Schuppenflechte-Medikament lindert MS-Symptome
07.11.2012
Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum haben eine neue Möglichkeit zur Behandlung von Multiple Sklerose (MS) entdeckt. Der „seit langem gegen Schuppenflechte bewährter Wirkstoff“ Fumarsäureester habe in aktuellen Untersuchungen die MS-Symptome deutlich gelindert, berichten Professor Dr. Ralf Gold von der Ruhr-Universität Bochum und Kollegen.
Zwar ist MS bis heute unheilbar, doch moderne Medikamente können den Verlauf maßgeblich verlangsamen. Allerdings „sind die Wirkstoffe entweder in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt oder mit gravierenden Nebenwirkungen verbunden“, so die Mitteilung der Ruhr-Universität. Erfreulicherweise kann offenbar jedoch der seit langem gegen Schuppenflechte bewährte Fumarsäureester zur Linderung der MS-Symptome beitragen. Durch die Anwendung hätten die MS-Patienten 50 Prozent weniger MS-Schübe erlitten und bis zu 90 Prozent weniger entzündlich aktive Herde aufgewiesen, berichtet die Ruhr-Universität. Die Forscher um Professor Dr. Ralf Gold konnten nun nachweisen, wie Fumarsäureester die Nervenzellen vor Multiple Sklerose schützt.
Firewall schützt Nervenzellen vor MS
Zufällig hatten Mediziner bereits vor einiger Zeit entdeckt, dass Fumarsäureester bei MS-Patienten eine äußerst positive Wirkung entfalten kann. Bei Patienten, die sowohl an MS als auch an Schuppenflechte litten, „besserte sich die Symptomatik der MS auffällig unter der Einnahme von Medikamenten mit Fumarsäureester“, berichtet die Ruhr-Universität Bochum. Nun konnten die Neurologen um Professor Gold nachweisen, auf welche Weise der Fumarsäureester vor den MS-Symptomen schützt. „Die Nervenzellen werden wie durch eine Firewall vor entzündlichen Botenstoffen geschützt, insbesondere vor freien Radikalen und Stickoxid“, erläuterte Professor Gold. Den Forschern ist es nach eigenen Angaben in einer Studie mit über 2.400 Patienten gelungen, nachzuweisen, dass Fumarsäureester die MS-Schubraten um bis zu 50 Prozent reduziert und die entzündlichen aktiven Herde im Organismus der Patienten, die mit der Kernspintomografie sichtbar sind, um bis zu 90 Prozent verringert. Eine durchaus überzeugende Wirkung des Schuppenflechte-Medikamentes.
Fumarsäureesters hochwirksam gegen MS und trotzdem ungefährlich
Nicht nur die Wirkung des Fumarsäureesters gegen MS konnte die Forscher überzeugen, sondern auch die vergleichsweise geringen Nebenwirkungen sprechen nach Ansicht der Neurologen für die Anwendung des Schuppenflechte-Medikamentes. Zwar seien bei Fumarsäureester Verdauungsbeschwerden als weit verbreitete Nebenwirkung bekannt, welche beim dermatologischen Einsatz rund 40 Prozent der Patienten betrifft. Doch durch eine abgewandelte Formulierung des Medikaments konnten die Nebenwirkungen stark reduziert werden, berichten die Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum. Lediglich drei bis fünf Prozent der Patienten hätten noch entsprechende Nebenwirkungen gezeigt. Fumarsäureester sei damit „hochwirksam und trotzdem ungefährlich – eine neue Erfahrung der MS-Therapie!“, betonte Professor Gold.
MS häufigste neurologische Ursache von Behinderungen
MS ist eine Erkrankung des körpereigene Immunsystems (Autoimmunkrankheit), bei der chronisch entzündliche Prozesse das zentrale Nervensystem angreifen. Die Isolierschicht der Nervenfaserbahnen wird durch das eigene Immunsystem zerstört. Da die Erkrankung das gesamten zentrale Nervensystem befallen kann, sind bei Multiple Sklerose zahlreiche unterschiedliche neurologische Symptome möglich. Diese reichen von Sehstörungen über Schmerzen und Taubheitsgefühl in den Gliedmaßen bis hin zu motorischen Störungen und Lähmungserscheinungen. Auch Schluckstörungen, Schwindel und Sprechstörungen sind mögliche Folgen der MS. Die Erkrankung gilt hierzulande mit rund 130.000 Betroffenen als häufigste neurologische Ursache von Behinderungen bei jungen Erwachsenen, berichtet die Ruhr-Universität Bochum. Wirksame Medikamente zur Linderung der MS-Symptome sind daher von hohem medizinischen Interesse.
Fruchtsäure als Hilfe im Kampf gegen Multiple Sklerose
Dass ausgerechnet Fumarsäureester die Symptome der MS-Patienten maßgeblich lindern kann, war nicht nur für die Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum eine durchaus positive Überraschung. Bereits seit den 1990er-Jahren wurden unterschiedliche Präparate gegen MS eingesetzt, jedoch mit eher bescheidenem Erfolg. Sie zeigten entweder nicht die gewünschte Wirkung oder waren mit massiven Nebenwirkungen verbunden, die einen Einsatz kaum empfehlenswert erscheinen ließen, berichten die Wissenschaftler. Der bereits bei Schuppenflechte bewährte Fumarsäureester verspricht hier nun effiziente Symptom-Linderung ohne Nebenwirkungen. Gewonnen wird Fumarsäureester aus der Fruchtsäure Fumarsäure. Diese ist in vielen Pflanzen, Pilzen und Flechten aber auch im menschlichen Körper zu finden. Fumarsäure ist auch als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen und dient in der Lebensmittelindustrie als Säuerungsmittel. (fp)
Lesen Sie zum Thema:
MS Diagnose: Erste Symptome erkennen
Cannabis-Anbau: Schwerkranker erreicht Teilerfolg
Vorbeugende Impfung gegen Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose Schübe oft im Sommer
Neue genetische Ursache für MS entdeckt
Vorbeugende Impfung gegen Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose Schübe oft im Sommer
Cannabis-Anbau: Schwerkranker erreicht Teilerfolg
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.