Alkoholabhängigkeit reduziert die Lebenszeit laut einer Studie um rund 20 Jahre
17.10.2012
Alkoholsucht verkürzt die Lebenserwartung um rund zwanzig Jahre, so das Ergebnis einer Langzeitstudie von Forscher der Universitäten Greifswald und Lübeck zu den Auswirkungen des Alkohol- und Tabakkonsums. Die Studie wird laut Angaben der Wissenschaftler Anfang 2013 in dem US-Fachmagazin „Alcoholism: Clinical & Experimental Research“ veröffentlicht.
Wie der Leiter des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin an der Universität Greifswald, Professor Dr. Ulrich John, gegenüber der Nachrichtenagentur "dpa" erklärte, erreichten alkoholabhängige Frauen im Rahmen der Studie durchschnittlich lediglich eine Lebenserwartung von 60 Jahren, alkoholsüchtige Männer starben im Schnitt bereits mit 58 Jahren. „Keiner der verstorbenen Alkoholabhängigen hatte das durchschnittliche Lebensalter von 82 Jahren für Frauen und 77 Jahren für Männer erreicht“, so der Studienleiter weiter.
Alkoholsucht bedingt eine deutliche Lebenszeitverkürzung
Die Forscher hatten im Rahmen ihrer nach eigenen Angaben repräsentativen Studie bereits 1996 die Gesundheitsdaten von 4.070 zufällig ausgewählten Einwohnern Lübecks und 46 umliegender Gemeinden erfasst und ausgewertet. Unter den Studienteilnehmern waren auch 153 Alkoholabhängige. 149 Probanden mit Alkoholsucht (119 Männer, 30 Frauen) nahmen anschließend an der Langzeitstudie der Wissenschaftler teil. Vierzehn Jahre lang beobachteten Prof. John und Kollegen, welchen Einfluss der Alkohol auf die Gesundheit der Abhängigen hat. Dabei stellten sie fest, dass die Alkoholsucht eine massive Verkürzung der Lebenserwartung bedingt. Auch habe sich die Sterberate unter den Studienteilnehmern gegenüber Gleichaltrigen ohne Alkoholproblem deutlich erhöht. Sie lag bei den männlichen Alkoholabhängigen um das 1,9-fache höher und bei den Alkoholikerinnen sogar um das 4,6-fache.
Frauen reagieren anfälliger auf Alkohol als Männer
Laut Aussage des Greifswalder Epidemiologen scheinen „Frauen schneller und stärker mit Erkrankungen auf Alkoholkonsum zu reagieren als Männer.“ Diese erhöhte Anfälligkeit lasse sich nicht allein durch die geringere Körpermasse erklären. „Frauen müssen beherzigen, dass sie deutlich weniger Alkohol konsumieren dürfen als Männer“, so Prof. John weiter. Als Orientierungshilfe können hier die internationalen Richtwerte herangezogen werden, die eine maximale Tagesmenge von zwölf Gramm Alkohol für Frauen und 24 Gramm für Männer vorsehen. Überschreitungen sollten möglichst vermieden werden und "an mindestens zwei Tagen die Woche ist ein vollständiger Verzicht auf Alkohol angeraten".
Alkohol verringert die Lebenserwartung stärker als Rauchen
Überrascht hat die Wissenschaftler nicht nur die drastische Auswirkung der Alkoholabhängigkeit auf die Lebenserwartung, sondern auch „dass die Alkoholabhängigkeit im Vergleich zum Rauchen besonders stark zu einer Lebenszeitverkürzung beizutragen scheint“, erläuterte Prof. John. Dies sei vermutlich dadurch zu erklären, dass die durch Rauchen bedingten tödlichen Krebserkrankungen oft erst in einem Alter von deutlich über 60 Jahren auftreten – einem Lebensalter, das die meisten Alkoholabhängigen erst gar nicht erreichen.
Entwöhnungstherapien ohne Auswirkungen auf die Lebenserwartung
Die Forscher stellten im Rahmen ihrer Studie außerdem fest, dass Therapien gegen die Alkoholabhängigkeit keinen positiven Einfluss auf die Lebenserwartung hatten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diejenigen, die in einer Entwöhnungsbehandlung waren, keine größeren Überlebenszeiten gegenüber denen hatten, die nie eine Therapie absolviert hatten“, erläuterte Studienleiter Prof. John. Von den 149 Alkoholabhängigen durchliefen während der 14 Jahre Studienlaufzeit circa 23 Prozent eine mehrmonatige Entwöhnungstherapie, 6,7 Prozent absolvierten eine Entgiftung. Beide Ansätze blieben jedoch "ohne positiven Effekt auf die Lebenserwartung". Nach Ansicht des Leiters des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin an der Universität Greifswald ein deutliches Zeichen dafür, dass die Therapieangebote dringend überarbeitet werden müssen.
Therapieangebote müssen überarbeitet werden
Laut Aussage des Greifswalder Sozialmediziners setzen bei Alkoholabhängigkeit „die Therapien in Deutschland zu spät an, wenn die Betroffenen bereits an einer Vielzahl alkoholbedingter Störungen leiden.“ Hier sei eine Anpassung des Angebotes erforderlich. Auch sollte Prof. John zufolge deutlich mehr Gewicht auf die Alkoholprävention gelegt werden. Beispielsweise seien Preiserhöhungen, Verkaufsverbote an Tankstellen und ein striktes Alkoholverbot am Steuer denkbare Handlungsansätze. Bis heute sei die „deutsche Gesellschaft viel zu alkoholkonsumorientiert“ und „Deutschland ist ein Hochkonsumland“, betonte John.
Alkoholprobleme weit verbreitet
Wie verbreitet Alkoholprobleme in der deutschen Bevölkerung sind, geht aus den Zahlen der Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hervor. Demnach zeigen "mehr als neun Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren hierzulande ein riskantes Trinkverhalten". Davon neigen knapp drei Millionen Menschen zu einem gesundheitsschädlichen Alkoholkonsum und 1,6 Millionen sind alkoholabhängig. Welch drastische Lebenszeitverkürzung mit der Alkoholsucht einhergeht, ist bis heute jedoch vermutlich den wenigsten Abhängigen bewusst. (fp)
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