Die Techniker Krankenkasse will als erste Kasse Überschüsse an Versicherte auszahlen
18.09.2012
Die gesetzlichen Krankenkassen haben in den letzten Jahren ein Milliardenüberschuss produziert. Die Politik fordert die Kassen seit Monaten auf, Überschüsse an die Versicherten auszuzahlen. Die Techniker-Krankenkasse nutzt nunmehr die Rücklagen für Ausschüttungen an die Beitragszahler. Wer ebenfalls von den Auszahlungen profitieren will, kann in die Kasse im Oktober wechseln. Allerdings steht von Seiten des Kassenvorstandes noch nicht fest, wann die Zahlungen erfolgen. Zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Prämien nun jedes Jahr gezahlt werden.
Ein Teil der Rücklagen in Milliardenhöhe will die Techniker-Krankenkasse in Form von Prämien an die Versicherten ab 2013 auszahlen. Derzeit könnten die rund sechs Millionen Mitglieder von dem bislang einzigartigem Programm auf dem Kassenmarkt profitieren. Am 12 Oktober wolle der Verwaltungsrat der zweitgrößten Krankenkasse in Deutschland, der je zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitgeber und Versicherten besteht, über die genaue Höhe entscheiden, wie der Vorstandsvorsitzende TK-Krankenkasse, Jens Baas, in Berlin erklärte.
Mehr als 100 Euro Jahresprämie
Branchenkenner sind der Auffassung, dass die Prämie rund 100 Euro oder sogar mehr betragen könnte. Nach Angaben der Kasse würden alle die Ausschüttung erhalten, „die ab 2013 in der Techniker-Kasse versichert sind“. Demnach würden nicht nur Bestands- sondern auch Neukunden von der Prämienzahlung profitieren. So müssen Neuversicherte spätestens ab dem ersten Januar des kommenden Jahres in der TK versichert sein. „Wer von seiner alten Kasse in den TK wechseln möchte, sollte spätestens im Oktober seine Kasse kündigen“, berichtet Klaus Bernhard, Versicherungsexperte aus Hannover. Selbstständige, „die freiwillig gesetzlich versichert sind, unterliegen jedoch meist einer 24 Monate Vertragslaufzeit“. Hier sollte noch einmal bei der Kasse nachgefragt werden, so Bernhard.
Bundesregierung forderte Kassen zur Auszahlung der Überschüsse auf
Seit Monaten diskutieren Krankenkassen, Politik und Gesundheitsexperten über die angehäuften Kassenüberschüsse. Während der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Gelder „für kommende Zeiten“ aufsparen will, fordert der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine Auszahlung der Überschüsse an die Beitragszahler, die nicht unbedingt für den laufenden Kassenbetrieb erforderlich sind. Nach aktuellem Stand besitzen alle Kassen gemeinsam eine angehäufte Rücklage von mehr als 20 Milliarden Euro.
Techniker-Krankenkasse verfügt über besonders hohe Rücklagen
Neben den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und einigen anderen Krankenkassen verfügt die TK über ein besonders hohes Plus an Mehreinnahmen. Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden habe die Kasse bereits zu Beginn des laufenden Jahres die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage von zwei monatlichen Ausgaben überschritten. Somit beliefen sich schon damals die Überschüsse auf 2,8 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr rechnet der Kassenchef mit einem Überschuss von rund 800 Millionen Euro. Die Aussichten für das nächste Jahr seien trotz der Eurokrise weiterhin gut, so dass die TK „auch für das Jahr 2013 mit Mehreinnahmen rechnen kann“. Die Prämienhöhe wollte Baas allerdings nennen. Diese werde erst im Verwaltungsrat festgelegt.
Trotz der steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen wird die Kasse aller Voraussicht nach rund eine Milliarde Euro für zusätzliche Bonus- und Gesundheitsangebote zur Verfügung stehen. Bereits Ende 2011 hatte die Kasse als erste gesetzliche Krankenversicherung auch Naturheilkunde und Osteopathie Leistungen für Kassenpatienten möglich gemacht. Mit dem neuerlichen Angebot könnten weitere Mitglieder hinzukommen und darauf spekuliert offensichtlich die Kasse. Demnach könnte laut Branchenkennern die Prämie sogar über 100 oder sogar 130 Euro je Beitragszahler liegen.
