Bestimmen Gene die Anfälligkeit für Ohnmachten?
07.08.2012
Die Anfälligkeit für Ohnmacht wird offenbar genetisch bedingt. Das Forscherteam um Samuel Berkovic vom Epilepsie-Forschungszentrum der Universität Melbourne hat herausgefunden, dass genetische Faktoren einen erheblichen Einfluss auf das Auftreten sogenannter Synkopen (Ohnmacht durch Kreislaufkollaps) haben.
Zwar konnten die Wissenschaftler kein einzelnes Gen bestimmen, das für die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Ohnmachten in Frage kommt, doch anhand von Zwillingen wiesen sie nach, dass genetische Faktoren bei den Bewusstseinsverlusten insgesamt eine wesentliche Rolle spielen. Demnach sind Ohnmachten zumindest teilweise erblich bedingt.
Eineiige Zwillinge mit Übereinstimmungen bei den Ohnmachtsanfälligkeit
Die Forscher um Samuel Berkovic befragten im Rahmen ihrer Studie 51 gleichgeschlechtliche Zwillingspaare, von den jeweils mindestens ein Zwilling bereits einen Ohnmachtsanfall erlebt hatte. Das Alter der Probanden lag zwischen neun und 69 Jahren. Per Telefon wurden die Zwillinge mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens interviewt und außerdem die erhältlichen medizinischen Aufzeichnungen analysiert. Dabei beobachteten die Forscher einen eindeutigen „Trend zu fallweise höheren Übereinstimmungen bei monozygoten (eineiige) als bei dizygoten (zweieiige) Zwillingen für jede Synkope“, berichten Berkovic und Kollegen im Fachmagazin „Neurology“. In identischen Situationen war die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Ohnmacht des einen Zwillings auch der andere das Bewusstsein verliert, für genetisch identische (monozygote) Zwillinge doppelt so hoch, wie für Zweieiige, schreiben die Neurologen.
Mehrere Gene bedingen die erhöhte Anfälligkeit für Ohnmachten
Generell seien bei den eineiigen Zwillingen bezüglich der Ohnmachtsanfälle weit klarere Übereinstimmung festzustellen gewesen, als bei den Zweieiigen. Dies lege den Schluss „nahe, dass Ohnmacht genetisch bedingt ist, aber es können durchaus mehrere Gene und mehrere Umweltfaktoren zusammen sein, die das Phänomen auslösen“, so die Aussage von Berkovic und Kollegen in dem Artikel „Hinweise auf genetische Faktoren bei vasovagalen Synkopen“. Insgesamt liefere die Analyse der Zwillingspaare „starke Hinweise auf die Bedeutung genetischer Faktoren“ bei dem Auftreten der plötzlichen Ohnmachten. Auffällig war auch, dass zwölf der 19 eineiigen Zwillingspaare angaben, dass kaum beziehungsweise keine anderen Familienmitgliedern von Ohnmachtsanfällen betroffen sind, während bei den übrigen sieben Zwillingspaaren mehrere enge Verwandte ebenfalls Synkopen erlitten. Dies werteten die Forscher als Hinweis darauf, dass vermutlich mehrere Gene die Anfälligkeit für Ohnmachten bedingen. „Wenn es ein einzelnes Gen wäre, dürfte man“, laut Samuel Berkovic, „erwarten, dass die Ohnmachtshäufigkeit bei anderen Verwandten der Zwillinge ähnlich hoch ist.“ Dies haben die Forscher jedoch nicht festgestellt.
Ohnmacht aufgrund zu geringer Durchblutung des Gehirns
Vasovagalen Synkope werden neural bedingt, wobei ein Reflex die plötzliche Erweiterung der Blutgefäße und eine Verringerung der Herzfrequenz bedingt. Die Folge ist ein schlagartiges Absinken des Blutdrucks und eine zu geringe Durchblutung des Gehirns. Die Betroffenen verlieren kurzfristig das Bewusstsein und brechen zusammen. Im Liegen erreicht wieder ausreichend Blut das Gehirn, so dass die Ohnmacht in der Regel nach kurzer Zeit überstanden ist. Dennoch sind die Situationen für die Betroffenen oftmals äußerst unangenehm und nicht selten gefährlich. Möglicher Auslöser dieser plötzlichen Ohnmacht können zum Beispiel akuter Stress, der Anblick von Blut, Erschrecken, Schmerz oder auch langes Stehen sein. (fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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