Verlust der Bienen mit fatalen Folgen für die Menschheit
04.09.2012
Bienen werden nicht ohne Grund als besonders fleißige Tiere wahrgenommen. Sie leisten einen enormen Beitrag zur landwirtschaftlichen Produktion, indem sie für die Bestäubung der Pflanzen sorgen. Seit Jahren geht die Zahl der Bienenvölker in den modernen Industrienationen weltweit jedoch zurück. Experten schlagen Alarm.
Der Präsident der European Society for Bee Research, Robin Moritz, hat gestern beim Auftakt des „Eurbee 5“-Kongresses an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf die katastrophalen Folgen hingewiesen, die ein weiterer Rückgang der Bienen-Population haben könnte. „Etwa zwei Drittel der Nahrungsmittel hängen von der Arbeit der Bienen ab”, betonte Robin Moritz die Bedeutung der fleißigen Insekten. Ein Aussterben der Bienen „würde die Welt fundamental verändern”, so der Präsident der European Society for Bee Research weiter. Die weltweit rückläufige Zahl der Bienenvölker ist laut Aussage der Experten im wesentlichen auf die wachsende Verbreitung von Parasiten und Krankheiten sowie die sinkende Anzahl der Imker zurückzuführen. Auf dem internationalen „Eurbee 5“-Kongress werden rund 450 Bienenexperten aus 52 Ländern weltweit erwartet. Hier werden die neuesten Erkenntnisse aus der Parasiten- und Krankheitsforschung präsentiert.
Varroamilbe der Bienen ärgster Feind
Einen massiven Anteil an der rückläufigen Bienen-Population hat laut Aussage der Experten die Varroamilbe. Sie ist Robin Moritz zufolge der Bienen „ärgster Feind“. Die Milbe dringt in die Brut beziehungsweise den Brutstock ein, wo sie sich optimal entwickeln und vermehren kann. Ähnlich wie Zecken beim Menschen heftet sich die Milbe an den Bienen an und ernährt sich von deren Blut. Vor rund 30 Jahren wurde der Parasit aus Asien nach Europa eingeschleppt und hat seither zur Vernichtung zahlreicher Bienenvölker beigetragen. „Die Varroamilbe ist ein nachhaltiges Problem für die Imker, die regelmäßig ihre Völker dagegen behandeln müssen, damit sie nicht eingehen“, erläuterte der Präsident der European Society for Bee Research. Immer wieder war in den vergangenen Jahren zum Herbst ein regelrechtes Massensterben der Bienen aufgetreten, dass durch die hartnäckigen Parasiten ausgelöst wurde.
Bakterielle Krankheiten als Bedrohung für die Bienen
Auch Krankheiten wie beispielsweise die sogenannte Amerikanischen Faulbrut, welche im Jahr 2011 zahlreiche Bienenvölker in Bayern befallen hat, sind für die Bienen-Bestände einen wachsende Gefahr. Zwar konnte die Ausbreitung der Amerikanischen Faulbrut in der heimischen Bienenpopulation vorerst gestoppt werden, doch droht zum Beispiel bei leichtfertigem Umgang mit leeren Honiggläsern auch in Deutschland ein erneutes Auftreten dieser bakterielle Bienenseuche. Für die Larven der Bienen endet ein Befall des Brutstock in der Regel tödlich, so dass die Bienen-Population insgesamt durch eine verstärkte Ausbreitung der Erreger erheblich in Mitleidenschaft gezogen würde.
Rückläufige Zahl der Imker bedingt sinkenden Bienen-Bestand
Auch die rückläufige Zahl der Imker hat laut Aussage der Experten einen erheblichen Einfluss auf den Bienen-Bestand. Robin Moritz zufolge ist die Anzahl der Imker in Deutschland seit 1990 von zwei Millionen auf rund eine Millionen gesunken. Immer weniger junge Menschen interessieren sich für den Beruf des Bienenzüchters. Ein Problem, dass in Osteuropa noch weit einschneidendere Ausmaße angenommen hat als in Deutschland. Denn die ehemals staatlich gestützte Honiggewinnung in den Ostblockstaaten unterliegt heute den Regel der freien Marktwirtschaft. Für viele ist der Beruf des Imkers daher aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr attraktiv. Für das ökologische Gleichgewicht hätte es nach Ansicht des Experten fatale Folgen, wenn es nicht gelänge, die Bienenbestände wieder zu vermehren oder zumindest zu halten.
Neueste Erkenntnisse der Bienenforschung werden präsentiert
Der „Eurbee“-Kongress ist laut Aussage der Initiatoren „die wichtigste europäische Plattform für die Zusammenführung von internationalen Wissenschaftlern mit Interesse an allen Aspekten der Biologie der Honigbiene.“ In zahlreichen Plenarvorträge und Symposien werden nicht nur die möglichen Gefährdungen des Bienen-Bestandes und dessen Folgen thematisiert, sondern auch grundsätzliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Bienenforschung, wie zum Beispiel zur Funktionsweise des Bienengehirns präsentiert.
