Desinfektionsmittel Triclosan beeinträchtigt die Muskelfunktion
14.08.2012
Als antibakteriell wirkendes Mittel ist Triclosan in zahlreichen Körperpflegeprodukten wie beispielsweise Seife oder Schminke enthalten. Die gesundheitliche Wirkung des Desinfektionsmittels ist bislang trotz dessen weitreichender Verbreitung wenig untersucht. Triclosan steht schon seit längerem im Verdacht als Allergieauslöser. Nun haben US-Wissenschaftler außerdem eine Muskel-schädigende Wirkung des Desinfektionsmittels festgestellt. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) lasse sich Triclosan auch in Deutschland in zahlreichen Produkten finden.
Wie die Forscher um Gennady Cherednichenkoa von der University of Colorado in Denver im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten hat das Desinfektionsmittel in ihren Versuchen eine fatale Wirkung auf die Skelett- und Herzmuskulatur entfaltet. „Triclosan schwächt die Herz-und Skelettmuskel-Kontraktilität in einer Weise, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann, besonders bei empfindlichen Bevölkerungsgruppen“, schreiben Cherednichenkoa und Kollegen.
Desinfektionsmittel verursacht Allergien und schädigt die Muskeln
Triclosan ist heute in zahlreichen unterschiedlichen Produkten von Zahnpasta über Haushaltsreiniger bis hin zu Teppichböden und Matratzen enthalten. Dabei ist der Einsatz des Desinfektionsmittels schon seit längerem umstritten, da Triclosan im Verdacht steht, Allergien auszulösen. Die von den US-Wissenschaftlern aufgedeckte negative Wirkung auf die Muskeln könnte jedoch weit bedenklicher sein. Denn in Versuchen mit Mäusen und Fischen belegten Cherednichenkoa und Kollegen, dass Triclosan die Aktivität bestimmter Rezeptoren beeinflusst und so die Muskelfunktion hemmt. Durch den Eingriff in die molekularen Abläufe beziehungsweise die neuromuskulären Störungen, können sich die Muskeln nicht mehr richtig zusammenziehen, berichten die US-Forscher.
Muskelfunktion bei Fischen und Mäusen beeinträchtigt
So habe sich bei Versuchen mit Fischen (Dickkopfelritzen) gezeigt, dass diese deutlich weniger schwammen und sich langsamer bewegten, nachdem sie eine Woche in Wasser lebten, dass mit Konzentrationen von Triclosan belastetet war, wie sie heute in der Umwelt durchaus üblich sind, berichten Cherednichenkoa und Kollegen. Dies werteten die Forscher als deutlichen Hinweis darauf, dass die Muskelfunktion der Fische nachgelassen hatte. Bei Mäusen habe das Desinfektionsmittel eine ähnliche Wirkung auf die Muskulatur entfaltet.
Die Mäuse konnten sich laut Aussage der US-Wissenschaftler um 18 Prozent schlechter am Untergrund festkrallen, nachdem ihnen einen Dosis des Desinfektionsmittels verabreicht wurde. Dieser Test der Griffkraft ist relativ verbreitetet und dient dazu, neuromuskuläre Störungen zu ermitteln. Neben dem Verlust der Griffkraft stellten die Forscher bei betäubten Mäusen – 20 Minuten nachdem diese dem Desinfektionsmittel ausgesetzt waren – eine Rückgang der Herzfunktion um rund 25 Prozent fest.
Kontraktion der Herz- und Skelettmuskeln durch Triclosan gestört
Die Beeinträchtigung der Herzfunktion bei den betäubten Mäusen sei „dramatisch“ gewesen, erläuterte der Co-Autor der Studie, Nipavan Chiamvimonvat von der Abteilung für kardiovaskuläre und Innere Medizin an der University of Colorado. In Laborversuchen haben die Wissenschaftler auch den Effekt des Desinfektionsmittels auf menschliche Muskelzellen untersucht und dabei festgestellt, dass hier die molekularen Abläufe ebenfalls gestört werden, wodurch sich zu Beispiel die Herzmuskelzellen nicht mehr richtig kontraktieren konnten. „Triclosan beeinträchtigt orthograd als auch retrograd die Signalisierung zwischen L-Typ Ca2 + und RyR Kanäle im Skelettmuskel und L-Typ Ca2 +-Eintrag im Herzmuskel“, wodurch die Herz-und Skelettmuskel-Kontraktilität deutlich geschwächt wird, berichten Cherednichenkoa und Kollegen.
Tatsächliche Gesundheitsrisiken durch Triclosan weiterhin unklar
Zwar seien derartige Laborversuche an einzelnen Muskelzellen nicht unbedingt aussagekräftig in Bezug auf die Funktion des Herzen insgesamt, da hier das komplexe Zusammenspiel unzähliger Zellen entscheidend ist, doch können die Laborexperimente als Hinweise darauf gewertet werden, dass Triclosan klinisch bedeutsame Schäden verursacht, berichten die US-Wissenschaftler. Diese Hinweise hätten sich sowohl bei den in vitro als auch bei den in vivo Versuchen an Mäusen und Fischen erhärtet.
Die untersuchten Konzentrationen seien in etwa den natürlichen Umständen angepasst gewesen, "wobei den Mäusen das Desinfektionsmittel jedoch direkt in die Bauchhöhle injiziert wurde", schreiben Cherednichenkoa und Kollegen. Dies könne möglicherweise einen Unterschied in der Wirkung bedingen, da Triclosan normalerweise über die Haut, Atemwege oder Schleimhäute aufgenommen wird. "So lassen die Versuche zwar Rückschlüsse auf die Wirkung des Desinfektionsmittels zu, ermöglichen jedoch keine Aussage zu der tatsächlichen Gefährdung von Mensch und Tier", berichten die Experten. Demnach bleibt vorerst unklar, welche Risiken von der Verwendung des Desinfektionsmittels ausgehen, auch wenn die aktuellen Studien eindeutige Hinweise darauf liefern, dass Triclosan negative Folgen für die Gesundheit insbesondere bei empfindlichen Personen haben kann.
Verzicht auf das Desinfektionsmittel Triclosan gefordert
Angesichts der massiven Verbreitung des Desinfektionsmittels scheint besondere Vorsicht geboten. Rückstände von Triclosan wurden unter anderem bereits im menschlichem Urin, Blut und der Muttermilch nachgewiesen. Aufgrund der möglichen Wirkung als Allergieauslöser und der nun entdeckten Hinweise auf einen Beeinträchtigung der Herz- und Skelettmuskeln sollte der Einsatz der Desinfektionsmittels grundlegend überdacht werden. Hinzu kommt das Risiko der Bildung resistenter Bakterien, durch den ständigen Kontakt mit niedrigen Dosen Triclosan im Alltag. Die Hersteller sind daher dazu aufgerufen, den Einsatz des Desinfektionsmittels möglichst zu vermeiden. Die meisten Experten fordern übereinstimmend, in Zukunft auf Triclosan in Körperpflegeprodukten, Textilien und Reinigungsmitteln zu verzichten. Ob dies auf freiwilliger Basis funktioniert oder der Gesetzgeber einschreiten muss, bleibt vorerst offen.
Das Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) wollte sich zunächst nicht zu den Studienergebnissen äußern. Allerdings lasse sich Triclosan auch in Deutschland in einigen Artikeln finden, so ein Sprecher des Instituts. Nur in Lebensmitteln sowie in Materialen, die direkt mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen, darf die Substanz in der EU seit 2010 nicht mehr verwendet werden. (fp)
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Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
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