanziellen Gesichtspunkten entlasten. Ob am Ende der bereits getestete Wirkstoff Pioglitazon zum Einsatz kommt oder bessere Alternativen gefunden werden, ist dabei nebensächlich. Entscheidend ist die Entdeckung des molekularen Wirkmechanismus und die generelle Option zur Blockierung der entzündlichen Reaktionen. (fp)
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Bildnachweis: Gerd Altmann / pixelio.de
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