Klimawandel mit Einfluss auf die Bienen-Population
Einen weiteren Aspekt im Rahmen der „Eurbee 5“ bildet die im Zuge des Klimawandels schwindende Anzahl der Bienenarten. Rund 2.000 unterschiedliche Arten existieren laut Einschätzung der Experten weltweit. Viele von ihnen leben in den Tropen und sind bis heute nicht erforscht, erläuterte Robin Moritz. Die fleißigen Insekten seien jedoch auch in Gebirgen, Wüstenregionen und kühleren, kargen Landschaften zu finden. Von Skandinavien bis nach Südafrika zum Kapp der gute Hoffnung, von Australien bis in die USA reicht ihre Verbreitung. Rund um den Globus leisten Bienen auf ihren Flügen einen wesentlichen Beitrag zur Bestäubung der örtlichen Flora. Einige Arten sind besonders auf ihr Umfeld spezialisiert. Sie vertragen zum Beispiel Kälte besser als andere oder kommen mit einem geringen Blütenbestand zurecht.
Bienenvorkommen in unterschiedlichen Höhenlagen untersucht
Wissenschaftler vom Biozentrum der Universität Würzburg haben die Verbreitung unterschiedlicher Bienenarten im Nationalpark Berchtesgaden untersucht und dabei mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Artenvielfalt der Bienen aufgezeigt. Die Würzburger Biologen um Bernhard Hoiß analysiert im Rahmen ihrer Studie die Verbreitung der Bienenarten auf unterschiedlichen Höhenlagen. „Der Nationalpark ist dafür hervorragend geeignet, weil dort auf engem Raum große Höhen- und damit große Klimaunterschiede“ vorzufinden sind, erläuterte Hoiß in einer Presseerklärung der Universität Würzburg Ende August. Die Wissenschaftler hatten in Höhen zwischen 600 und 2.000 Metern im Verlauf eines Jahres insgesamt 87 Wildbienen-Arten nachgewiesen, 19 davon aus der Gattung der Hummeln. Mit zunehmender Höhe (sinkender Temperatur) ging die festgestellte Artenvielfalt laut Aussage der Forscher kontinuierlich zurück. In größerer Höhe waren fast ausschließlich speziell angepasste Bienenarten verbreitet. „Der Großteil der Arten in höheren Lagen hat nur ein kleines Verbreitungsgebiet und ist an alpine und kühle Lebensräume angepasst“, so die Aussage der Würzburger Forscher. Auf den niedriger gelegenen, deutlich wärmeren Flächen war „der Artenreichtum und die Zahl der Individuen ungefähr zwei bis drei Mal größer als auf den Wiesen weiter oben“, erläuterten Hoiß und Kollegen.
Höhere Spezialisierung zu Lasten der Konkurrenzfähigkeit
Durch die Spezialisierung der Bienen auf die kühleren Bedingungen in höheren Lagen haben sich einige Wildbienenarten eine ökologische Nische erschlossen, die ihnen im Zuge des Klimawandels jedoch wieder genommen werden könnte. Denn die „evolutionären Anpassungen an widrige klimatische Bedingungen im Gebirge gehen auf Kosten der Konkurrenzstärke“, berichten die Würzburger Biologen. Drängen nun die konkurrenzstärkeren Bienenarten aus wärmeren Gefilden im Zuge des Klimawandels in die höheren Regionen, wären die ehemaligen Spezialisten deutlich im Nachteil. „Sollten weniger kältetolerante Arten mit ähnlichen Ansprüchen in den Lebensraum der Hochgebirgsspezialisten vordringen“, könnte die „reduzierte Konkurrenzkraft den Spezialisten zum Verhängnis werden“, erläuterte Hoiß. Die Folge wäre ein sinkender Artenreichtum bei den derzeit mehr als 500 verschiedene Wildbienenarten in Deutschland. Welche Auswirkungen diese geringere Artenvielfalt auf die Pflanzenwelt in alpinen und kühleren Regionen wie beispielsweise Skandinavien haben könnte, ist bislang jedoch unklar.
Fest steht, dass der allgemeine Rückgang des Bienen-Bestandes bei Fortsetzung des Trends erhebliche gesamtgesellschaftliche Auswirkungen mit sich bringen würde. Die Ernährung der Bevölkerung wäre nachhaltig gefährdet und auf volkswirtschaftlicher Ebene würde ein massiver Schaden entstehen. Ein besonderer Schutz des Bienen-Bestandes und Bemühungen zum Ausbau der Bienen-Population scheinen daher dringend geboten. (fp)
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