AOK: Statt Auszahlung der Überschüsse an die Versicherte lieber in Strukturreformen investieren
09.09.2012
Der Verbund der Allgemeinen Ortskrankenkassen AOK wehrt sich gegen Forderungen der Politik, die rund 22 Milliarden Euro Finanzrücklagen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Prämien zu verwenden. Stattdessen sollte in Strukturreformen investiert werden, um die Krankenkassen Krisenfest zu machen.
Finanzrücklagen für Strukturreformen verwenden
Erneut stemmt sich die AOK gegen eine Prämien-Rückzahlung. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, appelliert in Richtung der Politik, das angehäufte Finanzpolster von etwa 22 Milliarden Euro für „strukturelle Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung zu nutzen“. Im Zeichen des Europäischen Fiskalpakt und der damit verbundenen Schuldenbremse der öffentlichen Haushalte, werde die schwarz-gelbe Bundesregierung die Strukturlücke in der GKV nicht mehr mit den bisherigen Modellen bewerkstelligen können, so der Kassenchef. Aus diesem Grund sollten dringend notwendige strukturelle Reformen angegangen werden. „Dazu muss das Finanzpolster in der GKV genutzt werden, statt die Rücklage durch kurzatmigen Aktionismus zu verbrennen". Dabei will die AOK die Qualität zum Maßstab für die medizinische Versorgung machen, wie der Geschäftsführende Vorstand der AOK, Uwe Deh, erläuterte.
Nach Informationen des AOK-Bundesverbandes bestehe schon heute in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Strukturlücke zwischen Einnahmen und Ausgaben in Höhe von „über vier Milliarden Euro.“ Denn die Ausgaben steigen seit 2004 im Durchschnitt um 3,6 Prozent pro Jahr. Im Gegensatz dazu seien laut Graalmann die Kassenbeiträge nur um 1,5 Prozent jährlich gestiegen.
Politik setzte vermehrt auf Feuerwehr-Politik
Von Seiten der Politik wurden immer nur kurzfristige Maßnahmen eingesetzt, um die Lücke zu schließen. Zu diesen Kurzzeiteffekten zählen beispielsweise der Anstieg der Kassenbeitragssätze, Kostenbremsen, höhere Zuschüsse des Bundes und Kürzungen der Gesundheitsleistungen. Die eigentlichen Ursachen wurden „jedoch nie richtig angegangen“. So blieb die „Architektur des Hauses GKV immer unverändert“, kritisiert der AOK-Bundesverbandsvorsitzende. Durch die einmalige und historische Chance der Milliardenüberschüsse könnte die GKV durch nachhaltige Strukturreformen erneuert werden. Vor allem bei der Ausgabenseite könnten zahlreiche Reformen greifen.
Dazu gehören nach Meinung des AOK-Chefs „Rationalität statt Rationierung eine konsequente Nutzen-Bewertung von Kassenleistungen, wie sie etwa das (AMNOG) für Medikamente vorsehe, sowie eine strikte Orientierung an der Qualität der Versorgung.“
"Wir müssen aus dem Finanz-plus ein Qualitätsplus machen, dafür stehen pro Jahr rund drei Milliarden Euro mehr zur Verfügung", so Graalmann. Zugleich plädierte der Kassenvorstandsvorsitzende einen „einheitlichen Versicherungsmarkt im Gesundheitssystem“ zu installieren. Für alle Anbieter sollten gleiche Wettbewerbsanreize, Handlungsmöglichkeiten und Spielregeln gelten. "Dann wird man sehen, wer im Wettbewerb um die besten Versorgungsangebote für die Patienten die Nase vorn haben wird."
Der AOK-Vorstand Uwe Deh schlägt unter anderem ein sogenanntes Anreizsystem vor, das die Qualität in der medizinischen Versorgung erhöht. "Wir haben viele gute Mediziner und viele gute Pflegekräfte. Bei allem Engagement können sie aber nichts daran ändern, dass die Qualität in der medizinischen Versorgung mitunter stark schwankt." Daher seien Patienten in Deutschland oft dem Zufall ausgeliefert.
Als Beispiel für große regionale Unterschiede in der medizinischen Versorgung stellte Deh erste Ergebnisse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) aus der laufenden Entwicklung von Qualitätsindikatoren für Herzkatheter vor. Danach erfolgt in Regionen mit der höchsten Sterblichkeitsrate die Katheteruntersuchung zehn Mal häufiger als in der Region mit der niedrigsten Rate. "Das ist Versorgung nach Postleitzahlen", kritisierte Deh. (sb)
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