In der laufenden Debatte drohte das Bundesversicherungsamt sogar per Zwangsmaßnahmen Gelder an die Versicherten zu überstellen, sollten die Krankenkassen keine adäquaten Maßnahmen ergreifen. Doch die Krankenversicherungen weigerten sich, schließlich befinden sie sich derzeit in einer Auseinandersetzung mit der Ärzteschaft, die in der vergangenen Woche sogar mit Praxisschließungen drohten, falls sie nicht höhere Honorare erhalten. In den laufenden Auseinandersetzungen nutzten daher die Kassen ihren finanziellen Handlungsspielraum und boten den Ärzten Erhöhungen von insgesamt 900 Millionen Euro pro Jahr mehr an Honorarzahlungen.
Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zeigte sich der Bundesgesundheitsminister über die Ankündigung der TK, Gelder an die Versicherten auszuschütten, positiv gestimmt. Schließlich seien die Überschüsse Gelder der Versicherten und Patienten, so Bahr. „Ich begrüße, dass die Techniker Krankenkasse ihre Versicherten an der guten Finanzlage beteiligt. So können die Versicherten in Euro und Cent die Kassen und ihre Leistungen vergleichen.“ Ebenfalls positiv äußerte sich auch der gesundheitspolitische Sprecher von CDU/CSU des Deutschen Bundestages, Jens Spahn. Seiner Meinung nach sei das Vorhaben „begrüßenswert und ein mutiger Schritt“. Spahn sieht darin ein „gutes Zeichen für den Wettbewerb im Gesundheitswesen“.
Prämien werden jedoch auch schon von kleineren Kassen ausgezahlt. Diese sind meistens Bonuszahlungen und liegen zwischen 60 und 80 Euro je Beitragszahler. Einige geschlossene Betriebskassen, die nur für Betriebsangehörigen zugänglich sind, betragen die Bonuszahlungen sogar rund 120 Euro.
Kasse will Gesundheitsempfehlungen aussprechen
Der Kassenchef Baas kündigte an, dass seine Krankenkasse die Zahlung mit einer Gesundheitsempfehlung verbinden werden. So werden den Mitgliedern gleichzeitig präventive Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit wie Sport- und Fitnessseminare, Zahnpflege oder Anti-Stress-Programme angeboten. Hierzu sollen noch entsprechende Broschüren inhaltlich gefüllt und verteilt werden. Allerdings müssen die Versicherten diese Angebote nicht annehmen. „Wer will kann das Geld sich auch ohne Wahrnehmen der Angebote auszahlen lassen“. Allerdings muss das zusätzliche Einkommen beim Finanzamt angegeben und versteuert werden. Der ausgeschüttete Betrag wird demnach „die abzugsfähigen Sozialversicherungskosten senken“.
„Die Prämie war nicht die erste Wahl“ betont Baas. Stattdessen hätte die Techniker-Krankenkasse den Patienten lieber die Praxisgebühren erlassen. Das sei aber mit einem zu hohen bürokratischen Aufwand verbunden gewesen. Auch Alternativen wie zusätzliche Programme wie das Osteoporose-Angebot wurden verworfen. Zum einen biete die TK ihren Versicherten bereits eine Reihe von sinnvollen Angeboten an, die vollends finanziert werden, zum anderen gebe es kaum noch adäquate Zusatzangebote, die aus medizinischer Sicht tatsächlich sinnvoll wären. Verschlechtert sich die Finanzlage der Krankenkasse, so könnten die Zusatzangebote nur schlecht wieder zurückgenommen werden. Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden werde nämlich die gute finanzielle Lage der Krankenkasse nicht mehr lange vorhalten. Daher können die Mitglieder auch nicht davon ausgehen, dass die Prämien nun jahrelang gezahlt werden. Unabhängige Studien hatten zudem ermittelt, dass die Beiträge schon in den kommenden Jahren steigen werden. Auch deshalb wollte der GKV-Spitzenverband die Überschüsse lieber anlegen. (sb)
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